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Frauen- und Männerbilder im italienischen Faschismus und deutschen Nationalsozialismus

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Dr. Christoph Kühberger ist Privatdozent für Neue und Neueste Geschichte und ihre Didaktik am Institut für Geschichte der Universität Hildesheim und derzeit Vizerektor für Sozial- und Gesellschaftswissenschaften der Pädagogischen Hochschule Salzburg

Jenseits des gemeinsamen Männlichkeitsideals des Soldaten, existierten im italienischen Faschismus und im deutschen NS Übereinstimmungen, aber auch unterschiedliche Nuancierungen in den Männer- und Frauenbildern beider Regime. Christoph Kühberger weist auf deren zentralen Charakter für die jeweiligen Ideologien hin.

Von Christoph Kühberger 

Geschlechterwelten

Die Geschlechterwelten der beiden Regime waren von traditionellen Werten geprägt. Der Bewegungsradius der Frauen wurde zwar in Teilen durch die Frauenorganisationen der NSDAP und PNF (Partito Nazionale Fascista) erweitert und in starke Konkurrenz zu bestehenden kirchlichen und wohltätigen Organisationen gesetzt, dennoch blieben die Möglichkeiten auf  bereits in diesen Ländern den Frauen zugeschriebene Bereiche beschränkt (Wohltätigkeit, Handarbeit, Küche etc.) (vgl. de Grazia 1993). Für die Männer wurde in Italien und in Deutschland ein „neues“ Männerbild etabliert, welches sich im Verlauf der Diktaturen gegenüber anderen Vorstellungen zu lebbaren männlichen Rollen in einer Gesellschaft durchsetzte. Der „Duce“ und der „Führer“ übernahmen dabei eine zentrale Rolle. Die Propaganda überhöhte in den beiden Ländern unterschiedliche Aspekte von Mussolini und Hitler. Beide Diktatoren versuchten durch die Nutzung der Uniform ihre soldatische Prägung zu unterstreichen. Mussolini posierte zudem nicht selten mit entblößter Brust. Die beiden sollten in das faschistische bzw. nationalsozialistische Männlichkeitsbild passen (vgl. Kühberger 2006a, 285ff).  

Nähern – Mehren – Wehren: Ein neuer Mann?

Im Mittelpunkt des nationalsozialistischen und faschistischen Männerbildes stand unverkennbar der Soldat als männliches Idealbild. Es war eine konsequente Weiterentwicklung der Militarisierung des Mannes aus dem 19. Jahrhundert (Schmale 2003, 195ff). Sowohl im faschistischen Italien als auch im nationalsozialistischen Deutschland wird dafür auf den Ersten Weltkrieg verwiesen. Beide Nationen haben jedoch in ihrer Selbstsicht auf dem Schlachtfeld die soldatische „Ehre“ verloren, die im Nachlauf zum „Großen Krieg“ von der politischen Rechten wieder aufgebaut wurde. Während man in Deutschland ohnedies als Verlierer des Krieges einen Einbruch der soldatischen Männlichkeit verdauen musste, wurde gleichzeitig ein Interpretationsmodell geliefert, welches die soldatische Tugend retten sollte („Dolchstoßlegende“) und in Italien leckte man die Wunden eines „Krüppelsieges“, des sogenannten „vittoria mutilata“.

In beiden Regimes versuchten die NSDAP und die PNF vor allem in der Öffentlichkeit die Männer als starke, perfekt disziplinierte und militärisch geprägte Kompanien vorzuführen, um eine scheinbar ins Unendliche gesteigerte Männlichkeit zu vermitteln. Sie sollten vor allem bei Paraden, Aufmärschen, Veranstaltungen jeglicher Art die nationale Gemeinschaft darstellen. Vollkommene Gleichheit in den Formationen stand dabei für totalen Gehorsam und effiziente militärische Genauigkeit. Die Uniformen der (Partei-)Soldaten trugen ihr Übriges dazu bei, um die Männer als kraftvolle Wesen wahrzunehmen. Passten Organisationseinheiten nicht in dieses Bild, wurde versucht dies zu kaschieren. Albert Speer erinnert sich, dass die NSDAP etwa dickliche „Amtswalter“ auf den Parteitagen in Nürnberg deshalb nur im Dunkeln mit Fackeln einmarschieren ließ (Speer 1999, 71). Man wollte das ansonsten gefeierte NS-Ideal des starken, sportlichen und militanten Mannes nicht gefährden. 

Das faschistische bzw. nationalsozialistische Männlichkeitsbild wurde jedoch auch über die Abgrenzung zu anderen Typen von Männlichkeit, welche in der Gesellschaft natürlich vertreten waren, definiert. Während der Nationalsozialismus hier vor allem seinen Rassismus fortsetzte, also russische, jüdische, afro-amerikanische, homosexuelle Männer usw. abwertete und vor allem als unterlegen und schwach klassifizierte, in Teilen dämonisierte und enthumanisierte, kämpfte der italienische Faschismus vor allem gegen Ideale aus der Zeit des liberalen Italien und gegen christliche Wertmaßstäbe. Der christliche Mann wurde dabei als inaktiv, schwach, alt, zögerlich und bigott dargestellt, um ein derartiges Bild optimal vom faschistischen Mann abzuheben. Dieser galt nämlich im Gegenteil  als jung, aktiv, dynamisch, kraftvoll und entschieden (vgl. Reichardt 2002; Hanisch 2005; Kühberger 2006b). 

Doch wie stand es um die Frauen?

Aus einem traditionellen Rollenbild konnten sie in den Regimes nicht entlassen werden. In beiden Diktaturen galten Frauen als für die Politik unbrauchbar. Sie sollten zu Hause den Herd und die Kinder hüten. Benito Mussolini etwa hat die Rolle der Frau darin erfüllt gesehen, „schön zu sein und Freude zu erwecken“ (Sarfatti 1926, 334). In der politischen Öffentlichkeit wurden Frauen daher als dekorative Elemente angesehen. Der „Duce“ erwähnte gegenüber einem deutschen Sachbuchautor: „Musik und Frauen lockern die Menge auf und machen sie leichter“ (Ludwig 1937, 125) Mussolini verdeutlichte an anderer Stelle, dass in der Männergesellschaft des italienischen Faschismus Frauen keine Rolle spielen sollten: „Die Frau hat passiv zu sein! … Meine Idee von ihrer Rolle im Staate steht jedem Feminismus entgegen. Natürlich soll sie keine Sklavin sein, aber wenn ich ihnen das Stimmrecht gäbe, würden sie mich auslachen. In unserem Staate darf sie nichts zählen.“ (ebd., 172)

Sowohl in den Reihen der italienischen Faschisten als auch bei den Nationalsozialisten fürchtete man sich vor einer militarisierten Frau, die ihren männlichen Kameraden auf der Straße nacheifert und dort Politik macht. Frauen sollten nicht zum weiblichen Abbild der männlichen Kämpfer werden. Das Schreckbild eines „Trampels“ bzw. einer „militärisch marschierenden Frau“, welche die soldatische Männeröffentlichkeit nachahmte, wurde dadurch unterdrückt, dass man die weiblichen Organisationen nicht in soldatisch organisierte Institutionen eingliederte (Schmidt-Waldherr 1984, 29), wenngleich ihnen Uniformen zugestanden wurden.
Dort, wo die faschistische und nationalsozialistische Politik symbolische Akzente setzte um Frauen eine öffentliche Wertschätzung entgegenzubringen, wurden sie in das traditionelle Rollenbild gedrängt, wie etwa am Muttertag, oder über Männer definiert, wie etwa als Witwen im Zusammenhang mit dem Heldengedenken (vgl. Kühberger 2007, Kühberger 2002).

Als gewichtig gilt es jedoch zu erwähnen, dass Frauen in Deutschland von der ideologiebestimmenden „Erb- und Rassenpflege“ des Nationalsozialismus betroffen waren. Die Historikerin Gisela Bock stellt dazu fest: „Bis 1939 wurden rund 150.000 Frauen zwangsweise sterilisiert, darunter Hunderte von schwarzen und Roma-Frauen; ab 1939 fielen etwa 100.000 jüdische und nicht-jüdische Frauen dem Krankenmord zum Opfer. Über zwei Millionen ausländische Frauen mussten während des Krieges in Deutschland arbeiten, und Hunderttausende von ihnen, vor allem polnische und sowjetische, mussten abtreiben oder wurden sterilisiert. Seit 1933 wurden etwa 1.500.000 Jüdinnen aus Deutschland vertrieben, und seit 1941 wurden rund hunderttausend deutsche und jüdische und etwa drei Millionen nichtdeutsche Jüdinnen ermordet, außerdem mehrere hunderttausende Roma-Frauen und eine unbekannte Zahl slawischer Frauen. Einerseits traf die Rassenpolitik beide Geschlechter gleichermaßen; andererseits war sie ebenso wenig geschlechterneutral, wie die Geschlechterpolitik rassenneutral war.“ (Bock 2000)      

Geschlechterrollen im Krieg

Der Zweite Weltkrieg brachte, wie schon der Erste, die starren Geschlechterrollenbilder erneut ins Wanken. Im Krieg wurden alle arbeitenden Hände gebraucht. Durch das Nichtvorhandensein der Männer im Alltag wurden die Bewegungsräume und Handlungsmöglichkeiten der Frauen in Italien und Deutschland verflüssigt. Bei politischen Feierlichkeiten konnten nun tendenziell auch Frauen in zentralen Rollen auftreten und öffentlich wahrnehmbare Tätigkeiten wurden ebenso von Frauen verrichtet, z.B. als Briefträgerinnen. Mussolini sah dies jedoch nur als Übergangsstadium aufgrund der wirtschaftlichen Lage an. Für ihn war auch im Krieg noch der wahre Platz der Frau im Haus als Ehefrau und Mutter (Mafai 1989, 40). 

Literatur

Bock, Gisela: Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. München 2000. 

De Grazia, Victoria: Le donne nel regime fascista. Venedig 1993. 

Hanisch, Ernst: Männlichkeiten. Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts. Köln – Wien 2005. 

Kühberger, Christoph: Il gallo delle oche. Faschistische Männlichkeit. In: Mascolinità italiane. Italienische Männlichkeiten im 20. Jahrhundert. Berlin 2006b, S. 63-76. 

Kühberger, Christoph: Metaphern der Macht. Ein kultureller Vergleich der politischen Feste im faschistischen Italien und im nationalsozialistischen Deutschland. Münster – Wien 2006a. 

Kühberger, Christoph: Muttertag unterm Hakenkreuz – volkstümliches oder politisches Fest? In: Oberösterreichische Heimatblätter 56/2002/2-3, 29-48. 

Kühberger, Christoph: Von der (un)sichtbaren Frau. Zur Präsenz der Frau auf politischen Festen im faschistischen Italien. In: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte 50/2007, 46-51. 

Ludwig, Emil: Mussolinis Gespräche mit Emil Ludwig. Berlin – Wien – Leipzig 1937. 

Mafai, Miriam: Pane nero.  Mailand 19989. 

Reichhardt, Sven: Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen Squadrismus und in der deutschen SA. Köln – Wien 2002. 

Sarfatti, Margherita: Mussolini. Lebensgeschichte 1926. 

Schmale, Wolfgang: Geschichte der Männlichkeit in Europa (1450-2000). Köln – Wien 2003. 

Schmidt-Waldherr, Hiltraud: Pervertierte Emanzipation und die Organisation von weiblicher Öffentlichkeit im Nationalsozialismus. In: Frauen an die Macht. Der alltägliche Beitrag der Frau zur Politik des Patriarchats. Hg. v. B. Schäffer-Hegel. Berlin 1984, 10-35. 

Speer, Albert: Erinnerungen. Frankfurt/ Main – Berlin 1999. 

 

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