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6.2 QAnon: Verschwörungsideologie & Internetkultur

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Von Samuel Salomon und Markus Weiß

Das als „Pizza Gate“ benannte Verschwörungsnarrativ bildete 2017 den Ursprung einer Verschwörungsideologie, die eng mit dem Label „QAnon“ verbunden ist. Dahinter verbirgt sich ein angeblich hochrangiger amerikanischer Regierungsmitarbeiter, der die Sicherheitsfreigabe Q und damit umfangreiches Insiderwissen hat. Er (evtl. auch mehrere) trat unter dem Pseudonym Q in verschiedenen Chats/Boards wie 4chan, 8chan u.a. auf und verbreitete kryptische Texte zu Donald Trumps Kampf gegen Hillary Clinton und ihre angeblichen Beziehungen zu einer Geheimorganisation, die Kinder quält und im Geheimen die Macht übernommen hat bzw. übernehmen möchte. An diese Mythen knüpft QAnon an. So steht im Zentrum die Behauptung, eine globale agierende Elite entführe Kinder, halte sie gefangen, foltere sie und gewinne aus ihrem Blut „Adrenochrom“ – eine angebliche Verjüngungsdroge. Dieser Vorwurf ist eine ins 21. Jahrhundert adaptierte Version der Jahrhunderte alten antijüdischen Blutkultlegende. Dieser Legende nach würden Jüdinnen*Juden Kinder entführen und schächten, um aus deren Blut z.B. Pessach-Mazzen zu backen. Eine zweite markante Erzählung von QAnon ist die Behauptung eines „Deep State“, also eines mächtigen Personenkreises, der in Form eines Staats im Staate nicht nur die USA, sondern das globale Geschehen kontrolliere. Auch dieses Narrativ greift (strukturell) auf uralte antisemitische Stereotype, die des ‚Strippenziehers‘ und ‚Weltverschwörers‘, zurück. Dieses Narrativ steht mittlerweile synonym für ein angebliches Komplott gegen Donald Trump, der in den Augen von QAnon-Anhänger*innen eine zentrale Erlöser-Figur spielt („Trust the plan“) und für das Gute kämpft. QAnon setzt daher weniger auf Untergangsszenarien, sondern vielmehr auf Heilsversprechen. Laut der Prophezeiung würden die führenden Köpfe der Elite verhaftet werden („The storm is coming“), was zu einem großen Erwachen („Great awaking“) und damit zum Guten führe. In diesem Zusammenhang taucht auch oft die Metapher „redpilled“ als Bezeichnung für die „Erwachten“ auf, die die Verschwörung des „Deep States“ erkannt haben. 

Das antisemitische Grundrauschen, der Anti-Elitarismus, das manichäische Weltbild und die Gewaltbereitschaft machen QAnon dabei problemlos anschlussfähig an eine extrem rechte bzw. faschistische Ideologie. Der Staat und die Regierung, die von einer fremden Macht kontrolliert würden und gegen das Volk agieren, dienen dabei als grundsätzliches Feindbild. QAnon bietet sich durch die Vagheit der Botschaften dabei als Sammelbecken für verschiedenste Verschwörungsideologien an und bietet damit auch rassistischen, faschistischen, antifeministischen Vorstellungen Raum bzw. die Möglichkeit zur Verbreitung. Eine Vielzahl an Anhänger*innen versucht die verschlüsselten Botschaften zu analysieren und teilt sie im Netz, weshalb für QAnon das Internet eine wichtige Rolle spielt. Eine interne Untersuchung von facebook von Juni bis August 2020 machte Tausende QAnon-Gruppen mit Millionen Follower*innen ausfindig (Sen, Zadrozny 2020). Doch auch in der analogen Welt treten zunehmend Anhänger*innen öffentlich auf, wie etwa bei den Corona-Protesten. In Deutschland erfährt QAnon, obwohl zahlreiche facebook-Gruppen, youtube-Kanäle u.ä. gelöscht wurden, aktuell enormen Aufwind.

Verschwörungsideologien wie QAnon können Täter*innen die Gewissheit geben, das Richtige zu tun und auf der richtigen Seite zu stehen. Eine Verbindung aus Netzkultur, rechtsextremer Ideologie und Verschwörungsdenken legitimiert dabei auch die Anwendung von Gewalt. Diese kann sich dann massiv entladen, wie sie unter anderem in Christchurch, Halle und Hanau blutige Realität geworden ist. Auch im konkreten Zusammenhang mit QAnon-Mythen wurden bereits verschiedene Gewalttaten begannen (Amadeu Antonio Stiftung 2020: 17ff). Ebenso waren zahlreiche Verschwörungsideolog*innen und QAnon-Anhänger*innen an der Stürmung des Capitols, bei der es Verletzte und Tote gab, beteiligt.

Erkennungszeichen: 

  • Schilder, Shirts und Fahnen mit einem erkennbaren „Q“
  • Weißes Kaninchen
  • Slogan/Akronym „WWG1WGA“ (Where we go one, we go all)

Literatur

Amadeu Antonio Stiftung (2020), QAnon in Deutschland (de:hate report #01), Berlin.

JFDA (2020), QAnon: Eine weltweit verbreitete antisemitische Verschwörungsideologie mit historischen Wurzeln. Berlin.

Sen, Ari; Zadrozny, Brandy (2020): QAnon groups have millions of members on Facebook, documents show. NBC News. Online unter: https://www.nbcnews.com/tech/tech-news/qanon-groups-have-millions-members-facebook-documents-show-n1236317. Zuletzt aufgerufen: 18.02.2022.

Simon Wiesenthal Center (2020), QAnon: From Fringe Conspiracy to Mainstream Politics.

 

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