Beitrags-Autor: Ingolf Seidel Sie müssen angemeldet sein, um das Benutzerprofil zu sehen |
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Am 12. Juni 2013 erfolgte die Grundsteinlegung des Humboldt-Forums in Berlin, gelegen an einer Achse der Stadt, die vom Brandenburger Tor bis an die Museumsinsel reicht. Einer Achse, deren Ursprung im kurfürstlichen Reitweg Johann Georgs aus dem Jahr 1573 zu finden ist, der mit dem Weg den nahegelegenen Tiergarten mit dem Stadtschloss, der Residenz der Hohenzollern, verbinden wollte. Seinen etwas mickrigen Charakter verlor dieser Weg, als er zuerst von Friedrich I. zu einer Magistrale ausgebaut wurde. Aus ihr wurde eine Allee mit Linden, an der die Akademien der Künste sowie der Wissenschaft gebaut wurden und die in der westlichen Verlängerung bis zum Charlottenburger Schloss reichte. Einen weiteren Ausbau erfuhr die Straße ab dem Jahr 1740 durch Friedrich II., der das Palais des Prinzen Heinrich, späterer baulicher Ausgangspunkt für die Humboldt-Universität, das Opernhaus, die St. Hedwigs-Kathedrale und die Königliche Bibliothek in errichten ließ. Aus der Zeit dieses preußischen Königs stammt auch das Brandenburger Tor, mit dem der Klassizismus als hegemonialer preußischer Baustil Einzug hielt.
Die Reihe lässt sich fortsetzen über den dritten Friedrich, der Karl Friedrich Schinkel den östlichen Teil der Achse gestalten ließ, wozu das noch heute stehende Reiterstandbild von Friedrich, der gerne der Große genannt wird, gehört. Die Straße Unter den Linden steht also für eine monarchistische Tradition par excellence. Die Nationalsozialisten haben schließlich noch eine Verlängerung bis zur Schlossbrücke hinzugefügt. An der Kontinuität änderte die 1947 erfolgte Umbenennung des Kaiser-Franz-Joseph-Platzes, Ort auch der nationalsozialistischen Bücherverbrennungen, in Bebelplatz wenig. Eine Chance mit dieser Tradition und dem ihr innewohnenden Nationalismus symbolisch zu brechen wurde im Zuge des Wettbewerbs um die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas vertan. Der Künstler Horst Hoheisel hatte als Teil seines Wettbewerbsbeitrages vorgeschlagen das Brandenburger Tor zu zermahlen und die Überreste auf dem dann ehemaligen Grundriss zu verstreuen. Für Hoheisel war damit die Frage verbunden, ob sich Deutschland angesichts der Shoah von einem herausragenden nationalen Symbol verabschieden würde. Das Ergebnis ist bekannt.
Eine zweite Möglichkeit des Bruchs wird mit dem Wiederaufbau des Stadtschlosses, auch bekannt als Berliner Schloss, nicht nur vergeben. Vielmehr wird hier eine Tradition von Gewaltgeschichte erneuert, die mit der Straße und dem historischen Ort des Schlosses verbunden ist. Manifest wird dies in der baulichen Ausführung. So heißt es auf der Webseite des Projekts „Humboldt Forum im Berliner Schloss“ im Entwurf des Architekten Franco Stella würden sich „historische Schönheit auf selbstverständliche Weise mit der Gegenwart, gestalterisch, technisch und städtebaulich“ verbinden. In der Tat. Nur wird der architektonische Problemcharakter des ehemaligen Barockbaus, der für absolutistische Herrschaft steht, außer Acht gelassen.
Auch das Konzept des Humboldt-Forums will solche Traditionslinien fortführen. So sollen „die Visionen der ehemaligen Berliner Kunstkammer im Berliner Schloss wieder spürbar“ werden, heißt es auf der Webpräsenz. Angeknüpft wird explizit an die fürstlichen Kunst- und Wunderkammern mit einer Idee, die Geschichte nicht als diskontinuierlich im Sinne Walter Benjamins fasst oder die eine kritische Auseinandersetzung statt Rekonstruktion erfordert, sondern indem Historie emotionalisiert und ideologisiert wird.
Ab der geplanten Eröffnung im Jahr 2021 – der Eröffnungstermin ist durchaus fraglich – sollen im Humboldt-Forum Dauerausstellungen der Sammlungen des Ethnologischen Museums, des Museums für Asiatische Kunst (Staatliche Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz), die Berlin Ausstellung (Stadtmuseum Berlin und Kulturprojekte Berlin) und das Humboldt Labor (Humboldt-Universität zu Berlin) gezeigt werden. Zusammen mit der Museumsinsel soll eine einzigartige „Konzentration an Objekten und Kunstwerken“ geschaffen werden. Die Gewalt- und Kolonialgeschichte findet auf der Webseite keine Erwähnung. Stattdessen ist die Rede davon, dass im Berliner Stadtschloss „einheimische wie nicht-europäische Objekte aus Natur und Kunst, Wissenschaft und Geschichte mehrere Räume“ füllten. In ihnen sollten die weißen Besucher*innen „die gesamte Welt durch das Betrachten, Ordnen oder Ausprobieren der unterschiedlichen Sammlungsgegenstände ergründen können“. Die Provenienz der gezeigten Objekte, die vielfach Raubgut aus der Kolonialzeit sind, wird schlicht ausgeblendet.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat bereits 2011 das Nutzungskonzept unter dem Titel „Das Humboldt-Forum: Soviel Welt mit sich verbinden als möglich“ vorgestellt. Auf die Forderung nach einem Moratorium wie sie von der Initiative No Humboldt 21! formuliert wurde gingen weder Parzinger, noch der Bund oder das Land Berlin, als Finanzgeber ein. Dabei ist schon der Name der Stiftung, der Parzinger vorsteht fragwürdig. Handelt es sich bei Raubgut um preußischen Kulturbesitz bzw. wie rassistisch ist eine Kultur, die sich darauf bruchlos beruft?
Im Dezember 2017 wandten sich Mnyaka Sururu Mboro und Christian Kopp für Berlin Postkolonial in einem offenen Brief an Angela Merkel, der von 60 Initiativen und Verbänden unterzeichnet wurde. Sie orientierten sich am Beispiel des französischen Präsidenten Macron, der unter dem Eindruck der kritischen Debatte formuliert hatte, eine „zeitweilige oder dauerhafte Rückgabe des afrikanischen Erbes“ zu ermöglichen. Ähnliches wird von der Bundeskanzlerin erwartet. Mboro und Kopp zeigen die Problematik auf, dass „nicht nur französische Museen und Privatsammlungen im Zuge der Kolonisierung in den Besitz von hunderttausenden Kulturobjekten und von zehntausenden menschlichen Gebeinen aus allen Regionen Afrikas gekommen (sind, IS). (...) Die Menge an menschlichen Gebeinen aus Afrika ist so groß, dass die Museen angeblich auch 100 Jahre nach ihrer Aneignung noch immer nicht ermitteln konnten, von wo und auf welche Art und Weise sie in die Sammlungen gelangt sind.“ Die Reaktion von Hermann Parzinger auf diesen Brief war eindeutig und überheblich. Er unterstellt in einem Artikel in der FAZ vom 25. Januar 2018 der Initiative fehlendes Verständnis der „Komplexität von Provenienzforschung“ und versteigt sich sogar zum Vorwurf des „Populismus“. Mboro und Kopp antworten in einem Debattenbeitrag auf der Webseite von No Humboldt 21! indem sie Parzinger „postkolonialen Hochmut“ vorwerfen und seine Haltung auf den Punkt bringen: „Hermann Parzingers Beitrag macht deutlich, dass der Stiftungspräsident gar keine Vorstellung von der historischen Verantwortung hat, die auf seinen Schultern liegt.“
Es ist nicht anzunehmen, dass, nachdem die Kritik an der Rekonstruktion des Stadtschlosses und am Humboldt-Forum über Jahre ignoriert wurde, das Projekt zu diesem späten Zeitpunkt noch grundsätzlich infrage gestellt wird. Gleichzeitig ist zu erwarten und zu befürchten, dass es ein Publikumsmagnet, auch für Klassenfahrten wird. Lehrkräften ist statt eines Besuches zu empfehlen die Angebote von Berlin Postkolonial (http://berlin-postkolonial.de) in Anspruch zu nehmen, zu denen auch Stadtführungen durch Berlin-Mitte und das sogenannte „Afrikanische Viertel“ im Bezirk Wedding gehören. Auch ein Besuch im Afrika-Haus, dessen Ausstellung in diesem LaG-Magazin vorgestellt wird, bietet eine andere Perspektive.