Für den vorliegenden Beitrag haben ehemalige und aktuelle Landes- und Bundesjury-Mitglieder des Geschichtswettbewerbs schriftlich Fragen der LaG-Redaktion zu ihrer Tätigkeit beantwortet. Ihren Antworten sind die wörtlichen Zitate entnommen. Wir bedanken uns herzlich für ihre Mitwirkung!
Festzustellen, dass Geschichte überall ist; den persönlichen Nahraum forschend zu entdecken; Rechercheergebnisse einer eigenen Fragestellung folgend in eine ansprechende Form zu überführen – all das können Teilnehmende beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten der Körber-Stiftung erleben und lernen.
Im Laufe der Jahrzehnte haben mehr als 150.700 Schüler:innen am Geschichtswettbewerb teilgenommen. Jurys haben ihre Beiträge bewertet, die mitunter individuelle und emotionale Geschichten erzählen, Einblicke in unbekannte Milieus geben und den Juror:innen ermöglichen, selbst etwas zu lernen: inhaltlich, aber auch über die Lebenswelt der Schüler:innen und ihre Perspektiven auf historische oder aktuelle Ereignisse, wie Andreas Mai von der Bauhaus-Universität und Mitglied der Landesjury Sachsen hervorhebt. Und vor allem: über ihren Durchhaltewillen und ihre Begeisterungsfähigkeit. So der allgemeine Tenor unter aktuellen und ehemaligen Mitgliedern verschiedener Landesjurys und der Bundesjury.
Doch wie wird entschieden, welche Arbeiten prämiert werden, nach welchen Kriterien werden die Lernprozesse und Forschungsergebnisse der Schüler:innen beurteilt, wie hat sich der Wettbewerb verändert und welche Rolle spielt das forschend-entdeckende Lernen?
Für den jeweiligen Wettbewerb, d.h. für die Beurteilung der eingereichten Wettbewerbsbeiträge, werden von der Geschäftsstelle der Körber-Stiftung in jedem Bundesland mindestens eine ehrenamtlich arbeitende Landesjury sowie eine Bundesjury berufen. Dabei achtet die Stiftung auf eine heterogene und interdisziplinäre Besetzung mit Lehrkräften, Didaktiker:innen, Fachleuten aus Museen, Archiven und anderen Bildungseinrichtungen sowie auf eine Kombination aus Jury-Mitgliedern mit langjähriger Erfahrung und solchen, die neue Perspektiven einbringen.
Zu Beginn des insgesamt ca. sechs Monate dauernden Begutachtungsprozesses ermitteln zunächst rund 170 Juror:innen die erfolgreichsten Beiträge auf Landesebene. Jede Arbeit wird hier durch zwei Juror:innen unabhängig voneinander begutachtet. Die Bewertungsgrundlagen sind die Aufgabenstellung und der Leitfaden für Juror:innen. Die Landesjury erhält zur Orientierung von der Geschäftsstelle eine Übersicht, welche die Bandbreite der eingereichten Beiträge nach Altersstufe und Schulform veranschaulicht. Eine Quotierung der Preise ist nicht vorgesehen, die Jurys sind aber aufgefordert, die Verteilung nach Alter und Schulform bei der Preisvergabe zu berücksichtigen. Die Anzahl der zu vergebenden Preise pro Bundesland wird von der Geschäftsstelle im Verhältnis zu den eingereichten Beiträgen berechnet. Darüber hinaus können die Jurys einen Gruppenpreis für besondere Teamleistung sowie Sachpreise vergeben.
Für den Wettbewerb 2022/23 zum Thema „Mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen hat Geschichte“ bedeutete das konkret: Nachdem die Teilnehmenden sechs Monate Zeit hatten, an ihrem Beitrag zu arbeiten, wurden auf Landesebene 250 Landessiege und 250 Förderpreise ermittelt. Grundsätzlich erhalten die so ermittelten Landessieger:innen auf Bundesebene eine weitere Chance auf Auszeichnung. Ihre Beiträge werden von der Bundesjury bis zu sechs weitere Male begutachtet. Alle als bundespreiswürdig eingestuften Arbeiten werden außerdem auf einer mehrtägigen Klausurtagung der Bundesjury in intensiven Diskussionen verglichen und bewertet. Die so ausgewählten 50 Arbeiten werden mit fünf ersten, 15 zweiten und 30 dritten Bundespreisen gekürt. Die fünf Erstpreisträger:innen werden traditionell gemeinsam mit ihren Tutor:innen zur Preisverleihung vom Bundespräsidenten empfangen. Die Begutachtung der Bundesjury erfolgt auf Grundlage derselben Bewertungskriterien wie durch die Landesjurys. Die Jury-Gutachten sind vertraulich und für die Teilnehmenden nicht einsehbar. Das Wettbewerbsteam bietet allerdings Feedbackgespräche an.
Die Bedeutsamkeit von Jurys im Rahmen eines Wettbewerbs liegt auf der Hand; denn erst im „Zusammenspiel zwischen der Fachwissenschaft, dem Archiv und der Schule“ wird das „echte Potenzial“ vieler Beiträge deutlich, so Tom Fleischhauer, Lehrer und Mitglied der Landesjury Thüringen. Nur der intensive Austausch ermöglicht es, „Maßstäbe zu kalibrieren“ und „unterschiedliche Erfahrungswerte einzubringen“, findet auch Lorenz Völker, Lehrer und Mitglied der Landesjury Berlin. In den Jurys erfolgt ein „wichtiger und notwendiger Abgleich von Vorstellungen und Positionen, vor allem in Hinblick auf Qualitätsmaßstäbe, Präferenzen für spezielle Formen der Aufbereitung von Arbeitsergebnissen bzw. deren Präsentation und die Einschätzung der Selbstständigkeit der jeweiligen Arbeit“, ergänzt Ralf Langer vom Landesinstitut für Schulqualität und Lehrerbildung Sachsen-Anhalt und Mitglied der dortigen Landesjury.
Außerdem, so Regina Richter, Lehrerin und Tutorin im Ruhestand und ehemaliges Mitglied der Landesjury Hamburg, achten die Jury-Mitglieder in einem intensiven Abwägungsprozess darauf, dass das gesamte Spektrum der eingereichten Arbeiten berücksichtigt werde. In diesem Prozess, so Langer, gehe es darum, einen Konsens über die Bewertungsmaßstäbe der Jury zu erreichen, zugleich aber auch um die Frage, wie und unter welchen Bedingungen man legitimerweise eine abweichende Position vertreten könne. Insgesamt kann es, so Fleischhauer, in den Diskussionen der Jurys auch „schon mal kontrovers zugehen, weil für manche Themen intensiv gestritten werden muss“. Und Richter ergänzt: „Im Vergleich mit anderen guten und sehr guten Arbeiten und im Licht kritischer Nachfragen hält dann manch ein Urteil doch nicht mehr so richtig stand.“
Diskussion bei der Bundesjury-Tagung 2019. Foto: Körber-Stiftung
Es hat sich bewährt, dass jedes Jury-Mitglied ein Konvolut Arbeiten bekommt, die hinsichtlich Klassenstufe und Schulform vergleichbar sind. Je einheitlicher die Voraussetzungen der Teilnehmenden, umso leichter lassen sich Maßstäbe für die Bewertung bilden. Denn je nach Klassenstufe und Schulform haben die Juror:innen unterschiedliche Erwartungen an einen Beitrag. Zusätzlich zum Bewertungsleitfaden gibt es drei verschiedene Bewertungsformulare, die eine altersbezogene Differenzierung aufweisen (bis Klasse 6, Klasse 7–10, ab Klasse 11). Das heißt: Obwohl alle eingereichten Beiträge „in einem Topf“ landen, werden sie mit unterschiedlichen, an die Altersstufe angepassten Maßstäben gemessen. So wird dem Umstand Rechnung getragen, dass beispielsweise eine Gruppe Sechstklässler:innen etwas anderes leisten kann als ein:e Oberstufenschüler:in, insbesondere in Bezug auf den Reflexionsgrad und die Wissenschaftlichkeit des Vorgehens.
Gibt es für die unterschiedliche Bewertung der Altersstufen noch diese Hilfestellung, empfinden Juror:innen die Berücksichtigung unterschiedlicher Schulformen als eine „große Herausforderung“. Immer wieder kommt die Frage auf, so Richter, ob man eine „sehr gelungene Arbeit herunter[stufe], weil man eine nicht ganz so gelungene Arbeit einer anderen Schulform berücksichtigen möchte? […] Wie geht man damit um, dass manche Teilnehmer:innen einfach bessere Voraussetzungen (einen großen Bücherschrank zu Hause, Bekannte der Eltern, die sich als Experten eignen, überhaupt: hilfreiche Eltern) haben als andere?“ Viele Jury-Mitglieder weisen darauf hin, dass Lernerfolg auch heute noch wesentlich durch das Umfeld bestimmt wird, das sich hinsichtlich Möglichkeiten und Rahmenbedingungen unterscheidet. Hier ist laut Richter „Fingerspitzengefühl gefragt“, die Jury bemühe sich stets um ein gerechtes und ausgewogenes Vorgehen. Man achte darauf, Jüngere und Nicht-Gymnasiast:innen zu motivieren „und ein Gegengewicht zur Gymnasiallastigkeit des Wettbewerbs zu schaffen“, führt Rainer Hering, Archivleiter und Koordinator der Landesjury Schleswig-Holstein, aus. Der Wunsch, verstärkt andere Schulformen zu erreichen, ist in der Jury ausgeprägt, da eine breite und diverse Teilnehmer:innenschaft – gerade für den Aufbau von geschichtskulturellem Kapital – für den Wettbewerb wichtig sei.
Obwohl es den Geschichtswettbewerb bereits seit 1973 gibt, haben sich die Kriterien der Bewertung kaum verändert. Geprüft werden zunächst inhaltliche Mindestanforderungen, die im Leitfaden für die Jury festgehalten sind: Untersucht der Beitrag „ein historisches Beispiel aus der eigenen Regional- oder Familiengeschichte zum vorgegebenen Rahmenthema“? Wurden nach „dem Prinzip des forschend-entdeckenden Lernens“ Materialien zum Thema gesammelt und analysiert? Und: Ist ein Engagement der Teilnehmenden erkennbar?
Der Bewertungsleitfaden präzisiert, dass aktuelle Themen den Anstoß für Arbeiten bieten können, der Schwerpunkt aber auf der Vergangenheit liegen soll, konkret: auf einer Zeit, welche die Teilnehmenden nicht bewusst miterlebt haben. Interessant sei in dieser Hinsicht, so berichtet die Ausstellungskuratorin und Koordinatorin des Landesjury Sachsen-Anhalt Manuela Dietz, dass die konkret bearbeiteten Themen oftmals Rückschlüsse darauf zuließen, welche Narrationen im kollektiven Gedächtnis der Region oder des Bundeslandes verankert seien.
Schriftliche und kreative Beiträge, deren steigender Anteil schon fast die Hälfte aller Beiträge ausmacht, unterliegen denselben Bewertungskriterien. „Ungeachtet der Darstellungsform sollte allen Beiträgen eine erkennbare und nachvollziehbare historische Forschungsleistung zugrunde liegen“, führt der Jury-Leitfaden aus. Das zu erreichen sei nicht immer leicht, berichtet Verena Schweizer, Archivarin und Mitglied der Landesjury Baden-Württemberg: „Schwierig ist es nach meiner Erfahrung für alle Altersstufen, auch die Oberstufe, eine gewählte Fragestellung konsequent zu verfolgen […]. Oft möchten die Schülerinnen und Schüler verständlicherweise in der Begeisterung über ihre Recherchen alle Ergebnisse […] verwerten, dabei geht aber manchmal der rote Faden verloren.“
Zudem sei es laut Leitfaden wichtig, die „Forschungsergebnisse in der Eigenlogik des gewählten Darstellungsformats aufzubereiten“. Ein selbst entwickeltes Konzept, das zum Rahmenthema passt, sei grundlegend, wobei die Stiftung dazu ermutigt, „das Thema eigenständig, groß und kreativ zu denken“. Dass die Themen des Wettbewerbs breit ausgelegt werden können, ist also gewollt. Langer sieht darin die Chance, „einerseits ein großes bzw. weites Thema aufzumachen, dessen Potenzial zu benennen und zugleich Übertragungsmöglichkeiten auf verschiedene Räume, Lebens- und Erfahrungswelten anhand ausgewählter Beispiele aufzuzeigen“. Das bedeutet konkret, dass die Teilnehmenden nicht den Anspruch verfolgen sollten, mit großen Bögen „zu Vieles auf einmal erreichen“ zu wollen; interessanter sei es, eine „große Geschichte am kleinen Beispiel [zu] erzählen“.
Die Jury-Mitglieder bewerten es grundsätzlich positiv, wenn ein Thema originell aufbereitet und etwas gegen den Strich gebürstet wird, wenn also neugierige, kreative Fragen an den Gegenstand gestellt werden, die unter Umständen zu überraschenden Ergebnissen führen. Sie erwarten, dass die Teilnehmenden ein echtes Interesse am Thema erkennen lassen und durch forschend-entdeckendes Lernen ihre Neugier befriedigen. Hinzu komme die Rechercheleistung und die Vielfalt (nicht die Anzahl!) an berücksichtigten bzw. selbst erschlossenen Quellen, wobei es der Regelfall sei, dass Teilnehmenden bis Klasse 6 Quellen von Dritten zur Verfügung gestellt würden. Ab der 7. Klasse aufwärts wird die Multiperspektivität des zusammengetragenen Quellenmaterials und dessen mögliche Lückenhaftigkeit oder Widersprüchlichkeit zunehmend bewertungsrelevant. So erläutert Völker:
„Die klare Trennlinie zwischen Förderpreis und Landessieg ist letztlich die Fähigkeit, zu erkennen, was das Quellenmaterial hergibt und was nicht, welche Fragen sinnvoll [sind], welche nicht, was ein Desiderat bleiben muss. Das (selbstbewusst) zu erkennen und darzustellen ist […] eine enorme Leistung. Letztlich ist das aber eine Qualität, die [sogar] (noch) manchem Studenten abgeht.“ Die analytische Durchdringung des Materials in Bezug auf die verfolgte Fragestellung beinhaltet auch, es kritisch zu reflektieren und seine historische Bedeutung einzuordnen, was von den älteren Teilnehmenden verstärkt erwartet wird. Viele Jury-Mitglieder betonen außerdem, dass sie es als außergewöhnlich beurteilen, wenn es den Teilnehmenden gelingt, neue Erkenntnisse zu präsentieren, indem sie beispielsweise bislang unerschlossene Quellen bearbeiten oder durch das Infragestellen einer geläufigen Interpretation neue Sichtweisen auf ein Thema eröffnen.
Negativ fallen den Jury-Mitgliedern hingegen Beiträge auf, die erkennbar eine „Pflichtübung“ seien und z.B. ursprünglich nicht im Rahmen des Wettbewerbs erstellt wurden. Weiterhin blieben laut Langer bei einzelnen Beiträgen „der extrem gehäufte, völlig unangemessene und abgehobene Fremdwortgebrauch“ in negativer Erinnerung, der „eine Unterstützung durch Externe vermuten“ ließ. Schweizer ergänzt, dass sehr kurze Beiträge, die erkennbar nur aus „zwei, drei Seiten Internetrecherche ohne Einleitung, Fragestellung und Fazit“ bestanden, nicht nur keinen Gewinn für die Teilnehmenden darstellten, sondern auch „frustrierend“ zu lesen waren.
Eine wesentliche Veränderung des Wettbewerbs liegt darin, dass mittlerweile auch kreative und digitale Formate gewählt werden können, die aus Perspektive der Jury insbesondere für jüngere Schüler:innen und nicht-gymnasiale Schulformen attraktiv sind. Die Chance dieser Beitragsformen liegt darin, „dass auch Schüler:innen, die einen nicht so ‚bildungsnahen‘ familiären Hintergrund haben, besseren Zugang zum Wettbewerb finden und somit auch das Teilnehmerfeld verbreitert wird“. Zudem sei diese Erweiterung eine „Modernisierung und angemessene Weiterentwicklung“ des Wettbewerbs, findet Simone Mergen, führend tätig im Haus der Geschichte Bonn und Mitglied der Landesjury Nordrhein-Westfalen.
Doch gehen damit auch Herausforderungen einher. Wie Richter meint, müsse den Teilnehmenden insbesondere bewusst sein, „dass es nach wie vor um einen quellenbasierten historischen Beitrag gehen soll: in Filmen und Podcasts nicht nur auf der darstellenden Ebene zu verbleiben, sondern Quellenanalyse miteinzubeziehen und gelungen darzustellen“, sei „oftmals nicht einfach“. Video- und Audiobeiträge würden bisweilen nur YouTube-Videos nachahmen. „Der Spagat zwischen gutem Konzept/guter Frage/guter Durchdringung des Themas und einer kreativen Umsetzung ist für viele noch schwierig, hier brauchen wir alle noch mehr Training“, bekennt Mergen und verweist damit darauf, dass auch die Jury den Umgang mit diesen Beiträgen weiter optimieren muss. Nadine Rau, Bildungsreferentin im Museum und Mitglied sowie Koordinatorin der Landesjury Berlin, merkt selbstkritisch an: „Vielen Juroren fällt es noch schwer zu erkennen, dass auch kreative Beiträge Tiefgang haben können und dass es manchmal schwieriger ist, komplizierte Zusammenhänge (auch ohne Worte) kreativ zu verarbeiten als in einem schriftlichen Beitrag.“ Deshalb wünscht sie sich „mehr Hilfestellung, wie mit den unterschiedlichsten kreativen Formaten umzugehen ist und wie hier die entscheidenden Qualitätskriterien aussehen“, insbesondere da die mit der Formatöffnung einhergehende Ausdifferenzierung und Vielschichtigkeit auch die Vergleichbarkeit der Beiträge erschwere.
Inwiefern bei der Erstellung aller Beiträge KI eine Rolle spielt, ist eine Frage, die den Wettbewerb in Zukunft vor Herausforderungen stellen wird. Was KI – und generell die Nutzung von technischen Hilfsmitteln wie Textoptimierungsprogrammen etc. – für die Bewertung in Zukunft bedeuten wird, ist offen, oder, wie Richter pointiert anmerkt: „Herausfordernd für die Jury ist dabei natürlich, dass man nicht die guten Programme bewerten will“, sondern die originäre Leistung der Teilnehmenden.
Es ist ein dezidiertes Ziel des Wettbewerbs, die Kompetenz des forschend-entdeckenden Lernens zu fördern. Deren Prozesshaftigkeit sollen die Teilnehmenden in einem Arbeitsbericht diskutieren, der dem Beitrag beigefügt wird. Er dokumentiert den Prozess der Spurensuche mitsamt seinen Rückschlägen. Entscheidend sei, so sind sich die Jury-Mitglieder einig, die Hartnäckigkeit, mit der die Teilnehmenden dranbleiben. „Was wir hier beobachten dürfen, ist manchmal der Wahnsinn. Wo jeder aufgegeben hätte, machen die Teilnehmenden einfach weiter. Das ist bewundernswert. Man könnte sagen, die Teilnehmenden erwerben so neben dem historischen Wissen ganz viele Kompetenzen, die ihnen im Leben weiterhelfen können“, betont Anne Sophie Schumacher, Lehrerin und Koordinatorin der Landesjury Rheinland-Pfalz. Und auch Völker unterstreicht, dass genau die Bereitschaft, diesen Extra-Aufwand zu betreiben, die herausragenden Beiträge auszeichne.
„Forschendes Lernen ist methodisches Lernen“, bringt es Jörg Nellen, Lehrer im Ruhestand und ehemaliges Mitglied der Landesjury Bayern, auf den Punkt. „Drei Fragen sollten sich die jungen Forscher:innen stellen: ‚Was ist passiert?‘, ‚Warum und mit welchen Folgen ist es passiert?‘ und ‚Was geht es mich an?‘. […] In den meisten Beiträgen wird sehr deutlich, wie intensiv sich die Verfasser:innen mit ihrem Sujet auseinandergesetzt haben, wie sehr sie in ihr Thema einsteigen, wie kreativ sie ihre Aufgabe angehen, welche Ideen sie dafür haben, Material und Zeitzeugen zu suchen. Wenn ihnen dies gelingt, dann sind sie schon mitten im ‚forschenden Lernen‘ angekommen. Ein ‚Ergebnis‘ im Sinne ihrer Forschungsfrage dann zusammenzubündeln gelingt nicht immer, aber die Jury honoriert auch den Prozess.“ Im Idealfall wird dann nicht nur der Beitrag prämiert, sondern die Teilnehmenden haben jenseits des Wissenszuwachses zu ihrem Thema auch sich selbst und ihre Fähigkeiten weiterentwickelt.
Die Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart ist ein weiteres Kriterium der Bewertung: Historische Kontextualisierung und die Berücksichtigung zeitgenössischer politischer, sozialer und gesellschaftlicher Faktoren sollen zu eigenen Urteilen hinsichtlich der Relevanz der Befunde für die Gegenwart und zu ihrer Bewertung („Geschichtswürdigkeit“) führen. Zwar gibt das von der Körber-Stiftung für jede Wettbewerbsrunde herausgegebene spurensuchen-Heft bereits Anregungen dazu, wo Gegenwartsbezüge des Themas liegen könnten. Laut Richter ist es aber gerade eine besondere Reflexionsleistung, wenn die Jugendlichen erfassen, „wodurch und warum sich die früheren Verhältnisse von den heutigen unterschieden“. Dietz führt dazu aus: „Ich finde es spannend zu sehen, wie Schüler:innen versuchen Analogien […], die sie zwischen ihren historischen Themen und den Themen, mit denen sie selbst, ihre Freunde oder Bekannte im Alltag konfrontiert sind, zu finden. Auch die Frage nach ‚Ursache und Wirkung‘ bringt immer spannende Erkenntnisse. […] Viele Schüler:innen erkennen bei der Bearbeitung ihrer Themen, dass die Sorgen, Probleme und Themen der Menschen vor 200 oder 400 Jahren im Kern gar nicht so anders waren als die der Menschen heute. Allerdings verstehen sie auch, dass sie heute zum Teil unter ganz anderen (und viele unter wesentlich privilegierteren) Bedingungen leben.“
Es ist aber oftmals auch eine der ersten Hürden für die Teilnehmenden, so Mergen, „überhaupt die Gegenwart zu verlassen und sich in historischen Dimensionen zurechtzufinden, diese zu recherchieren, zu erforschen und auch nicht mit ausschließlich gegenwärtigen Maßstäben, sondern unter historischer Kontextualisierung zu bewerten“. Allerdings „ergeben sich die überzeugendsten Verbindungen ganz automatisch, indem man sich fragt, was das historische Thema mit der heutigen Zeit zu tun hat. Wie wird es heute beurteilt? Ist es in Vergessenheit geraten oder gar von größerer Bedeutung als damals?“ Durch die simpel erscheinende Frage „Was geht’s mich an?“ werde ein Gegenwartsbezug hergestellt, der in den Augen von Nellen „der Türöffner zu einem wünschenswert begründeten Werturteil“ ist.