Mit „14/18 – Mitten in Europa. Die Urkatastrophe des Ersten Weltkrieges und ihre Folgen für das 20. und 21.Jahrhundert“ bietet der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. eine Ausstellung für die Bildungsarbeit, die durch pädagogische Materialien ergänzt wird. Anhand deren sollen Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit der Zeit zwischen 1914 und 1918, der sogenannten „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, geboten werden. Dabei orientieren sich die Autor*innen an der Bildungsarbeit und dem Unterricht über die Thematik im Allgemeinen. In dieser Empfehlung werden sowohl die Ausstellung und die begleitenden pädagogischen Materialien als auch die Broschüre „100 Jahre Erster Weltkrieg“ berücksichtigt.
Aufgeteilt auf sechs Themengebiete – Der Krieg, Staaten im Krieg, Deutschland im Krieg, Menschen im Krieg, Nach dem Krieg, Nie wieder Krieg!? – verschafft die Ausstellung einen Überblick über den Kriegsverlauf, seine Auswirkungen auf die Gesellschaft, das Leben in Deutschland und die sich verändernden (Kräfte-) Verhältnisse in Europa.
So werden beispielsweise unter dem Punkt „Nie wieder Krieg!?“ der Umgang mit Kriegsteilnehmern und Kriegsgräberstätten behandelt. In diesen Kontext wird auch die Gründung des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eingeordnet sowie die bis heute andauernde Arbeit, mit den verändernden Schwerpunkten. Die Ausstellung verliert sich nicht in kleinteiligen Details und findet das richtige Verhältnis zwischen schriftlichen Informationen und Bebilderung. Wichtige Daten und Begrifflichkeiten werden durch die grafische Gestaltung hervorgehoben, so dass sie leicht zu finden sind und im Gedächtnis bleiben.
Die Informationstexte werden ergänzt durch Grafiken, Karten und Bilder, die teilweise ikonographischen Charakter haben. Zum Beispiel wird im ersten Teil der Ausstellung unter dem Zwischentitel „Die Julikrise“ die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Frau, Sophie Herzogin von Hohenberg, am 28. Juni 1914 in Sarajevo als Auslöser für den Ersten Weltkrieg erläutert. Bebildert ist dies mit einer Ausfahrt des Paares in einem offenen Wagen sowie der Festnahme eines Verdächtigen nach dem Attentat.
Für die einzelnen Themenbereiche sind Fragebögen entwickelt worden, angepasst auf das (Vor-) Wissen der jeweiligen Zielgruppen, in diesem Fall Sekundarstufe I und II. Für die Lehrkräfte gibt es Lösungsbogen mit idealtypischen Lösungen.
Die Bögen umfassen Fragen zu jedem Bereich der Ausstellung, die teilweise im Multiple-Choice-Format, teilweise in eigenen Worten zu beantworten sind. Ebenso gibt es Karten, in denen Kriegsgebiete zu skizzieren sind oder etwa eine Karte des afrikanischen Kontinents, auf der deutsche Kolonien eingezeichnet und benannt werden sollen. Ziel der Fragebögen ist es, die Inhalte der Ausstellung zu sichern und nachhaltig anzueignen, so der Volksbund in seinen Hinweisen für Lehrkräfte, die den Fragebögen vorangestellt sind.
Außerdem sollen die Analysefertigkeit und die historische Urteilsbildung der Schüler*innen gefördert werden. Daher werden an unterschiedlichen Stellen der Bögen weiterführende Materialien verwendet, zum Beispiel eine Propagandapostkarte oder Tagebucheinträge, die es dann zu analysieren gilt. Empfohlen wird der Einsatz in der Gruppen-, Partner*innen- und/oder Stationsarbeit, so dass neben dem reinen Erwerb von Wissen noch Sozialformen erlernt werden können.
Weiter gibt es einen vereinfachten Bogen, dessen Fragen aus Multiple-Choice-Fragen, Schätzfragen und Ein-Satz-Antworten bestehen. Die einzelnen Fragen werden bei richtiger Antwort mit unterschiedlicher Punktzahl belohnt, so dass am Ende 100 Punkte erreicht werden können. Dieses Angebot richtet sich eher an ein jüngeres Schulpublikum, lässt sich aber auch gut in der außerschulischen Bildungsarbeit einsetzen.
Die Fragebögen bieten den idealen Weg der Nachbearbeitung der Ausstellung. Noch während des Besuchs kann Wissen von den Schüler*innen selbstständig und nachhaltig erarbeitet werden. Durch die gestellten Aufgaben werden Reflexionen ebenso eingefordert wie Grundlagen zur weiteren Beschäftigung mit der Thematik gelegt.
Wie im Titel bereits erkennbar, erschien die Broschüre im Jahr 2014, pünktlich zum 100jährigen Jahrestag des Kriegsausbruches 1914. Im Gegensatz zur Ausstellung, die in sechs Themengebiete aufgeteilt wurde, gibt es hier eine Dreiteilung in Hintergrund, Unterricht und Anregungen.
Da die Broschüre auch unabhängig von der Ausstellung genutzt werden kann, wird unter Hintergrund noch einmal Überblickswissen zum Ersten Weltkrieg geboten. Michael Sauer fasst auf sieben Seiten „Verlauf, Wahrnehmung, Deutung“ (S.2) zusammen. Dabei geht Sauer größtenteils in kurzen, klar formulierten Absätzen sowohl auf die Ursachen des Krieges als auch auf die Stimmung in der Bevölkerung ein. Den Charakter des Krieges, der durch den Einsatz neuer Waffen und neuer Kampfformen verändert worden sei (S.5), beschreibt Michael Sauer dabei ebenso präzise wie die Mobilisierung der sogenannten Heimatfront. Mit der Erinnerung an den Krieg in den verschiedenen Nationen beschäftigt er sich nur kurz, jedoch aus einer vergleichenden Perspektive mit dem Schwerpunkt auf Deutschland, so dass auch dieser Abschnitt gewinnbringend für die geneigten Leser*innen ist.
Sehr interessant gestaltet sich der zweiseitige Appendix des Aufsatzes, der neben Literaturhinweisen und konkreten Lektüreempfehlungen für Lehrer*innen eine Betrachtung des Ersten Weltkrieges in der Geschichtswissenschaft enthält. Darin kann zum einen der Forschungsstand als auch die Forschungsgeschichte verfolgt werden. Sauer arbeitet sich dabei chronologisch voran und orientiert sich in der neueren Zeit an Jahrestagen. Da die Broschüre im Jahr 2014 erschienen ist, fehlen die aktuellen Veröffentlichungen aus eben diesem Jahr, auf die Sauer jedoch bereits vorausblickend verweist: „vermutlich werden entsprechende Publikationen zum hundertjährigen Jahrestag des Kriegsbeginns 2014 vermehrt zu erwarten sein.“ (S.9)
Der zweite Teil der Broschüre geht weg von der Theorie, hin zur Praxis. Hier werden sechs Unterthemen von unterschiedlichen Autor*innen für den Unterricht aufbereitet. Diese sind mit Hinweisen versehen, für welche Zielgruppe, zum Beispiel Sekundarstufe II, und welche Fächer, zum Beispiel Geschichte, Ethik, Politik, Englisch, die jeweiligen Themen gedacht sind. Diese werden mit einem kurzen Text eingeführt. So erläutert Meint Agena in der Unterrichtseinheit „Analysing Cultures of Remembrance. Erinnerungskulturen in Deutschland und Großbritannien vergleichen“ (S.28f), auf welche Art und Weise der Waffenstillstand am 11. November 1918 in England und Deutschland erinnert wird. Es werden erste Informationen zur britischen Erinnerungskultur gegeben, in denen etwa die Bedeutung des Klatschmohns („Poppy Appeal“) für diesen Tag erläutert wird. Den nationalen Narrativen und Ritualen werden die jeweils anderen gegenübergestellt. Dementsprechend gestalten sich auch die bereitgestellten Arbeitsaufträge und Leitfragen. Diese lauten zum Beispiel „Benenne die Anlässe und die Gründe für öffentliches Gedenken zum 11. November“ oder „Diskutiere verschiedene Formen und Meinungen des Gedenkens und Erinnerns“ (S.29). Die Aufgaben richten sich also nicht nur an die Bearbeitung des konkreten Ereignisses, sondern sollen zur Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur im Allgemeinen anregen. Um dies zu verdeutlichen, hat Agena vier Lernziele formuliert, in denen es unter anderem heißt: „Die Schülerinnen und Schüler kennen die öffentlich dominanten Erinnerungskulturen in Deutschland und Großbritannien; (S.31)“.
Um diese Ziele zu erreichen, gibt die Broschüre Materialhinweise an die Hand. Diese sind unterteilt in Erster Eindruck, Basiswissen und Vertiefung und können somit individuell auf das Niveau der Schüler*innen bzw. der Lerngruppen angepasst werden. Die Materialien sind dabei sowohl vom Volksbund als auch aus englischen und deutschen Medien oder auf Youtube verfügbar. Es wird also eine reiche Palette an Materialien ebenso geboten wie Ansätze, diese in der Bildungsarbeit einzubringen. Durch die klar formulierten Lernziele sowie didaktische Überlegungen zur praktischen Umsetzung ist der Abschnitt „Unterricht“ der Broschüre sehr praxisorientiert. Er kann bei der Gestaltung von Unterrichtseinheiten zum Ersten Weltkrieg äußerst hilfreich sein.
Zusätzliche „Anregungen“ bietet der dritte und letzte Block der Broschüre, der ebenso betitelt ist. Diese können vor allem als unterrichtsergänzend oder rein für die außerschulische Bildung betrachtet werden. Darunter finden sich die unterschiedlichsten Zugänge zum Thema Erster Weltkrieg, etwa über Jugendliteratur. Monika Rox-Helmer und Kerstin Wohne haben eine Übersicht von „Kriegserzählungen zwischen Fakten und Fiktion“ (S.51) zusammengestellt, die von allerseits bekannten literarischen Werken wie den „Roten Matrosen“ von Klaus Kordon bis hin zu „Feldpost für Pauline“ - eine fiktive Geschichte, die Vergangenheit und Gegenwart vermischt – reicht. Es wird zudem die Arbeit mit Kriegsgräbern vor Ort und die Möglichkeit von Klassenreisen zu „Museen, Monumente[n] und Kriegsgräberstätte[n]“ (S.53) noch einmal beworben.
Insgesamt ist „100 Jahre Erster Weltkrieg“ eine kompakte Broschüre, die Lehrer*innen viele Anregungen für die Gestaltung von Unterrichtseinheiten bietet, aber auch in der außerschulischen Bildung Impulse setzen kann. Insbesondere in Verbindung mit der Ausstellung „14/18 – Mitten in Europa“ kann so ein nachhaltiges Bild des Ersten Weltkrieges, seiner Folgen und den daraus zu ziehenden Lehren vermittelt werden.
Die Ausstellung inklusive der pädagogischen Handreichungen sind über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Bildungspaket „Erster Weltkrieg“ zu beziehen. Der zuständige Fachbereich ist unter schule [at] volksbund [dot] de erreichbar.