Liebe Leserinnen und Leser,
die Ihnen vorliegende Ausgabe unseres LaG-Magazins greift den Themenkomplex von Zwangsmigration im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg auf.
Im öffentlichen Diskurs der letzten Jahre war zunehmend die Rede von der Vertreibung der Deutschen. Dieses Ereignis war allerdings erst die Folge der Entrechtungen, Vertreibungen, Ermordungen bis hin zur Vernichtung von Juden und anderen Bevölkerungsgruppen auf dem Gebiet des damaligen Deutschen Reiches und später in den von Deutschen eroberten Gebieten – vor allem in Mittel – und Osteuropa. Die deutschen Minderheiten in den besetzten Staaten waren nicht selten nur allzu willige Täter/innen oder wenigsten duldende Zuschauer/innen bei der Durchsetzung der nationalsozialistischen Rassen- und Ausbeutungspolitik. Ohne diesen Tatzusammenhang sind die späteren Ereignisse, die Vertreibung der verbliebenen deutschen Minderheiten im Verlaufe der letzten Kriegsmonate und danach kaum denkbar. Daher können die Erinnerungen an Zwangsmigration und Vertreibung nur schwerlich in einen gesamteuropäischen Erinnerungskanon aufgehen. Eine didaktische Maßgabe wäre die historische Einordnung des verkürzend als „Vertreibung“ benannten Geschehens. Einige ausschnitthafte Anregungen will Ihnen hierfür die aktuelle Magazinausgabe geben.
Samuel Salzborn, Politikwissenschaftler und Autor verschiedener Bücher zur vorliegenden Thematik, diskutiert in seinem übergreifenden Beitrag die erinnerungspolitischen Dimensionen einer generalisierenden Verwendung des Begriffes Zwangsmigration und benennt die Gefahren von Täter-Opfer-Umkehrungen im Diskurs.Die deutsch-tschechische Historikerin Eva Hahn setzt den Beginn der Zwangsmigration von Deutschen früh an, nämlich mit den Umsiedlungsplänen für die deutschen Minderheiten durch die Nationalsozialisten selbst. Jerzy Kochanowski, Professor für Geschichte an der Universität Warschau, untersucht die Bedeutung der Zwangsmigration von Deutschen für das kollektive Gedächtnis in Polen und beschreibt den Umgang mit diesem Aspekt der Vergangenheit bis in die heutige Zeit. Dem Umgang der Medien mit der Vertreibungsthematik und den daran anschließenden neuen deutschen Opfererzählungen widmet sich Maren Röger vom Deutschen Historischen Institut in Warschau. Unser Dank gehört den externen Autorinnen und Autoren für die Mitarbeit an dieser Ausgabe.
Die nächste Ausgabe des LaG-Magazins erscheint am 8. September. Sie wird sich mit "Zwangsarbeit im Nationalsozialismus" beschäftigen.
Die Redaktion