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Die Entstehung von West- und Ost-Berlin

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Dr. Daniel Schwane ist im Staatsarchiv des Schweizer Kantons Aargau beschäftigt.
Von Daniel Schwane

Die Teilung Berlins und die Entstehung beider Stadthälften nahmen im Zweiten Weltkrieg ihren Anfang. Völkerrechtliche und politische Planungen der Siegermächte USA, UdSSR, Großbritannien und später auch Frankreich begannen für das Nachkriegsberlin mit der Moskauer Außenministerkonferenz von 1943, mit dem Londoner Zonenprotokoll vom November 1944 und mit der Konferenz von Jalta im Februar 1945. Diese Treffen waren für die künftige Entwicklung der damals noch als „Groß-Berlin“ bezeichneten Stadt grundlegend. Hier wurden die Einrichtung und Verwaltung von Besatzungszonen in Deutschland, die Aufteilung der deutschen Hauptstadt in drei westliche und einen östlichen Sektor sowie die Schaffung eines Alliierten Kontrollrats für Deutschland und einer Alliierten Kommandantur für Berlin beschlossen.

Gründe für entstehende Widersprüche bei der Verwaltung der ehemaligem Reichshauptstadt sind zum einen in der noch unklaren deutschlandpolitischen Konzeption der Vier Mächte zu suchen, die sich weder auf eine bestimmte gesellschaftliche und politische Perspektive Deutschlands und Berlins festlegten, noch entschieden, ob sie als Einheit weiter bestünden oder staatlich geteilt würden. Zum anderen schien der als „Kalter Krieg“ bezeichnete Konflikt zwischen den Siegermächten aufgrund der politischen Gegensätze unvermeidlich. Der Westen war am Modell der repräsentativen Demokratie und dem freiem Austausch von Personen, Ideen und Gütern interessiert. Dagegen verfolgte der Osten die Umsetzung einer Ordnung, die auf äußerer und innerer Abgrenzung zum „imperialistischen“ Westen sowie der Durchsetzung des Herrschaftsmonopols einer kommunistischen Partei basierte. Neben diesen ideologischen Widersprüchen zwischen West und Ost spitzten sich in und um Berlin wirtschaftliche, vor allem aber machtpolitische Interessengegensätze zu. Das jahrelange Grundmuster dieser Auseinandersetzung war das Festhalten der westlichen Alliierten an ihren Rechten in Berlin sowie der Versuch der Sowjetunion und ihrer Verbündeten diesen Anspruch zu unterminieren.

Der erste Meilenstein dieses Konflikts war am 20. März 1948 der Austritt des Vertreters der UdSSR aus der Alliierten Kommandantur. Hierdurch wurde eine gemeinsame Verwaltung der Stadt unmöglich und die Tendenz des Auseinanderdriftens der westlichen und östlichen Sektoren sichtbar. Weitere Zäsuren dieser Entwicklung waren die Währungsreform im Juni 1948 durch die Einführung der Deutschen Mark in den drei westlichen Sektoren sowie der eng damit zusammenhängende Versuch des Ostens, diesen Vorgang durch eine im Juni 1948 bis zum Mai 1949 dauernde Blockade der Westsektoren, die eigentlich der Verhinderung eines westdeutschen Separatstaates galt, zu verhindern. Im Herbst 1948 wurde Berlin administrativ geteilt. In die Folgezeit fallen zunehmende Kontrollen sowie Einschränkungen von Verkehr und Kommunikation zwischen den Stadthälften: Telefonverbindungen wurden gekappt, Straßenbahnlinien unterbrochen, die Kontrollen von U- und S-Bahnen in Richtung Westsektoren verstärkt sowie seitens der östlichen Organe ab 1948 die gemeinsame Energie- und Wasserversorgung aufgehoben. Die politische und infrastrukturelle Auseinanderentwicklung des bisher einheitlichen Stadtorganismus gewann damit weiter an Tempo und es bildeten sich allmählich zwei Teilstädte heraus.

Abgesehen vom Volksaufstand des 17. Juni 1953 in der DDR waren im Berliner Raum die folgenden Jahre weniger von größeren politischen Krisen geprägt als vielmehr durch eine eher fragile Normalisierung. Der aus freien Wahlen entstandene West-Berliner Senat war seit 1949 bemüht, die Verbindungen ihres zunehmend vom Umland isolierten Stadtteils mit der Bundesrepublik voranzutreiben. Die Bonner Regierung und die westlichen Alliierten unterstützten eine Integration als Bundesland de jure nicht, de facto wurde die Teilstadt jedoch als ein solches behandelt.

Demgegenüber hielt man sich östlicherseits zunächst an das alliierte Abkommen, dass Ost-Berlin nicht Teil der 1949 gegründeten DDR sein sollte. Praktisch wurde es durch die herrschende SED aber als „Hauptstadt der DDR“ wirtschaftlich, politisch und kulturell in diese eingegliedert.

Eine schnelle Wiedervereinigung Deutschlands wurde nach der Gründung beider deutscher Staaten nicht mehr erwartet. Unterschiedlich lang und trotz abnehmender politischer Möglichkeiten hielten westliche Politiker − formal aber auch die SED − am Anspruch Berlins als Hauptstadt eines künftig vereinten Deutschlands sowie der Senat und die Berliner Bevölkerung auch am Fortbestehen des soziokulturellen Gesamtberliner Verflechtungsraumes fest. Es gibt zudem Belege dafür, dass es bis in die 1960er Jahre vor allem im Westen Bemühungen besonders in Politik, Wirtschaft und Kultur gab, die konfrontative Situation wenigstens zu entkrampfen und so einer möglichen politischen Eskalation in Berlin vorzubeugen.

In den Augen der SED bedeutete der westliche Teil Berlins jedoch eine Bedrohung der kommunistischen Herrschaft nicht nur für Ost-Berlin, sondern für die gesamte DDR. Ein großes Problem stellte die Flüchtlingsbewegung dar: Allein 1953 flohen aus der DDR und Ost-Berlin vor allem aufgrund politischer und wirtschaftlicher Unzufriedenheit sowie aus familiären Gründen über 300 000 Personen in Richtung West-Berlin, was die ökonomische Entwicklung Ost-Berlins auch in den Folgejahren beeinträchtigte. Gleichzeitig wurde die westliche Halbstadt zum wichtigsten Zentrum nachrichtendienstlichen Wirkens in Europa. Einem Teil dieser Organisationen ging es jedoch nicht nur um das Sammeln von Informationen. Die Palette ihrer Tätigkeiten reichte von Propaganda über psychologische Kriegsführung und Sabotageaktivitäten bis hin zu Sprengstoffanschlägen. Das kommunistische Regime zahlte in gleicher Münze zurück: Mit der zunehmenden Überwachung in der DDR und der Infiltration West-Berlins durch die SED und ihre Organe nahm die Wirksamkeit dieser verdeckt arbeitenden Gruppierungen ab. Später schien auch den westlichen Alliierten der harte Antikommunismus der frühen 1950er Jahre vor dem Hintergrund von Verhandlungen mit der UdSSR weniger genehm. Dennoch zeigten diese Aktivitäten, wie stark die ideologische Gegnerschaft als Ausdruck der Systemkonkurrenz zwischen beiden Stadtteilen bis zum Mauerbau war.

Obwohl sich aufgrund einer hohen Arbeitslosigkeit die wirtschaftliche Lage West-Berlins nur allmählich besserte, entwickelte sich die oft als „Insel der Freiheit“ apostrophierte Halbstadt zu einem Schaufenster des Westens. Sie übte diese Funktion vor allem durch vielfältige Waren- und Kulturangebote als auch später durch zunehmende lukrative Erwerbsmöglichkeiten aus. Aber auch Ost-Berlin zog viele West-Berliner an, die östlich gelegene Ausflugsgebiete aufsuchten, im Ostsektor Lebensmittel einkauften, dort günstige Dienstleistungen in Anspruch nahmen oder hier die Theater besuchten. Ost-Berlin vermochte sich – wenn auch auf einembescheidenem Niveau – zeitweilig wirtschaftlich zu stabilisieren.

Dieses alltägliche Zusammenleben schuf eine große Zahl von Verbindungen zwischen den Berlinern und es spricht einiges dafür, dass in dieser Zeit trotz trennender politischer Systeme viele von ihnen Berlin als einen noch zusammengehörigen städtischen Raum wahrnahmen. Dies sollte sich allmählich durch die seit November 1958 andauernde Berlinkrise ändern, die aufgrund der Forderung des sowjetischen Regierungschefs Chruschtschow nach dem Abzug der Westmächte aus Berlin ausgelöst worden war. Erst der Bau der Berliner Mauer 1961, der vor allem durch die anhaltende Abwanderung der Bevölkerung aus der DDR motiviert wurde, veränderte das oft aufeinander bezogene Leben der Berliner im Verflechtungsraum grundlegend.

 

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