1907 erhielt die Dresdner Justiz einen neuen Gebäudekomplex: An das Landgericht am Münchner Platz schloss sich eine Untersuchungshaftanstalt mit einem separaten Frauenflügel an. Der Innenhof des Gerichtsgebäudes war für die Vollstreckung von Todesstrafen vorgesehen.
In der nationalsozialistischen Diktatur verurteilten unter anderem der Volksgerichtshof, das Oberlandesgericht Posen und das Sondergericht Dresden im Gebäude des Dresdner Landgerichts Menschen, die sich dem Regime aktiv widersetzt hatten, abweichende Meinungen vertraten oder auf Grundlage eines drakonischen Kriegssonderstrafrechts für kriminelle Handlungen verurteilt wurden. Zwei Drittel der über 1.300 Hingerichteten waren tschechoslowakische Staatsbürger:innen.
Vom Kriegsende bis 1950 nutzte die sowjetische Besatzungsmacht den Ort als Durchgangsgefängnis und Tagungsort für Militärtribunale. Parallel dazu führte die ostdeutsche Justiz Verfahren gegen Personen durch, denen NS-Verbrechen angelastet wurden. Zwischen 1952 und 1956 starben in der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR 66 Menschen unter der Guillotine, darunter 39 wegen so genannter Staatsverbrechen. Darunter waren Beteiligte des 17. Juni 1953 und weitere Personen, die das Regime als politische Gegner:innen bekämpfte.
Ende der 1950er-Jahre übernahm die damalige Technische Hochschule den Gebäudekomplex. Ein kleiner Teil um den ehemaligen Hinrichtungshof wurde zur Gedenkstätte. Diese gehört seit 1996 zur Stiftung Sächsische Gedenkstätten. 2012 wurde hier die ständige Ausstellung „Verurteilt. Inhaftiert. Hingerichtet. Politische Justiz in Dresden 1933–1945 | 1945–1957“ eröffnet. Seit Juli 2021 geben Markierungstafeln in und um den früheren Justizkomplex Auskunft über die justizielle Nutzung des Ortes und seine memoriale Überformung. Die Stationen greifen sichtbare Spuren auf, verweisen aber auch auf solche Orte, wo die frühere Nutzung nicht mehr erkennbar ist. Ein mehrsprachiger Multimediaguide als zusätzliches vertiefendes Angebot ist in Vorbereitung.
Im Zentrum der Forschungs-, Bildungs- und Vermittlungsarbeit stehen die in Dresden begangenen Justizverbrechen. Die Ausstellung zeigt beispielhaft auf, unter welchen Bedingungen Recht und Justiz dazu beitragen können, Inhumanität in Staat und Gesellschaft zu befördern bzw. zu exekutieren.
Eine Herausforderung für die Vermittlung besteht in der Weiternutzung des historischen Ortes nach 1945 als Gerichtsort, Haftanstalt und Hinrichtungsstätte. Eine vergleichende Perspektive, wie sie die ständige Ausstellung eröffnet, bietet die Chance, für strukturelle Parallelen ebenso wie für die gravierenden Unterschiede der beiden deutschen Diktaturen zu sensibilisieren. Das gilt insbesondere für den Einsatz und die Vollstreckung der Todesstrafe, auf der ein besonderer Fokus liegt. Die Gedenkstätte positioniert sich grundsätzlich ablehnend zur Todesstrafe, ohne die individuelle Schuld etwa von NS-Verbrechern oder Menschen, die Mord- und Gewaltdelikte begangen haben, zu nivellieren.
Wegen der Bedeutung von Dresden bei der Verfolgung von Tschech:innen – besonders im Vergleich mit anderen NS-Hinrichtungsstätten – ist dies ein hervorgehobenens Thema der Bildungs- wie Vermittlungsarbeit und gleichzeitig sind gerade Tschech:innen eine Zielgruppe. Im Laufe des Jahres 2023 wird ein tschechisch-deutsches Online-Portal zu den fast 900 in Dresden hingerichteten tschechoslowakischen Staatsbürger:innen freigeschaltet. Es richtet sich an die historische Forschung ebenso wie an Angehörige der Hinrichtungsopfer und an Akteur:innen historisch-politischer Bildungsangebote. Als Ergebnis der Zusammenarbeit mit dem tschechischen Forschungsinstitut Ústav pro studium totalitních režimů (ÚSTR) ist außerdem zum Jahresbeginn die Edition „‚Behaltet diesen Brief als Andenken an mich‘. Abschiedsbriefe von Dresdner Hinrichtungsopfern aus der Tschechoslowakei“ erschienen.
Literatur
Sack, Birgit/Hacke, Gerald: Verurteilt. Inhaftiert. Hingerichtet. Politische Justiz in Dresden 1933–1945 | 1945–1957, Dresden 2016 (Ausstellungskatalog).
Plachá, Pavla/Sack, Birgit: „Behaltet diesen Brief als Andenken an mich“. Abschiedsbriefe von Dresdner Hinrichtungsopfern aus der Tschechoslowakei, Leipzig/Prag 2023 (kommentierte Edition).
Gedenkstätte Münchner Platz Dresden / Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Besuchereingang: Münchner Platz 3, 01187 Dresden
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