In absehbarer Zeit wird es keine Überlebenden des Holocaust mehr geben. Von daher ist die Archivierung, Erschließung und publikumsgerechte Präsentation von Video-Zeugnissen eine der vordringlichsten Aufgaben für Historiker/innen, Pädagog/innen und Ausstellungsmacher/innen. Nur so können die lebendigen Erinnerungen der Überlebenden bewahrt werden. Das Projekt »Leben mit der Erinnerung. Überlebende des Holocaust erzählen« widmet sich dieser Aufgabe.
Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas hat zunächst mit Mitteln der Bundeskulturstiftung 849 Interviews aus den Beständen des Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies der Universität Yale (New Haven) digitalisiert. Zeitgleich wurde eine audiovisuelle Benutzeroberfläche entwickelt, die unterschiedliche Zugänge zu den in 17 verschiedenen Sprachen vorliegenden Interviews eröffnet: Die Interviews werden in der jeweiligen Originalsprache transkribiert und ins Deutsche übersetzt. Zu jedem Transkript wird dann für die Originalsprache und die Übersetzung ein ausführliches Inhaltsverzeichnis erstellt, das den Ablauf des Interviews minutiös nachzeichnet. Neben diesem inhaltschronologischen Verzeichnis wird ein Themenüberblick erstellt, der vom Interviewverlauf abgelöst die übergreifenden Schwerpunkte der Darstellung versammelt. Diese beiden Register sind über einen Zeitcode direkt mit den jeweiligen Stellen der Videos verknüpft. Zudem liegen zu jedem Video ein chronologischer Lebenslauf des Interviewten und eine Kurzzusammenfassung, die einen schnellen Überblick über das Dargestellte ermöglicht, vor. Schließlich kann im gesamten Archiv über die Eingabe von Schlagwörtern, Sprachen, Daten, Personen- und Ortsnamen gezielt nach spezifischen historischen Ereignissen gesucht werden. Die Verknüpfung dieser verschiedenartigen Register mit dem jeweiligen Video innerhalb einer Benutzeroberfläche ist in dieser Form vollkommen neuartig. Sie gewährleistet auf der einen Seite einen detaillierten Überblick über die Themen und den Ablauf eines Interviews und ermöglicht auf der anderen Seite das rasche Auffinden dieser Themen im Video selbst. Somit wird den Stimmen der Überlebenden eine große Präsenz zuteil. Gleichzeitig wird es den Benutzern ermöglicht, gezielt Passagen aus den meist mehrere Stunden langen Interviews auszuwählen.
Nachdem nunmehr ca. 80 Interviews in 10 Sprachen komplett erschlossen sind, wurde das Archiv im Ort der Information im September 2008 eröffnet. Interessierte, Wissenschaftler und Studenten haben nach Anmeldung beim Besucherservice der Stiftung die Möglichkeit, das Videoarchiv kennen zu lernen und mit den Interviews zu arbeiten. Parallel dazu wurde ein pädagogisches Programm entwickelt, das sich vor allem an Schulklassen der Sekundarstufen I und II richtet und das ebenfalls über den Besucherservice gebucht werden kann.
Kooperationspartner des Projekts: Fortunoff Video Archive for Holocaust Testimonies der Universität Yale (New Haven), Kulturstiftung des Bundes, Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft«.