Ort/Bundesland: Berlin |
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Lore Kleiber Am Großen Wannsee 56-58 D-14109 Berlin Tel.: +49 (0) 30 80 50 01 36 Fax: +49 (0) 30 80 50 01 27 Mail: education [at] ghwk [dot] de |
In der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz ist die Entwicklung von berufsspezifischen Seminaren für Auszubildende und Berufstätige im öffentlichen Dienstes und in der Privatwirtschaft ein Schwerpunkt der Bildungsarbeit. Für die Berufsgruppe der Bibliothekare und Bibliothekarinnen an öffentlichen Bibliotheken fanden bereits Seminare zur Literaturpolitik im Dritten Reich statt. Auf dieser Grundlage wurde das vorliegende Projekt mit Auszubildenden im kommerziellen Buchhandel angeboten. Die Gruppe wurde auf den experimentellen Charakter dieses Studientages aufmerksam gemacht, da dies der erste Versuch war, einen berufsspezifischen Ansatz für die Branche des Buchhandels zu konzipieren.
In der Einführung wurde diese Zugangsweise zu einem historischen Kontext als eine Methode erklärt, die im Haus der Wannsee-Konferenz für unterschiedliche Berufsgruppen entwickelt wurde. Dies ließ sich verbinden mit Erläuterungen zur Geschichte des Hauses, in dem das Seminar stattfand (siehe pdf-Dokumente). Im Zentrum unserer Arbeit stand die Frage nach den Mechanismen der gesellschaftlichen Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen sowie nach der Art und Weise, wie die Zustimmung zu einem solchen Vorgehen erreicht wurde. Daraus resultierten gemeinsame Überlegungen, wer Täter oder Mittäter werden konnte bzw. sich durch seinen Beruf ideologisch einbinden ließ. Es überraschte nicht, daß die eigene Berufsgruppe - in diesem Fall die Buchhändler - zunächst nicht unmittelbar als Mitträger der NS-Politik begriffen wurde. Dennoch entstand durch diese Einführung und die Verknüpfung mit dem historischen Ort und den politischen Folgen bis zur Endlösung eine gewisse Spannung und ein gesteigertes Interesse daran, wie ergiebig die Fokussierung auf das eigene Berufsfeld sein würde.
An dem Studientag nahmen 18 Auszubildende im dritten Lehrjahr für den Beruf des Buchhändlers teil. Sie absolvierten ihre Lehre in unterschiedlichen Fachbuchhandlungen, z.T. in namhaften, großen Geschäften, Kettenläden, aber auch kleinen Buchhandlungen in U-Bahnhöfen. Dreiviertel der Auszubildenden hatten als Schulabschluss das Abitur. Die Klasse besaß gute fachspezifische Kenntnisse durch die ausführlich im Unterricht behandelten Themen "Bücherverbrennung" und "Exilliteratur". Etwa ein Drittel der Schüler kannte bereits das Haus der Wannsee-Konferenz. Die Hälfte der Gruppe ist in der DDR aufgewachsen und dort zur Schule gegangen. Bei allen Schülern bestand ein ausgeprägtes persönliches Interesse an Literatur und am Umgang mit Büchern, was sich auch in einem sehr differenzierten Sprachvermögen der Teilnehmer/innen bei der späteren Plenumsdiskussion niederschlug. Ein Teil der Schüler plante, nach Abschluss der Lehre ein Studium aufzunehmen.
Als atmosphärische Einführung wurde der Film "Deutsche Literatur im Exil" (Regie: A. Fuhrmann, BRD 1985, 30 Min.) benutzt, der mit vielen Zeitzeugenberichten die Situation deutscher Verlage im Exil - speziell in Amsterdam - beschreibt und u.a. den Akzent auf die Probleme der Wirtschaftlichkeit, der Auflagenhöhe und der Vermarktung für die dort entstandene, von den Nazis unterdrückte Literatur legt. Ein zentrales Problem für die Exilverleger bestand darin, die deutschsprachige Literatur wieder zu ihren potentiellen Lesern zu bringen, d.h. sie auf Umwegen nach Deutschland zu schmuggeln bzw. sie in anderen europäischen Ländern zu verkaufen.
1. Nach einer Vorstellungsrunde und der Klärung der Erwartungen wird in der Einführung die Geschichte des Hauses der Wannsee-Konferenz und dessen Entwicklung zu einer Bildungs- und Gedenkstätte erläutert. Beim Besuch der Ausstellung mit ausgewählten Schwerpunkten werden die konkreten historischen Fakten zur Wannsee-Konferenz sowie zur Tätercharakteristik und den Folgen der Konferenz für den Völkermord an den europäischen Juden skizziert.
2. Der ausgewählte Film und die anschließende Diskussion bieten die Chance, die politische Situation in Deutschland nach 1933 und deren Auswirkung auf verlegerische Initiativen, die nicht mehr systemkonform waren, ebenso wie die Schwierigkeiten des Emigrantenstatus und die Vermarktung von Literatur aus dem Exil zu diskutieren.
3. Die Angebote der verschiedenen AG-Themen werden einschließlich der Möglichkeiten der Vertiefung ausführlich erklärt. Die Materialien werden ohne Arbeitsfragen mit dem Ziel ausgegeben, entdeckendes Lernen und die Entwicklung eigenständiger Fragestellungen zu fördern. Auswahl und Zusammenstellung der Texte und Dokumente berücksichtigten den Perspektivenwechsel von Tätern und Opfern. (siehe pdf-Dokumente)
Im anschließenden Plenum, das nach einer zu verabredenden Zeit (ca. zwei Stunden) stattfindet, werden mosaikartig alle Einzelbeiträge zu einem Überblick über die Situation des Buchhandels und der in dieser Branche Beschäftigten zusammengetragen und kritisch ausgewertet. Wo es sich anbietet, werden die Erfahrungen mit staatlicher Zensur in der DDR einbezogen. Die Teilnehmer entscheiden selbst über die Form der Präsentation ihrer Arbeitsergebnisse. Sie werden ermutigt, Hilfsmittel und Materialien für eine kreative Gestaltung der Präsentation ihrer Arbeitsergebnisse einzubeziehen, z.B. durch großformatige Papierbögen, Collagen oder selbstgestaltete Overhead-Folien. Das im Archiv der Gedenkstätte vorhandene vielfältige Material, wie etwa die Fachzeitschriften
erlauben eine Konfrontation der Seminarteilnehmer/innen mit unbekannten Quellen, die die Neugierde wecken und einen direkten Bezug zum eigenen Berufsfeld unter den Bedingungen der NS-Diktatur herstellen. Als Basisinformation erhalten alle Seminarteilnehmer/innen:
(siehe pdf-Dokumente) Das Arbeiten in Kleingruppen erfordert aufmerksame Betreuung durch die Seminarleitung, damit Rückfragen schnell geklärt werden können und auf lexikalische Hilfsmittel sowie Unterstützung der Bibliothek verwiesen werden kann.
Themen der Arbeitsgruppen: