Empfehlung Fachbuch

Ästhetik des Gemachten. Interdisziplinäre Beiträge zur Animations- und Comicforschung

Hans-Joachim Backe, Julia Eckel, Erwin Feyersinger, Véronique Sina, Jan-Noël Thon (Hrsg.): Ästhetik des Gemachten. Interdisziplinäre Beiträge zur Animations- und Comicforschung, De Gruyter, 2018, 89,95€.

Von Tanja Kleeh

Der 2018 erschienene Sammelband „Ästhetik des Gemachten. Interdisziplinäre Beiträge zur Animations- und Comicforschung“ wirft unterschiedliche Perspektiven auf das Forschungsfeld. Comic- und Animationsforschung. Da in der vorliegenden Ausgabe „Lernen aus der Geschichte“ der Schwerpunkt auf Comics liegt, werden hauptsächlich die Beiträge zur Comicforschung einer näheren Betrachtung unterzogen.

Die Herausgeber*innen beschäftigten sich bereits in der Einführung mit der Medienästhetik von Animation und Comics. Diese weisen offenkundige Parallelen auf, „denen jedoch bislang in der jeweils einschlägigen Forschung kaum angemessene Aufmerksamkeit gewidmet wurde“ (S.1). Besonderes Augenmerk liegt für die Autor*innen auf der Gemachtheit. Da Comic und Animation diese als „handgemachte“ Medienform ihre Entstehung stärker offenlegten, reflektierten sie diese besonders eindrücklich, so die Verfasser*innen. Im Falle des Comics führe auch „das komplexe Zusammentreffen von Bild und Text“ (S.3) zu einer Offenlegung des Konstruktionscharakters.

Ein historisches Beispiel hat Christina Meyer in ihrem Aufsatz „ ,Noch besser, bunter und mehr davon‘. Comicproduktion und Comicästhetik im 19. Jahrhundert“ gewählt. Hierbei analysiert Meyer zwei Zeitungscomicserien aus dem New York Journal, um „die Gemachtheit der populären Comics im 19. Jahrhundert aufzufächern“ (S.152). Die beiden Comicserien werden sowohl auf inhaltlicher als auch auf zeichnerischer Ebene analysiert. Dabei berücksichtigt Meyer nicht nur, wie gezeichnet wird, sondern auch was, d.h. wiederkehrende Figuren, Gegenstände und ähnliche Elemente. Analysegegenstand sind auch Farbgebungen sowie die Kleidung der Figuren. Dem Text sind einige Abbildungen beigefügt, so dass Leser*innen gut nachvollziehen können, was überhaupt Gegenstand des Textes ist.

Ebenfalls einem speziellen Feld widmet sich Nina Heindl. Unter dem Titel „Opazität und Transparenz. Überlegungen zum poietischen Potenzial in Chris Wares Comics und Animationen“. Nach einer Vorstellung des Werkes von Ware erläutert Heindl, wie sie den Begriff der „Poiesis“ (produktives Schaffen) versteht und anwendet. Dies zeichne sich dadurch aus, dass etwa Spuren des Arbeitsprozesses am Werk erkennbar seien. Entsprechend vergleicht Heindl drei Werke – „Building Stories“, „Touch Sensitive“ und „Moving Images“ – bezüglich ihrer Gemachtheit. Der Autorin zufolge wird diese „durch verschiedene Strategien reflektiert und durch Verweise auf die Entstehungsvorgänge im späteren Rezeptionsprozess erfahrbar gemacht“ (S.199).

Für Historiker*innen bzw. die historische Bildungsarbeit von besonderem Interesse ist sicherlich der Aufsatz „Inszenierte Vergangenheit oder wie Geschichte im Comic gemacht wird“ von Christine Gundermann. Sie erarbeitet darin sieben Modi der Inszenierung von Geschichtlichkeit im Comic. Zuvor jedoch erörtert die Autorin die Frage nach der historischen Authentizität. Nach einer kurzen, kritischen Auseinandersetzung mit dem Konzept selbst stellt Gundermann fest, dass Authentizität als Erlebnis im Moment der Kommunikation entsteht und nicht als Qualität eines Objektes verstanden werden muss bzw. kann. Im Comic habe Authentizität zudem fast immer „mit der Suche oder Sehnsucht nach dem ,Echten’ und der ,wahren Geschichte’“ zu tun (S.261).

Zu den bereits erwähnten sieben Modi, um historische Authentizität im Comic herzustellen, zählen laut Christine Gundermann beispielsweise bildliche Vergangenheitsmarker. Dazu zählt die Autorin bekannte Persönlichkeiten der Geschichte und Gebäude, „die so bekannt sind, dass sie leicht wiederzuerkennen sind“ (S.263). Mit historischen Ereignissen könne, so Gundermann, die Handlung in Zeit und Raum verortet werden. Gleichzeitig werde so Authentizität erzeugt, die auf die (noch unerzählte) Geschichte übertragen werden kann. Unterstrichen werden die Thesen nicht nur durch Beispiele wie „drüben!“ (2009) von Simon Schwartz, sondern auch die Abbildung ausgewählter Titelbilder. Auch hier helfen die Abbildungen im Aufsatz den Leser*innen, den Gedankengang der Autorin zu verfolgen und eigene Rückschlüsse zu führen.

Ein weiterer der Modi ist die Präsenz der Autor*innen bzw. von Zeitzeug*innen. Vor allem die Zeitzeug*innen, die ihre Geschichte selbst erzählen, erzeugen bei der Leserschaft Authentizität. Wie immer im Umgang mit Dokumenten von Zeitzeug*innen sind diese jedoch mit der gebotenen Quellenkritik zu lesen.

Insgesamt bietet „Ästhetik des Gemachten“ einen umfangreichen Blick auf den momentanen Stand der Comicforschung. Einsteiger*innen in die Thematik erhalten einen guten Überblick. Da die einzelnen Beiträge sehr spezifisch sind, können aber auch bereits erfahrenere Leser*innen neue Erkenntnisse gewinnen. Für die historisch-politische Bildungsarbeit können vor allem die im Beitrag herausgearbeiteten Aufsätze nützlich sein.

 

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