Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe - Ausbau mit Hindernissen

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Liebe Leserinnen und Leser,

vor sich haben Sie eine Sonderausgabe des LaG-Magazins im Kurzformat zur Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe in Sachsen-Anhalt. Wir haben uns zur Herausgabe dieser Sondernummer entschieden, nachdem bekannt wurde, dass der geplante Ausbau der Gedenkstätte dadurch gefährdet war, dass die notwendigen Mittel in Höhe von 3,7 Millionen Euro nicht in den sachsen-anhaltinischen Doppelhaushalt 2017/18 eingestellt wurden. Inzwischen hat Anfang März das Landesparlament doch Mittel für den Ausbau beschlossen. Wir möchten mit diesem Magazin darauf aufmerksam machen, dass der Erhalt und Ausbau von Gedenkstätten an Orten des nationalsozialistischen Terrors noch immer keine Selbstverständlichkeit sind, selbst wenn der politische Wille dazu bekundet wird. Dabei handelt es sich bei Gardelegen Isenschnibbe um einen historischen Tatort von weit mehr als regionaler Bedeutung.

Die Hansestadt Gardelegen liegt gute 60 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Magdeburg. Am 13. April 1945 wurde die Feldscheune des Gutes Isenschnibbe am Rand von Gardelegen Schauplatz und Tatort der Ermordung von über 1.000 KZ-Häftlingen, die von der SS auf einen Todesmarsch getrieben wurden. Dieses sogenannte Endphaseverbrechen wurde begangen von der SS, von Wehrmachtssoldaten, aber auch von Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes.

Bereits in der DDR bestand am historischen Ort eine durch den Geist des staatlichen Antifaschismus Gedenkstätte geprägte Gedenkstätte. Bisher gibt es ein Besucherleitsystem aus dem Jahr 2013, jedoch kein Gebäude, in dem eine Ausstellung einen Platz hätte. Im Rahmen des geplanten Aus- und Umbaus soll ein neues modernes Besucher- und Dokumentationszentrum entstehen. Als Lernort ist Isenschnibbe besonders geeignet, das Thema „Todesmärsche“ aufzugreifen. Der Landesvorsitzende des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Dieter Steinecke, hat sich als Landtagspräsident erfolgreich dafür eingesetzt, dass Gardelegen Isenschnibbe in die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt aufgenommen wurde. Mit der Übernahme der Gedenkstätte durch das Land beschloss der Landtag am 13. Dezember 2012 „Haushalt 2014 die Voraussetzungen für die Errichtung einer modernen wissenschaftlichen und pädagogischen Standards genügenden Gedenkstätte an der Feldscheune Isenschnibbe zu schaffen“ (36. Sitzung zu Drucksache 6/1679).  Im April 2016 hatte ein Berliner Architekturbüro den Wettbewerb zur Umgestaltung der Gedenkstätte gewonnen.

Ein Ausbleiben der Mittel hätte den Ausbau um mindestens zwei Jahre verzögert, wenn nicht gar infrage gestellt. Es ist vor allem Abgeordneten aus allen Parteien, mit Ausnahme der AfD, und dem Engagement von Bürger_innen vor Ort sowie dem Förderverein der Gedenkstätte zu verdanken, dass sich ein breiter Protest gegen die drohende Zurückstellung des Gedenkstättenausbaus regte. In einer Resolution hatte der Gardelegener Stadtrat die Landesregierung aufgefordert, ihre Zusagen zum Ausbau der Gedenkstätte einzuhalten. Auch der Kreistag in Salzwedel verabschiedete eine entsprechende Petition. Der Überlebendenverband „Amicale Internationale KZ Neuengamme“ hat schriftlich scharf protestiert. So heißt es in dem Schreiben der Amicale vom 30. Januar 2017 an die Landesregierung und die Fraktionsvorsitzenden im Landtag: „Die Verschiebung der Umsetzung des Projekts ist für uns nicht hinnehmbar. In Zeiten, in denen auf politischer Bühne offen eine Abkehr von der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen gefordert wird, muss die Politik in Sachsen-Anhalt ein deutliches Signal setzen: Die Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit muss bewahrt und eine lebendige Auseinandersetzung mit jungen Generationen aus aller Welt gefördert werden.“ Und schlussendlich haben Bürger_innen vor Ort am 27. Januar für den Ausbau protestiert. Erstaunlicherweise blieb eine öffentliche Solidaritätserklärung von anderen Gedenkstätten aus. Das Beispiel der Gedenkstätte Feldscheune Isenschnibbe zeigt, dass die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus noch immer in manchen Fällen erstritten werden muss. Zumindest scheint dies in dort notwendig, wo Orte und Taten, oder Tatkomplexe, nicht oder weniger im Fokus einer breiten Öffentlichkeit stehen.

Nach der Mittelverabschiedung für die Gedenkstätte herrschte allenthalben Erleichterung. Es ist nun zu hoffen, dass der Um- und Ausbau wie geplant vorangeht und die Eröffnung tatsächlich im Jahr 2018 stattfinden kann.

Der Historiker und Politologe Thomas Irmer hat für diese Sonderausgabe freundlicherweise einen Essay beigesteuert, der die Taten und die Geschichte der Erinnerung an das Massaker in der Feldscheune Isenschnibbe aufgreift.

Nadja Grintzewitsch, aus dem Team der Agentur für Bildung, ist mit einer Rezension von Daniel Blatmans Buch „Die Todesmärsche 1944/45. Das letzte Kapitel des nationalsozialistischen Massenmords“ vertreten.

Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre.

Ingolf Seidel, für die LaG-Redaktion

 

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