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Krieg. Ein Jugendbuch von Jane Teller

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Jane Teller: Krieg. Stell Dir vor, er wäre hier. Carl Hanser Verlag, München (2011), 64 Seiten, 6,90 €. 

Von Ingolf Seidel

Das Szenario ist erschreckend: Die Europäische Union ist zusammengebrochen, ihre Mitgliedsstaaten haben sich in Diktaturen gewandelt und führen gegeneinander Krieg. So beginnt die Erzählung der dänischstämmigen Autorin Jane Teller, die nicht nur  hierzulande mit ihrem viel diskutierten Jugendbuch „Nichts – Was im Leben wichtig ist“ bekannt wurde.

„Krieg“ basiert auf einem Perspektivwechsel: In Deutschland grassiert der Hunger, die Wirtschaft liegt darnieder, zugleich verschwinden Menschen aus politischen Gründen – sie werden von der Gleichschaltungspolizei abgeholt – während das Land unter Bombenangriffen leidet. Der Bruder des 14-jährigen Erzählers hat sich zudem gegen den Willen der Eltern einer Miliz angeschlossen. Die Mutter ist derart erkrankt, dass unsicher ist, ob sie in Europa den Winter übersteht und die Schwester liegt in Folge einer Verletzung durch einen Granatsplitter im Krankenhaus. Gleichzeitig prosperieren die Staaten des Nahen Osten, dort herrscht Frieden und Wohlstand. 

Die fünfköpfige Familie entschließt sich zur Flucht aus Deutschland nach Ägypten. Dies gelingt nur auf Umwegen und mit gefälschten Papieren; letztere sollen eine politische Aktivität des Vaters als Fluchtgrund nachweisen. Auf der Flucht bleiben nicht nur die Freunde in der Heimat zurück, sondern der soziale Status und jeglicher Rest an Sicherheit für die Familie. Denn in den Ländern des Nahen Ostens gelten Flüchtlinge aus Europa als Last und zudem als schlecht integrierbar: Sie werden als Freidenker wahrgenommen, deren Dekadenz die Rechtgläubigen verderben würde. In Ägypten landet die Familie in einem Übergangslager in dem sie die nächsten zwei Jahre bis zur Anerkennung ihres Asylantrages lebt. Während die Schwester des Erzählers nach einer gescheiterten Ehe mit einem Ägypter zurück nach Deutschland geht, bleibt der Protagonist im Exil. Obwohl es der Familie nach dem Erwerb einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gelingt, sich eine bescheidene Existenz aufzubauen, bleibt das Gefühl der Fremdheit und die abschließende Frage, ob es noch ein Zuhause gibt.

Jane Tellers Jugendbuch entstand ursprünglich in Form eines Essays in einer Lehrer/innenzeitschrift im Jahr 2001 als Reaktion auf die aufgeheizte  Flüchtlingsdebatte in Dänemark und wurde 2004 als Buch mit Illustrationen von Helle Vibeke Jensen herausgegeben. Die deutschsprachige Ausgabe wurde überarbeitet und so eine Perspektive eines Jugendlichen aus deutscher Sicht ermöglicht. Der schmale Band ist dabei vielsagend in der Gestalt eines Reisepasses gehalten. 

Der Perspektivwechsel zu dem die Autorin ihre Leserinnen und Leser einlädt kann als gelungen bezeichnet werden. Gleichzeitig erhält „Krieg“ durch die anhaltende Krise der Europäischen Union eine beinahe beängstigende Aktualität. Mag auch das konkrete Szenario als unwahrscheinlich erscheinen, so rücken doch unsichere Lebensverhältnisse, Migration und die Zerrüttung des politischen Projekts EU für Jugendliche näher. „Krieg“ ist gut dazu geeignet, sich mit Themen wie Diktatur, kulturellen Unterschieden oder auch Geschlechterverhältnissen zu befassen. Diese Auseinandersetzung wird erleichtert, da der herausgebende Hansen-Verlag ein fächerübergreifendes Unterrichtsmodell für die Klassenstufen 8 und 9 zum kostenlosen Download bereitstellt. Das Unterrichtsmodell finden Sie auf den Seiten des Verlages.

 

 

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