Historisch-politische Bildung bei der deutsch-polnischen Jugendbegegnung Fair Life
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Von Johanna Adrian
Seit 2005 organisiert die Kreisau-Initiative e.V. deutsch-polnische Jugendbegegnungen für behinderte Jugendliche und integriert somit junge Menschen in den internationalen Austausch, die sonst davon ausgeschlossen sind. Die Jugendbegegnung Fair Life ist das älteste Projekt des Arbeitsbereiches „Inklusionspädagogik“ und findet seit bereits sechs Jahren mit unterschiedlichen Partnern in der Jugendbegegnungsstätte der Stiftung „Kreisau“ in Polen statt.
Fair Life ist eine deutsch-polnische Jugendbegegnung für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf. Sport ist konstitutiver Bestandteil eines jeden Fair Life. Mit Hilfe sportlicher Aktivitäten wird der abstrakt diskutierte Fairnessbegriff in konkrete Alltagspraxis übertragen. Im Rahmen inhaltlicher Workshops diskutieren die Jugendlichen Regeln in der Gesellschaft. Dabei bieten die Sportregeln eine Orientierungshilfe. Es geht um die Frage, wo und wie außerhalb des sportlichen Bereichs Fairness „gelebt" werden kann. Ausgehend von der alltäglichen Lebenswelt der Jugendlichen bietet dieser Ansatz auch die Möglichkeit, historisch-politische Fragestellungen zu thematisieren. Welche gesellschaftlichen Regeln galten im Nationalsozialismus? Und waren die fair?
Die Zielgruppe
Die deutschen Teilnehmer/innen des Fair Lifes besuchen primär Förderschulen, während die polnischen Jugendlichen aus so genannten Erziehungs- und Resozialisierungszentren (Ośrodek Wychowawczy/ Ośrodek Socjoterapii) kommen. Für uns ist es wichtig, besonderen Förderbedarf nicht als die persönliche Beeinträchtigung eines Individuums wahrzunehmen, sondern als Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren. Hierbei spielen vor allem die sozialen und strukturellen Hintergründe der Jugendlichen eine Rolle. Viele von ihnen kommen aus schwierigen Familienverhältnissen oder strukturschwachen Regionen. Manche von ihnen leben in Kinderheimen und haben in ihrem jungen Leben bereits mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hinter sich, nehmen regelmäßig Medikamente oder haben eine Vorstrafenliste bei der Polizei. Auch das Jugendamt oder der Nadzór kuratora (Pflegeaufsicht) ist den meisten ein ständiger Begleiter.
Der Begegnungsort
Das heute polnische und bis 1945 deutsche Dorf Krzyżowa/Kreisau ist heute Gedenk- und Begegnungsstätte und ermöglicht somit historisch-politische Bildung am authentischen Ort. Im Nationalsozialismus traf sich dort die Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis. Kurz nach dem Mauerfall fand auf dem ehemaligen Gut der Familie von Moltke die deutsch-polnische Versöhnungsmesse statt. Überall auf dem Gelände sind Spuren der bewegten Vergangenheit des Ortes zu finden und Geschichte wird für die Jugendlichen vor Ort erfahrbar.
Die Methodik
Als freier Träger der non-formalen Bildungsarbeit kann und will die Kreisau-Initiative Schulen und reguläre Bildungseinrichtungen nicht ersetzen, vielmehr geht es uns um eine Ergänzung. In Kreisau werden „Inhalte“ vermittelt, die nicht Bestandteil schulischen Lernens sind bzw. die in Kreisau mit anderen Methoden und Mitteln neu umgesetzt werden können. Der Kreisauer Ansatz und die daraus resultierenden Methoden orientieren sich an fünf pädagogischen Grundsätzen: Erfahrungsanlässe schaffen, Lernanlässe schaffen, Orientierung am Individuum, Erziehung zur Eigenverantwortung sowie Spaß und Freude vermitteln.
Praxis
Ein Methodenbeispiel aus der Begegnungspraxis ist der Workshop „Nationalsozialismus und Kreisauer Kreis“. Die Jugendlichen lernen durch Bilder die Grausamkeit/ Ungerechtigkeit des NS verstehen. In einem zweiten Schritt lernen sie dann einzelne Kreisauer Widerstandskämpfer und deren unterschiedliche Positionen kennen. Der Workshop ist einerseits eine erste Einführung in die Thematiken Nationalsozialismus und Widerstand berührt aber auch lebenspraktische Aspekte wie Teamarbeit und Zivilcourage und fördert ideologiekritisches Denken.
Der Workshop dauert 2,5 h und findet meistens am dritten Tag der Begegnung statt. Neben Stiften, Markern und Kleber werden für den Workshop Bilder benötigt, die sehr anschaulich den NS verdeutlichen (Diskriminierung, Verfolgung, Krieg…) und ihre Gegenbilder von heute (Vielfalt, Freiheit, Frieden…), einfache Texte zu 4 Mitgliedern des Kreisauer Kreises (Moltke, Poelchau, Leber, Delp) auf Deutsch und Polnisch und laminierte Fotos der bearbeiteten Personen (jeweils x 4).
Einen ergänzenden Ablaufplan zum Workshop „Nationalsozialismus und Kreisauer Kreis“ finden Sie unter Download.
Kontakt
Daniel Wunderer
Geschäftsführer der Kreisau-Initiative Berlin
wunderer [at] kreisau [dot] de
Tel.: 030 / 53 83 63 63
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- 7 Dez 2011 - 16:37