Ort/Bundesland: Olsztyn |
Joanna Turkiewicz Stowarzyszenie Wspólnota Kulturowa "Borussia" (Der Verein Kulturgemeinschaft „Borussia“) Ul. Kopernika 45 10-513 Olsztyn Tel.: 0048 (89) 534 00 26 Fax: 0048 (89) 534 00 26 Mail: asiaturkiewicz [at] wp [dot] pl |
Die Projektkonzeption sah vor, das verwilderte Grundstück des Mendelsohnhauses und den ehemaligen jüdischen Friedhof in der Zynadrama-z-Maszkowic Straße zu nutzen, um eine Debatte über die Geschichte der Stadt und das Gedenken an die dort einst lebenden Juden anzuregen. Ein Element des Projektes war deshalb ein Kunstwettbewerb, in dessen Rahmen Jugendliche ihre Vorstellungen von dem Friedhof in der Vergangenheit und Zukunft plastisch darstellten. Der Wettbewerb wurde Anfang Mai 2006 durch eine Kunstlehrerin der Mittelschule Nr. 5 in Olsztyn (pl. gimnazjum, 7.-9. Klasse) ausgeschrieben.
Im Zuge des Wettbewerbs lernten die Schüler die Geschichte der jüdischen Diaspora in ihrer Stadt kennen. Der Spaziergang „Auf den Spuren der Allensteiner Juden“ enthüllte den Schülern, welche Orte in ihrer Stadt mit der jüdischen Kultur in Verbindung gestanden hatten. In den darauf folgenden Wochen trafen sich die Jugendlichen mit Zeitzeugen und Historikern, die für sie ein Bild des multikulturellen Allensteins der Vorkriegszeit rekonstruierten.
Jeder Projektteilnehmer wurde zudem aufgefordert, ein Interview mit Familienangehörigen, einem älteren Bekannten oder anderen Einwohnern von Olsztyn, die sich an die Vorkriegszeit noch erinnern, zu führen. Das auf dieser Weise zusammengetragene Material sollte dazu beitragen, ein Bild der Stadt, wie sie vor der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und dem Holocaust war, zu schaffen.
Am Ende des Schuljahres wurde der Wettbewerb feierlich abgeschlossen und die Preise vergeben. Während des Projektes war eine fotografische Dokumentation angefertigt worden. Die Wettbewerbsbeiträge der Schüler wurden den Bewohnern der Grunwaldsiedlung in Olsztyn präsentiert, die sich in der Nähe des ehemaligen Friedhofs und des Mendelsonhauses befindet.
Das Projekt war eine der Aktionen zur Widerbelebung des einstigen jüdischen Friedhofs und des Begräbnishauses. Das von der Kulturgemeinschaft „Borussia“ gepachtete Gelände soll ein Kulturzentrum, ein Ort des Dialogs für kreative Kreise und eine Einrichtung zum Gedenken an die multikulturelle Vergangenheit Olsztyns werden. Das Zentrum soll zudem eine Bibliothek, ein Archiv sowie eine Dauerausstellung über Mendelsohn beherbergen.
Das Mendelsohnhaus und der angrenzende zerstörte jüdische Friedhof sind wichtige Orte der Erinnerung an die nicht mehr existierende jüdische Gemeinschaft von Allenstein. Das einzigartige Begräbnishaus der jüdischen Gemeinde wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Plänen von Erich Mendelsohn, einem Architekten aus dem jüdischen Milieu Allensteins, gebaut.
Der Friedhof, der nach jüdischem Glauben bis zum Tag der Jüngsten Gerichts unantastbar ist, gleichgültig in welchem Zustand er sich befindet, entstand einhundert Jahre früher. Er wurde offiziell in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts auf Anweisung der Behörden beseitigt. Seit damals wurde er wie ein gewöhnlicher Park behandelt. Das Mendelsohnhaus steht bis heute. Bis Ende der 90er Jahre befand sich in ihm eine Niederlassung des Staatsarchivs. Die jüdische Gemeinde von Allenstein wurde 1942 „liquidiert“, als die Nationalsozialisten an einem bis heute unbekannten Ort alle Allensteiner Juden ermordeten.
Ziel des Projektes war es, den Schülern den multikulturellen Charakter von Allenstein, wie es in der Vorkriegszeit war, näher zu bringen. Durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit des Mendelsohnhauses und des jüdischen Friedhofs erwarben die Teilnehmer unentbehrliches Wissen über die Geschichte der lokalen jüdischen Gemeinde, jüdische Bräuche und den Holocaust.
Wir hoffen, dass die Erfahrungen und das Wissen, das die Jugendlichen dank der Vorträge und Zeitzeugengespräche gesammelt haben, dazu beitragen konnten, ihnen Toleranz und Achtung gegenüber anderen Kulturen zu vermitteln. Für die jungen Projektteilnehmer mag die Entdeckung der jüdischen Kultur als Bestandteil Geschichte der eigenen Stadt neu und überraschend gewesen sein. Letztendlich ermöglicht sie jedoch erst die vollständige Identifikation mit der eigenen Heimat.
Über die Erzählungen ihrer Familienmitglieder kamen die Schüler direkt mit Geschichte in Berührung. Wir sind uns sicher, dass dies für die Jugendlichen eine wichtige Lektion war, die sie Achtung vor älteren Menschen lehrt.
Übersetzung: Thekla Lange