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Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel

Von Tanja Kleeh

Die Website „Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel“ ermöglicht den virtuellenBesuch des sogenannten Afrikanischen Viertel im Berliner Wedding. Über den mobilen Abruf kann die Homepage auch vor Ort angesehen werden. Zu den 22 Straßen werden verschiedene Texte und Audiodateien angeboten Neben einer alphabetisch sortierten Liste der Straßen gibt es die Möglichkeit, die einzelnen Straßen inklusive der bereitgestellten Informationen über eine Karte zu finden. Getragen wird das Projekt vom Amt für Weiterbildung und Kultur des Bezirksamtes Mitte Berlin. Die Texte in Schrift und Ton geben Auskunft über die Ursprünge der Straßennamen und in welchem Bezug sie zum deutschen Kolonialismus stehen. So erfahren Besucher*innen des „Lern- und Erinnerungsorts Afrikanisches Viertel“ beispielsweise, dass die Otawistraße nach einem Ort im heutigen Otawi benannt wurde, „der in der von 1884-1919 besetzten Kolonie ‚Deutsch-Südwestafrika’ von zentraler Bedeutung für den Handel mit Kupfer, Blei und Zinn war“. Ergänzt werden die Informationen mit einer historischen Fotografie, die den Bau der Bahnstrecke zum Zweck der Ausbeutung der Region zeigt. Die Audiodateien, die bei einzelnen Straßen zu finden sind, enthalten ähnlich grundlegende Informationen. Ebenso werden Informationen über wichtige, den Kolonialismus prägende Ereignisse vermittelt. So gibt es beispielsweise eine Hörstation zur Berliner Afrika-Konferenz 1884/85. Die Konferenz bildete die Grundlage für die Aufteilung des afrikanischen Kontinents zwischen den Kolonialmächten. Es wird in Teilen aus Protokollen eben dieser zitiert. Ähnliche Hintergrundstationen gibt es über den Maji-Maji-Krieg und den Genozid 1904 in Otawi. Diese Ereignisse fehlen in der Auflistung, so dass sie auf den ersten Blick schnell untergehen können. Sehr schön ist auch die Idee, künstlerische Beiträge hörbar zu machen. So finden sich das Lied „Birth of Ghana“ von Lord Kitchener oder das Gedicht „blues in schwarz weiss“ der Dichterin und Schwarzen Aktivistin May Ayim als Audiostationen. Nach Ayim ist seit Februar 2010 das Kreuzberger Groebenufer benannt. Zuvor war es nach dem preußischen Leutnant von der Groeben benannt worden. Auch über den „Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel“ selbst gibt es eine Audiodatei. Darin wird erklärt, dass die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Mitte im Mai 2011 beschloss das „Afrikanische Viertel“ zu einem Lern- und Erinnerungsort über den deutschen Kolonialismus, seine Rezeption und den Unabhängigkeitskampf der betroffenen Staaten zu machen. Yonas Endrias, der seit Februar 2013 für die Projektkoordination zuständig ist, erklärt die Besonderheiten des Afrikanischen Viertels: „Das Besondere [im Afrikanischen Viertel] ist, dass wir hier das größte Flächendenkmal haben.“ Endrias berichtet von dem langen Kampf der NGOs, von den Auseinandersetzungen mit der Politik, die zwecks der Errichtung des Lern- und Erinnerungsortes nötig waren: „Die Politiker wollten keine Straßenumbenennungen aus parteipolitischen Gründen, stimmten aber einstimmig für einen Lern- und Erinnerungsort.“ Leider sind die Stationen entweder ein Text oder ein Audio und auch nicht durchgängig bebildert. Während Letzteres der Quellenlage geschuldet sein kann, ist die Entscheidung für Text oder Audio nicht gleich erkennbar. Vielleicht findet sich in Zukunft eine Ergänzung des Lern- und Erinnerungsortes, so dass die wertvollen Informationen noch mehr Menschen zugänglich gemacht werden können.

Fazit

Die Homepage „Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel“ ist ein spannendes Projekt, die Berliner*innen vor Ort als auch allgemein am Kolonialismus interessierte Personen zur Erforschung der Kolonialgeschichte animiert. Durch die Verfügbarkeit im Internet sind die „Lern- und Erinnerungsorte“ von überall zugänglich und können somit anschaulich – beispielsweise im Schulunterricht – vermitteln, welche Geschichten hinter oftmals harmlos klingenden Straßennamen stehen. In den immer wiederkehrenden Diskussionen um die Umbenennung von Straßen, beispielsweise die vielfach in Deutschland vorhandene Bismarckstraße, kann das Projekt einen wichtigen Denkanstoß liefern.

Link zur Homepage: http://www.3plusx.de/leo-site/

 

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