Zur Diskussion

Der (z)weite Blick – eine Ausstellung über Diskriminierungen in Jugendkulturen

Beitrags-Autor Profil / Kontakt

Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

Sie müssen angemeldet sein, um das Benutzerprofil zu sehen
und um den Autor kontaktieren zu können.

Hier können Sie sich registrieren.

Daniel Schneider ist Kulturwissenschaftler mit Schwerpunkt Jugend- und Subkulturen, Experte für die Technoszenen und im Archiv der Jugendkulturen als Projektleiter für die inhaltliche Ausarbeitung der Ausstellung Der (z)weite Blick verantwortlich. 
Von Daniel Schneider

Das Archiv der Jugendkulturen e.V. in Berlin bereitet zurzeit eine Wanderausstellung zum Thema Rassismus, Sexismus, Homophobie, Antisemitismus und andere Formen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ in Jugendkulturen vor. Diese Ausstellung wird leicht zugänglich über verschiedene Diskriminierungsformen in Jugendkulturen aufklären, ohne anbiedernd oder mit erhobenem Zeigefinger daherzukommen. Sie wird differenziert und kritisch, gewissermaßen mit einem zweiten Blick auf verschiedene Szenen schauen, und nicht nur die üblichen Verdächtigen wie beispielsweise Neonazi-Skinheads und andere rechtsextreme Szenen behandeln. Die Ausstellung wird ein weites Feld an verschiedenen Jugendkulturen und Diskriminierungsformen abdecken, auch Beispiele aus dem Mainstream-Pop kommen vor.

Als erste wichtige Themenbereiche werden rechtsextreme Musik (Rechtsrock bzw. NPD-Schulhof-CD, NS-Black Metal, NS-Hardcore) und die offen rechtsextremen Szenen (Neonazi-Skinheads, Autonome Nationalisten) behandelt. An diesen Szenen kommt man bei dem Thema der Ausstellung nicht vorbei, denn die Problematik des Rechtsextremismus unter Jugendlichen ist weiterhin ein aktuelles und wichtiges Thema. Dabei wird es neben offensichtlich rassistischen, antidemokratischen und menschenverachtenden Aussagen sowie Handlungen aus diesen Szenen auch um die Versuche gehen, in anderen Szenen (wie beispielsweise der Hardcore-Szene) an Einfluss zu gewinnen und das rechtsextreme Gedankengut dort zu verbreiten. Daran anschließend wird der Bereich der sogenannten Grauzone behandelt, d.h. sich als unpolitisch verstehende Jugendkulturen (bzw. Teile von Jugendkulturen), die bei genauerer Betrachtung aber offen für rechtsextremes Gedankengut sein können.

Weitere Tafeln werden sich mit Antisemitismus und Rassismus bzw. Exotismus beschäftigen. In Bezug auf Antisemitismus wird es vor allem um den offensichtlichen Antisemitismus und aktuellen Antizionismus, z.B. im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Israel und Palästina, gehen. Hier werden neben der rechtsextremen Szene auch Texte aus der Hip Hop-Szene als Beispiele vorkommen. Rassismus außerhalb der rechtsextremen Szenen wird vor allem anhand von Stereotypen behandelt, hier werden auch Themen wie „Black Music“, „World Music“ und Antiziganismus dargestellt. Es soll dabei nicht nur um die offene Herabsetzung und Diskriminierung von als „anders“ und „fremd“ angesehene Menschen gehen, sondern auch zum kritischen Nachdenken über in der Popmusik und Popkultur weit verbreitete Bilder und Begriffe angeregt werden.

Der andere zentrale Themenbereich der Ausstellung wird Sexismus sein, der in vielen Jugendkulturen zumindest strukturell vorhanden ist, aber auch auf sehr offensichtliche Weise vorkommt. Von frauenverachtenden Aussagen und Handlungen über eventuell unüberlegt herabsetzende Darstellungen von Frauen bis zur Frage, warum viele Szenen von aktiven Jungen und jungen Männern dominiert werden wird hier ein breites Feld abgedeckt. Beispiele werden u.a. die sexistische Darstellung von Frauen in manchen Hip Hop-Videos und –Texten sein. Ein anderes Thema ist die Frage, warum Mädchen in vielen Jugendkulturen oft nur am Rande vorkommen – im wahrsten Sinne des Wortes z.B. in der Skater/innen-Szene oder auch im Indierock. Auch die Frage nach der weit verbreiteten Ablehnung von Emos gehört an dieser Stelle dazu, da hier der Umgang mit Männerrollen in Jugendkulturen thematisiert wird – Emos verweigern sich oftmals den Erwartungen, die bis heute in unserer Gesellschaft an Jungen und Männer gerichtet sind und kleiden sich beispielsweise betont androgyn. Dabei geht es auch um Homophobie, die wir außerdem an Beispielen aus der Ultra- und Fußballfanszene sowie der Dancehallszene behandeln.

Neben den vorhandenen Problemen und Diskriminierungen werden aber auch positive Aspekte nicht zu kurz kommen. Es soll vermieden werden, einzelne Jugendkulturen pauschalisierend zu betrachten und anzuprangern, die Ausstellung hat den Anspruch ein ausgewogenes Bild von Jugend zu vermitteln. Es geht einerseits darum, Beispiele aus Jugendkulturen zu präsentieren, die entweder als Statement gegen Rassismus, Sexismus, etc. funktionieren oder zumindest einen kritischen oder diskursiven Umgang mit solchen Aspekten darstellen. Andererseits stellen wir Initiativen vor, die aus Jugendkulturen oder –szenen kommend sich gegen die verschiedenen Diskriminierungsformen engagieren. Hier ist es uns wichtig, dass es sich um Initiativen von unten, also von jugendlichen und jungen Szenemitgliedern selbst handelt, und nicht um solche, die von staatlicher Seite oder größeren Institutionen kommen. Wir erhoffen uns dadurch, dass die Ausstellung ihre Besucher/innen anregt, selbst etwas zu unternehmen und eigene Initiativen ins Leben zu rufen oder sich mit bestehenden Initiativen zu vernetzen.

Das von der Aktion Mensch geförderte Projekt soll sich an Jugendliche ab 14 Jahren richten und in Schulen, Jugendzentren, öffentlichen Bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen gezeigt werden. Geplant ist, dass die Ausstellung ab ca. August 2012 ausleihbar ist, die genauen Ausleihbedingungen können ab Juli erfragt werden. Kontakt: archiv [at] jugendkulturen [dot] de oder 030/694 29 34.

 

Kommentar hinzufügen

CAPTCHA
Diese Frage dient der Spam-Vermeidung.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image.