Spanienkämpferinnen – ausländische Frauen im Spanischen Bürgerkrieg
Von Gerit-Jan Stecker
Hunderte Frauen von Argentinien bis Norwegen, von Kanada bis Australien zogen von 1936 bis 1938 als Freiwillige in den Spanischen Bürgerkrieg. Unter Einsatz ihres Lebens brachen sie mit den Traditionen, um den Faschismus in Europa aufzuhalten und die spanische Republik zu retten. Während verschiedene erinnerungspolitische Erzählungen über den Spanischen Bürgerkrieg bestehen und es dazu vergleichsweise viele Publikationen gibt (z. B. der im Dezember erscheinende Band „Gegengeschichten oder Versöhnung?“ von Alexandre Froideveaux), hat diese einzigartige Bewegung bisher wenig Resonanz erfahren. In den Berichten zum Krieg wurden die Ausländerinnen meist auf die Rolle der fürsorglichen Krankenschwester reduziert; oder man ging davon aus, dass sie lediglich ihre Ehemänner begleiteten. Doch ohne die Milizionärinnen, Berichterstatterinnen, Dolmetscherinnen, Fahrerinnen, Fotografinnen, Ärztinnen und Krankenschwestern wäre der Widerstand gegen Franco in dieser Form nicht möglich gewesen, so die Journalistin und Historikerin Renée Lugschitz. Sie hat 2012 die erste Gesamtdarstellung zu internationalen Frauen im Spanischen Bürgerkrieg vorgelegt: „Spanienkämpferinnen. Ausländische Frauen im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939“.
Lugschitz zeichnet darin umfassend nach, wer die „Spanienkämpferinnen“ waren, „welche Rolle diese Frauenbewegung in diesem Konflikt gespielt hat, welche gemeinsamen Erfahrungen die Frauen unterschiedlicher Nationalitäten gemacht haben – und was sie voneinander getrennt hat.“ (10) Vorangestellt, im ersten von drei Abschnitten des Bandes, fasst Lugschitz Hintergrundinformationen zum Spanischen Bürgerkrieg zusammen, einschließlich einer Zeittafel zum Bürgerkrieg und eines tabellarischen Überblicks zu den involvierten Kriegsparteien. Individuelle Lebensgeschichten sind Gegenstand im dritten Abschnitt von „Spanienkämpferinnen“. Hier möchte Lugschitz die Heterogenität der Menschen dahinter sichtbar werden lassen.
Die Situation der Frauen in Spanien zu Kriegsbeginn
Mit dem Wahlsieg der verbündeten Linksparteien im Jahr 1931 setzte eine frauenpolitische Modernisierung ein. Bisher waren spanische Frauen weit gehend rechtlos, von Bildung und öffentlichem Leben ausgeschlossen. Sie sollten den „Engel zu Hause“ (vgl. 31) spielen. Bezeichnenderweise hatten die ersten weiblichen Abgeordneten selbst noch kein aktives Wahlrecht. Die bedeutendsten Frauengruppen waren die „Agrupación de Mujeres Antifascistas“ (AMA) und die anarchistischen „Mujeres Libres“; das erste weibliche Regierungsmitglied war die Anarchistin Frederica Montseny. Als berühmteste spanische Politikerin gilt Dolores Ibárruri, Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Spaniens. Sie wollte nicht das, wie sie sagte, „traurige, graue, mühsame Sklavenleben unserer Mütter“. Die bekannte Parole „No pasarán“ wird ihr zugeschrieben.
Die rechten Kräfte sorgten sich dagegen um die Familie und das Christentum (sie lehnten unter anderem Scheidungen ab, nach dem Sieg Francos wurden viele Ehescheidungen annulliert). Doch auch in linken Kreisen blieb Gleichberechtigung für viele Männer nur ein Lippenbekenntnis. Ihre Frauen sollten weiter auf die Kinder aufpassen, und Freiheit für Frauen missverstanden viele Männer als sexuelle Verfügbarkeit. Dementsprechend kam es auch zu Übergriffen an der Front. Zu diesem Frauenbild gehörte es auch, dass man schnell die Milizionärinnen, in den ersten Kriegswochen noch gefeiert, als Huren diffamierte, als Bedrohung für Moral der Kämpfenden oder als Spioninnen mit den „Waffen der Frauen“. Dass es vermutlich in der Tat zu vergleichsweise zwanglosen Affären kam, und dass selbstverständlich auch Sexarbeiterinnen an die Front tätig waren, änderte nichts an den patriarchalen Hierarchien: Die Rolle der Frau legten alle linken Gruppen auf die Nachhut fest, als „Mütter großer Söhne, Soldatinnen der Putztruppe“.
Milicianas
Die ersten ausländischen Freiwilligen auf republikanischer Seite waren Sportlerinnen. 1936 sollte als Gegenveranstaltung zu Hitlers Olympiade in Berlin die Volksolympiade in Barcelona stattfinden. Francos Militärputsch vereitelte dies. Einige Athletinnen traten ohne zu zögern den Milizen bei. Wie viele ausländische „milicianas“ es gab, ist nicht erfasst. Zudem wurde einigen Frauen die Waffe verweigert. Die berühmteste ausländische Milizionärin war die in Argentinien geborene Französin Mika Etchebéhère. Über ihren Ehemann erreichte sie die Front. Dort erwies sich, dass man auf ihre Fähigkeiten nicht verzichten konnte. Sie wurde unter anderem „Hauptmann“ einer Kompanie – was allerdings eine Ausnahme blieb.
Internationale Brigaden
Was bewog so viele Frauen, die zum Teil lange und gefährliche Reise nach Spanien zu unternehmen, um dort als Ärztinnen, Pflegerinnen und Dolmetscherinnen, als Mitarbeiterinnen in Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit in den Bürgerkrieg eines Landes zu ziehen, dessen Sprache sie meist nicht einmal beherrschten? Lugschitz arbeitet heraus, dass viele der Interbrigadistinnen aus persönlicher Betroffenheit handelten: Sie wurden selbst diskriminiert und verfolgt – als Frauen, Mittellose, Jüdinnen, Afro-Amerikanerin. In Spanien schien ihnen der historische Wendepunkt gekommen, die Ungerechtigkeit nicht mehr ohnmächtig hinnehmen zu müssen. Oder in den Worten, mit denen sich die Wienerin Lisa Gavriĉ später vor ihrer Tochter zu rechtfertigen versuchte: „Weil alles, was in Spanien geschah, für jeden geschah und jeder für das, was dort geschah, verantwortlich war.“ Obwohl Frauen bei den Interbrigaden von wichtigen Führungspositionen ausgeschlossen waren, fühlten viele sich gleichberechtigt und anerkannt. Sie hatten insgesamt mehr Möglichkeiten, aus traditionellen Rollen auszubrechen, als in ihren Heimatländern.
Viele Frauen waren in der Propaganda, als Zensorinnen und als Übersetzerinnen auch in anderen Organisationen, meist Parteien, unverzichtbar. Unabhängige Kriegsberichterstatterinnen arbeiteten meist im Umfeld der Interbrigaden. Sie wollten die Welt aufrütteln, und eroberten eine neue Rolle. Dennoch, als Frauen beachtete man die Mitarbeiterinnen oftmals nicht, sie wurden im Wortsinne ignoriert. Oder man unterstellte den Kämpferinnen pauschal, sich nicht aufgrund ihrer eigenen, politischen Entscheidung und beruflicher Professionalität in Lebensgefahr zu begeben, sondern aus Bewunderung für den aufopferungsvollen Kampf der Männer – selbst wenn sie selbst ihr Leben gaben wie etwa die Journalistinnen Renée Lafont und Gerda Taro. Aber auch einige Kriegsberichterstatterinnen zweifelten selbst an ihrer Rolle und bezeichneten sich als wohlmeinende Kriegstouristinnen zu Besuch an der Front.
Dabei waren mehrere Übersetzerinnen in sowjetische Verschwörungen gegen konkurrierende republikanische Gruppen involviert. Die kommunistische Führung der Interbrigaden unter André Marty schuf früh ein Klima der Paranoia. Wer nicht auf Linie war, Kritik an der Führung übte, galt als „Fünfte Kolonne“: als Agent/in von Franco, Hitler oder Trotzki. In Wahrheit war niemand mehr vor Verhaftung und Exekution sicher. Nachdem im Mai 1937 die stalinistische Regierung Kataloniens die Anarchisten und anti-stalinistischen Marxisten (POUM) zerschlagen hatte, verschwanden viele ausländische Aktivistinnen, wie z. B. Katja Landau, ohne Gerichtsverhandlungen monatelang in Geheimgefängnissen. Ihr Mann Kurt Landau blieb seitdem verschollen. Auch George Orwell wurde auf stalinistischen Listen als Agent der POUM geführt.
Nach dem Ende
Mit dem Vorrücken der franquistischen Truppen bis ans Mittelmeer im April 1938 zeichnete sich die Niederlage deutlich ab. Die republikanische Regierung gab den Rückzugsbefehl an die Interbrigaden, sie hoffte vergeblich, Franco dadurch zur Beendigung seiner Kollaboration mit Deutschland und Italien zu bewegen. Frauen aus demokratisch regierten Ländern – etwa Amerikanerinnen und Schweizerinnen – wussten, dass sie nach dem Krieg nach Hause fahren könnten, auch wenn sie dann als nachweislich „Rote“ oft Benachteiligungen, etwa im Berufsleben, und Repressalien bis hin zum Gefängnis ausgesetzt sein sollten. Für ihre Weggenossinnen aus Ländern wie Deutschland oder Österreich gab es, wenn überhaupt, nur eine Heimkehr unter Lebensgefahr. Einige Interbrigadistinnen blieben dennoch, um z. B. wie die Australierin Esme Odgers die Evakuierung von Kindern aus Barcelona nach Frankreich zu organisieren. Andere engagierten sich in England oder Frankreich für spanische Geflüchtete. Fest zu halten bleibt: Keine der Spanienkämpferinnen wurde nach 1938/39 für ihren Einsatz belohnt.
Nachdem Barcelona am 26. Januar 1939 gefallen war, dauerte es ca. zwei Wochen, bis Frankreich endlich für den riesigen Flüchtlingsstrom die Grenzen öffnete. Es hing von der Parteizugehörigkeit der Bürgermeister ab, ob Stacheldraht und Lagerkommandanten mit Peitsche warteten oder eine halbwegs menschenwürdige Unterbringung. Für viele Veteraninnen begann eine Irrfahrt durch Frankreich. Für einige endete diese im Widerstand, für andere im deutschen KZ. Lisa Gavriĉ flog bei einem geheimen Auftrag auf, als sie als französische Zwangsarbeiterin getarnt nach Österreich zurück kehrte, auf und kam ins KZ Ravensbrück. Dort beteiligte sie sich mit anderen Spanienveteraninnen am Aufbau einer illegalen Lagerorganisation zum Schutz der am meisten Gefährdeten. Wieder andere waren dem stalinistischen Apparat durch ihren Auslandsaufenthalt besonders verdächtig, sie wurden in vielen Ländern des Ostblocks bis in die 1960er-Jahre verfolgt, vertrieben, gefoltert. Vor allem Jüdinnen waren davon betroffen. Einige, wie Margarete Osten, ließ Stalin umbringen.
Fazit
Dennoch, viele Überlebende betrachteten später diese Zeit im Spanischen Bürgerkrieg als die wichtigste und beste in ihrem Leben. Es war eine der seltenen Zeiten, in denen eindeutig war, dass sie das Richtige getan hatten. Diese Lebenswege schafft Renée Lugschitz in „Spanienkämpferinnen. Ausländische Frauen im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939“ fesselnd, stellenweise mit ironischem Humor geschrieben, zugleich aufwändig und transparent recherchiert zu würdigen.
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- 15 Dez 2015 - 18:27