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6.5 Holocaust-Leugnung als rechtsextreme Verschwörungserzählung

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Von Vivien Piayda 

Begriffserläuterung / Entstehung

Holocaust-Leugner*innen erkennen das auf Fakten und Forschung basierte Geschichtsbild über den Nationalsozialismus und den Holocaust nicht an und versuchen diesen zu relativieren, weshalb neben dem Begriff Holocaust-Leugnung auch oftmals der Begriff ‚Geschichtsrevisionismus‘ gebraucht wird. Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Deutschlands begann die Leugnung und Verharmlosung historischer Tatsachen in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. In den 1950-Jahren verteidigten alte Nationalsozialisten den NS-Staat. Sie hatten sich zum Ziel gesetzt, die Schuld am Kriegsausbruch zu verringern. Der heute oft verwendete Begriff ‚Auschwitz-Lüge‘ behauptet, dass die Realität des nationalsozialistischen Völkermordes an den Jüdinnen*Juden nicht existiere. Der Begriff erschien erstmals als Titel einer 1973 veröffentlichten Broschüre des deutschen Nazis Thies Christophersen. 

Rechtliche Einordnung 

Die Leugnung des Holocausts ist in Deutschland strafbar. §130 Abs. 3 des Strafgesetzbuches verbietet die Billigung, Verharmlosung und Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes an den europäischen Jüdinnen*Juden. Die Straftat wird mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Bei dem Paragraphen handelt es sich jedoch nicht um einen spezifischen Holocaust-Paragraphen, sondern um den Paragraphen der Volksverhetzung. 

Inhalte und Ziele der Verschwörung

Die Anhänger*innen der Holocaust-Leugnung verfolgen eine genaue Argumentation, um ihre Verschwörungserzählung zu untermauern. Zum einen bedienen sie sich pseudowissenschaftlicher Gutachten, die belegen sollen, dass in den Gaskammern keine Rückstände von Giftgas gefunden wurden und dass die Krematorien in Auschwitz zu klein gewesen seien, um eine massenhafte Verbrennung durchzuführen. Andere Revisionist*innen argumentieren, dass viele Einzelpersonen ohne ausdrücklichen Befehl gearbeitet hätten, weshalb Hitler und die NS-Führung aus ihrer Verantwortung zu entlassen seien. Ein weiteres Argument der Leugner*innen verharmlost den Völkermord, indem sie behaupten, die hohe Sterblichkeit der Jüdinnen*Juden sei ausschließlich auf die Unterernährung und Krankheiten zurückzuführen. Die wohl gängigste Behauptung ist die, dass die Alliierten den Holocaust inszeniert hätten, um Deutschland zu schaden. Auf der anderen Seite würden Jüdinnen*Juden den Holocaust nutzen, um immer neue Wiedergutmachungszahlungen zu erpressen. 

Holocaust-Leugner*innnen zielen mit ihrer Verschwörung darauf ab, Verwirrung innerhalb der Gesellschaft zu stiften und dadurch Vorbehalte gegenüber Jüdinnen*Juden zu schüren. Die Verbreitung ihrer Verschwörung geschah zunächst durch Zeitschriften und Bücher, die innerhalb der rechten Szene vertrieben wurden. Vermehrt verbreitet sich die Leugnung auch im Internet, in Foren, auf Webseiten und in den Sozialen Medien. 

Studien zur Holocaust-Leugnung in Europa

Aus einer Studie über das Wissen und die Bildung über jüdisches Leben und Antisemitismus der Europäischen Union aus dem Jahr 2018/2019 geht hervor, dass 68 % der EU-Bürger*innen sich nicht ausreichend informiert über jüdisches Leben in ihrem jeweiligen Land sehen. Im Bezug auf die Holocaust-Leugnung zeigt die Studie, dass 42 % der Europäer*innen wissen, dass die Leugnung des Holocausts per Gesetz verboten ist. Ein Drittel wisse dies nicht (32 %) und 24 % seien sich nicht sicher. Im Hinblick auf die schulische Auseinandersetzung mit dem Völkermord an den Jüdinnen*Juden sagen 43 % der Europäer*innen, dass ausreichend über das Thema in der Schule gesprochen wird. Fast der gleiche Anteil ist der Meinung, dass nicht ausreichend über den Holocaust unterrichtet wird. Die Studie zeigt, wie unterschiedlich die Auffassung der Europäer*innen über jüdisches Leben und die Geschichte des Holocausts in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist. Die Mehrheit ist der Ansicht, dass nicht ausreichend über jüdisches Leben gesprochen wird.

Bekannte Holocaust-Leugner*innen

Anhänger*innen der Holocaust-Leugnung haben gemeinsam, dass sich fast alle als „Wissenschaftler*innen“ ausgeben. Sie berufen sich auf pseudowissenschaftliche Gutachten und ihre Rhetorik gibt sich streng wissenschaftlich. Einige bekannte deutsche Holocaust-Leugner*innen sind beispielsweise Thies Christophersen, Horst Mahler und Ursula Haverbeck.

Thies Christophersen (1918-1997) war ein deutscher Nationalsozialist und ehemaliger SS-Mann. 1944 war Christophersen in Auschwitz tätig. Er verharmlost und leugnet den Holocaust.

Horst Mahler ist ehemaliges NPD-Mitglied. Im Jahr 2004 wurde er wegen Volksverhetzung vom Berliner Landgericht zu neun Monaten Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. 2009 wurde er erneut von den Gerichten in München, Landshut und Potsdam zu weiteren Haftstrafen verurteilt.

Ursula Haverbeck ist 92 Jahre alt und saß bereits einige Jahre wegen der Leugnung des Holocaust im Gefängnis. Nach zweieinhalb Jahres Haft saß sie im Jahr 2020 erneut auf der Anklagebank des Berliner Amtsgerichts wegen des Vorwurfs der erneuten Volksverhetzung. Sie gilt als notorische Holocaust-Leugnerin und scheut die Nähe zu Neonazis nicht. Bei der Europawahl 2009 kandidierte sie beispielsweise für die Partei „Die Rechte.“ 

Reichsbürger*innen 

Zu der rechtsextremen Szene werden oft auch Reichsbürger*innen oder ‚Selbstverwalter‘ gezählt. Laut Verfassungsschutzbericht von 2019 berufen sich ‚Reichsbürger‘ hinsichtlich des Staatsgebietes und Rechtstandes auf ein ‚Deutsches Reich‘ und lehnen die Bundesrepublik Deutschland ab. ‚Selbstverwalter‘ hingegen fühlen sich dem Staat nicht zugehörig und behaupten, sie könnten durch eine Erklärung aus der Bundesrepublik austreten. Die zwei Gruppen teilen die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Rechtsordnung. Die Szene prägt eine staatsfeindliche Einstellung und antisemitische Verschwörungserzählungen. Auch die hohe Waffenaffinität und das große Gewaltpotential zeichnet die Szene aus. Reichbürger*innen sind oftmals Anhänger*innen der Holocaust-Leugnung und des Geschichtsrevisionismus. 

Literatur und Quellen

Amadeu Antonio Stiftung (2014), »Wir sind wieder da« Die »Reichsbürger«: Überzeugungen, Gefahren, Handlungsstrategien. Berlin. Online unter: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/reichsbuerger_web.pdf

Benz, Wolfgang (2009), Die Funktion von Holocaustleugnung und Geschichtsrevisionismus für die rechte Bewegung. In: Braun, Stephan / Geisler, Alexander / Gerster, Martin: Strategie der extremen Rechten. VS Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden. 

Bundesministerium der Justiz, Strafgesetzbuch § 130 Volksverhetzung. Online unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__130.html

Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (2019), Verfassungsschutzbericht 2019, Fakten und Tendenzen. Online unter: https://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-reichsbuerger-und-selbstverwalter/was-sind-reichsbuerger-und-selbstverwalter 

Ramm, Wiebke (2020), »Ich halte dieses Verfahren für höchst fragwürdig«. Spiegel online (17.11.2020) Online unter: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/prozess-gegen-holocaust-leugnerin-ursula-haverbeck-ich-halte-dieses-verfahren-fuer-hoechst-fragwuerdig-a-2b38a995-ceb7-4053-9c42-4ae2500d1af1 

Special Eurobarometer 484 (2019), Perceptions of antisemitism. Online unter: https://ec.europa.eu/info/sites/default/files/ebs_484_en_8.pdf. Zuletzt aufgerufen: 19.02.2022.

 

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