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Die Freudsche Psychoanalyse erklärt psychologische Massenphänomene aus der Psychologie der*des Einzelnen, die*der in der Masse aufgeht. Es gilt also vom einzelnen Menschen aus zu erfahren, wie diese*r in der Masse aufgeht und was die Masse zusammenhält. Freud selbst erklärt diesen Vorgang durch die Ersetzung des Ich-Ideals durch ein allen in der Masse gemeinsames (Führer-)Objekt. Tritt also die Führerperson an die Stelle des Ich-Ideals, können die einzelnen Mitglieder der Masse sich über dieses gemeinsam in ihrem Ich miteinander identifizieren. Diese Identifikationsleistung bildet die (libidinöse) Grundlage jeder Masse (vgl. Freud 2000: 98 – 108). Die Massenindividuen schränken, wie in der Verliebtheit, ihre narzisstische Eigenliebe ein, dem gegenüber steht eine Führerperson, die hoch narzisstisch sein darf und muss, damit in ihm*ihr das Ich-Ideal verkörpert ist (vgl. Freud 2000: 113, 124, 138, 145). Die nachfolgenden Überlegungen gelten unter der Bedingung, dass sich eine Masse aus Verschwörungsgläubigen ergibt. Darin jedoch besteht keine Notwendigkeit.
Gruppen, die an Verschwörungen glauben, besitzen zwar ab und an auch solche Führungsfiguren, jedoch sind diese kein notwendiger Bestandteil einer solchen Vereinigung. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen kann eine Führer-Person auch eine fiktive sein, wie beispielsweise ein*e Geheimdienstmitarbeiter*in, von der behauptet wird, sie verfüge über Top-Secret-Material einer Regierung. Zum anderen können sich Massen auch gänzlich ohne fiktive oder reale Führungsfigur ergeben. Dies geschieht dann zumeist negativ: als Abgrenzung einer Masse von den und durch den Hass gegen die Anderen (vgl. Adorno 1970: 500). Die gemeinsame Identifikation ist dadurch negativ möglich, weil sie beispielsweise eine Gruppe der Wissenden einer der Unwissenden hierarchisch gegenüberstellt.
Die Masse kann dabei den Glauben an Verschwörung zusätzlich legitimieren. Durch die um eine große Verschwörung vermeintlich wissende Gruppe bestärken sich die Vertreter*innen dieser Theorie gegenseitig in ihrem Glauben. In der Masse gelangen Menschen, die durch scheinbar unkontrollierbare gesellschaftliche Verhältnisse Ohnmachtsgefühle besitzen, dann zu neuer Handlungsfähigkeit und können so ihre unterdrückten und eingeschränkten Triebe, Wünsche und Regungen realitätsgerecht ausagieren. Individuelle psychische Probleme können in der Masse „schiefgeheilt“ werden (vgl. Freud, 2000: 159).
Adorno, Theodor W.: Die Freudsche Theorie und die Struktur der faschistischen Propaganda; in: Psyche 24(7); Ernst Klett Verlag; Stuttgart 1970; 486-509.
Freud, Sigmund: Massenpsychologie und Ich-Analyse. In: Fragen der Gesellschaft. Ursprüng der Religion. In: Mitscherlich, Alexander/ Richards, Angela/ Strachey, James (Hg.): Sigmund Freud. Studienausgabe; Band IX; Fischer; Frankfurt am Main 2000 [1921].