Interview mit Katharina Stengel, freie Mitarbeiterin des Fritz Bauer Instituts und Doktorandin der Fritz Thyssen Stiftung.
Von Dorothee Ahlers und Ingolf Seidel
Das Interview entstand im Rahmen des Seminars „Quellen aus NS-Prozessen“ der Seminarreihe „Bildungsarbeit mit Zeugnissen“ der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Schwerpunkt des Seminars in Berlin im Mai 2011 bildeten die methodischen Zugänge zur justiziellen Aufarbeitung der NS-Verbrechen in der Nachkriegszeit, insbesondere zur Rolle der Zeugen, und zur langfristigen Wirkung der Prozesse.
Bemühungen von Überlebenden (Länge 3:29)
Bereits in der frühen Nachkriegszeit gab es Bemühungen von seiten der Überlebenden erstens, die NS-Massenverbrechen zu dokumentieren und zweitens die Strafverfolgung der Täter voran zu treiben. Beispielhaft stehen Wiesenthals frühe Aktivitäten in Linz und seine Beteiligung an der Suche nach Adolf Eichmann. Ihre Rolle als Opferzeugen erlebten die ehemals Verfolgten jedoch auch schon in den in den alliierten Prozessen der direkten Nachkriegszeit oftmals als unbefriedigend.
Überlebende in der Gesellschaft ( Länge 3:13)
Überlebende hatten häufig auf Grund der präzedenzlosen Erfahrung die Vorstellung, dass nach dem Krieg eine neue Gesellschaft entstehen wird, in der sie eine besondere Rolle spielen werden. Eine derartige Anerkennung blieb jedoch meist aus, da dies in den Nachfolgestaaten Nazi-Deutschlands eine Auseinandersetzung mit der Geschichte notwendig gemacht hätte. Viel mehr war Realität, dass Opfer und Widerstandskämpfer in den späten 1940er und frühen 1950er Jahren ihre Geschichte nicht erzählen konnten.
Stellung von Opferzeugen in verschiedenen Ländern (Länge 2:02)
In Polen wurden sehr früh NS-Prozesse geführt, beispielsweise gegen SS-Angehörige aus Auschwitz. Hier hatten die Opferzeugen, vor allem wenn sie kommunistische Widerstandskämpfer waren, gesellschaftlich einen hohen Stellenwert, der bürgerlicher Widerstand dagegen wurde in der Volksrepublik nicht anerkannt. In Westeuropa hatten ebenfalls Widerstandskämpfer als Helden und Märtyrer eine starke gesellschaftliche Position, Juden und Zwangsarbeiter wurden dagegen beinahe ausschließlich als Opfer angesehen.
Arbeit des Interantionalen Auschwitz Komitees (IAK) (Länge 5:58)
Das Auschwitz Komitee bemühte sich früh darum, Materialien wie Namenslisten von Ermordeten zu sammeln und Behörden dazu zu bewegen, Verfahren anzustrengen. In ihrer Arbeit nahm das IAK Komitee zur Zeit des Kalten Kriegs außerdem eine Brückenfunktion zwischen Ost und West ein.
Besonderheiten des Frankfurter Auschwitz-Prozesses im Hinblick auf die Zeugen (Länge 2:36)
Der Frankfurter Auschwitz-Prozess machte den Zeugen deutlich, dass sich erstmals ein Interesse an ihrer Geschichte in der Gesellschaft entwickelte. Die Biographie Hermann Langbeins zeigt, dass er wie viele andere hier zum ersten Mal die Möglichkeit erhielt, als Verfolgter zu sprechen und nicht mehr nur im Namen einer Organisation bzw. Partei aufzutreten.
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