Das Themenfeld Friedensprozesse, Friedensschlüsse und Kriegsfolgen besitzt angesichts der Wiederkehr bewaffneter Auseinandersetzungen in Europa traurige Aktualität. Frieden ist auch für Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland nicht mehr selbstverständlich, was Fragen nach den Voraussetzungen für Friedensschlüsse dringlicher macht. Angesichts des Krieges in der Ukraine werden in gesellschaftlichen Debatten tradierte friedenspolitische Gewissheiten und Haltungen zunehmend in Frage gestellt.
Als bedeutender Akteur schulischer Bildungsangebote und internationaler Jugendbegegnungen am Lernort Kriegsgräberstätte hat sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. entschieden, seine pädagogische Arbeit drei Jahre lang – von 2024 bis 2026 – dem Thema „Friedensprozesse, Friedensschlüsse und Kriegsfolgen“ zu widmen. Der Volksbund engagiert sich seit über siebzig Jahren mit friedenspädagogischen Projekten für Schulen und andere Bildungsträger am einzigartigen Lernort Kriegsgräberstätte. Schul- und Bildungsreferent*innen in allen deutschen Bundesländern, vier Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten – in den Niederlanden (Ysselsteyn), in Belgien (Lommel), in Frankreich (Niederbronn-les-Bains) und an der polnischen Grenze auf der Insel Usedom (Golm) – sowie vielfältige internationale Workcamps regen mit ihren pädagogischen Angeboten für unterschiedliche Altersgruppen zur Auseinandersetzung an. Im Zentrum stehen dabei die Lebensgeschichten der Menschen, die in den Grabstätten ruhen. Sie alle wurden in einem Krieg getötet, gehören verschiedenen Opfer- wie Tätergruppen an. Seit mehr als einem Jahrzehnt umfassen die schulischen Angebote auch thematisch gebündelte pädagogische Handreichungen mit Unterrichtsbeispielen, Wanderausstellungen mit didaktisierten Erkundungsbögen und mehrteilige pädagogische Module. Ab 2024 werden sie auch das Schwerpunktthema „Friedensprozesse, Friedensschlüsse und Kriegsfolgen“ thematisieren. Pädagogische Materialien und weitere Informationen dazu werden auf www.volksbund.de/schule bereitgestellt.
Als Auftakt des Schwerpunkts diskutierten die Teilnehmenden einer gleichnamigen Fachtagung zum Thema gehörige Leitfragen aus geschichts- und politikwissenschaftlicher sowie aus didaktischer Perspektive. In Zusammenarbeit mit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und mit Unterstützung des Niedersächsischen Kultusministeriums, dem Lehrstuhl für Geschichtsdidaktik an der Universität Rostock und dem Peace Research Institute Frankfurt lud der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. am 7. und 8. Februar 2023 zehn Expert*innen in die Landesvertretung Niedersachsen beim Bund in Berlin ein.
Vasco Kretschmann bei der Begrüßung. © Jens Schubert
Warum lohnt sich eine Beschäftigung mit Friedensprozessen? Unter dieser Fragestellung führte Prof. Dr. Oliver Plessow (Universität Rostock) in das Thema ein. Er zeigte die Relevanz der Auseinandersetzung mit Friedensprozessen, Friedensschlüssen und Kriegsfolgen für das historisch-politische Lernen und die damit verbundenen Herausforderungen auf.
Im ersten Panel mit dem Schwerpunkt „Lernen aus der Geschichte?“ diskutierten Prof. Dr. Anuschka Tischer (Julius-Maximilians-Universität Würzburg), Prof. Dr. Robert Gerwarth (University College Dublin) und Prof. Dr. Dr. Dimitrij Davydov (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen) die Voraussetzungen für erfolgreiche Friedensschlüsse, die Konsequenzen gescheiterter Friedensverträge und die Möglichkeiten zur Bewältigung von Kriegsfolgen.
Den Bogen in die Gegenwart schlug Prof. Dr. Herfried Münkler (em. Humboldt-Universität zu Berlin) bei seinem Abendvortrag zum Krieg gegen die Ukraine und den damit verbundenen Herausforderungen für Deutschland und Europa. Mit Herausforderungen für die heutige Politik beschäftigte sich auch das zweite Panel, auf dem Dr. Thorsten Gromes (Peace Research Institute Frankfurt) und Dr. Volker Jacoby (European Centre of Excellence for Civilian Crisis Management e.V.) über Möglichkeiten der Kriegsbeendigung und gesellschaftliche Resilienz sprachen.
Im abschließenden Panel wurden die geschichts- und politikwissenschaftlichen Fragestellungen in ihrer Konsequenz für die Bildungsarbeit diskutiert. Über Akteur*innen, Ansätze und den Auftrag sicherheits- und friedenspolitischer Bildung an Schulen sprachen Prof. Dr. Manuela Pietraß (Universität der Bundeswehr München), Dr. Stefan Kroll (Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung) und Prof. Dr. Uli Jäger (Berghof Foundation/Institut für Friedenspädagogik Tübingen).
Die Kernaussagen aller Referent*innen finden Sie in den Beiträgen der vorliegenden Ausgabe des LaG-Magazins, mit dem wir zur weiteren Diskussion anregen möchten.