Beitrags-Autor: Ingolf Seidel Sie müssen angemeldet sein, um das Benutzerprofil zu sehen |
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Der ungewöhnliche Lernort „7xjung“ trägt den Untertitel: „Dein Trainingsplatz für Zusammenhalt und Respekt“. Ziel, Haltung und Gegenwartsbezug des Ortes sind damit explizit benannt. So übersetzt der Verein Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland die Grundprinzipien des Beutelsbacher Konsenses unmittelbar ins Heute.
Die Ausstellung 7xjung schildert menschliche Erfahrungen mit Unterdrückung, mit Antisemitismus, Diskriminierung und Ausgrenzung – und sie zeigt an Beispielen, dass jeder Mensch solidarisch, respektvoll und unterstützend handeln kann. Thema sind die Erfahrungen in der NS-Zeit, überwiegend im Deutschland der 1930er-Jahre. Doch es geht ebenso um das Heute – um unseren Umgang mit der Geschichte und vor allem um unsere Verantwortung in der gegenwärtigen Gesellschaft. Diese Verbindung durch die Zeiten macht 7xjung explizit. Dementsprechend ist 7xjung keine Geschichtsausstellung, sondern ein künstlerisch gestalteter Lernort, der sich an unterschiedlichste Besucherinnen und Besucher richtet.
7xjung erschreckt nicht, überredet nicht, überwältigt nicht. Vielmehr lädt der Lernort ein, er bietet an und eröffnet. „Die NS-Verbrechen“, also: das Schreckliche und Schrecklichste, das Menschen anderen Menschen in den 1930er und 1940er-Jahren angetan haben, sind hier nicht sichtbar: Nicht auf den ersten Blick, und auch kaum auf den zweiten. Aber 7xjung erzählt im Film, wie die 10-jährige Marion ihre Freundin Christine verloren hat. Marion ist Jüdin, Christine Christin. Eine Rauminstallation illustriert, was Robert wohl erlebt haben muss, als am 10.11.1938 sein Elternhaus brutal durchsucht wurde. Das Schlimme überwältigt nicht, dennoch wird es spürbar und berührt viele Besucher.
Vielfalt ist eines der grundlegenden Gestaltungsprinzipien von 7xjung, schon die „7“ im Titel steht dafür ein. Die Objekte und Kunstwerke in der Ausstellung zeigen eine große Bandbreite unterschiedlicher Haltungen, Perspektiven und Erfahrungen. Trage ich zur Diskriminierung anderer bei, versuche ich unbeteiligt zu bleiben oder greife ich ein? Wenn ich betroffen bin, wie kann ich reagieren? Die Ausstellung schildert unterschiedliche Haltungen zu Widerstand, Flucht und Solidarität. Aber auch die Vielfalt sozialer Kontexte, religiös-weltanschaulicher Bindungen oder nationaler Familiengeschichten ist präsent, auf historischer wie auf gegenwärtiger Ebene.
7xjung übersetzt die genannten Themen und Erfahrungen in die Lebens- und Alltagswelt heutiger Jugendlicher. Sieben gestaltete Räume bieten den Rahmen: MEINE FAMILIE, MEIN ZIMMER, MEIN LADEN, MEINE PAPIERE, MEIN SPORT, MEINE STADT und MEINE MUSIK. Räume, die jeder kennt, die alltäglich sind – und die zugleich den 1930ern entlehnt sein können. Ausgestattet sind sie mit Gegenständen von heute – Parkbank, Kuschelkissen und Café-Tisch. Ausstellungsobjekte verdichten die Übersetzung zwischen den Zeiten: Das zerstörte Zimmer, das verbotene Telefon und die Hula-Hoop-Reifen sind offensichtlich von heute, sind nicht „alt“. So tragen sie die Geschichten von damals in unsere Lebensrealität.
Schulklassen und Jugendgruppen erleben 7xjung in angeleiteten Workshops. Pädagogisches Anliegen ist dabei, in den Besuchsgruppen einen intensiven Austausch über die Themen der Ausstellung zu fördern. Auch um dafür ein Mindestmaß an Zeit zur Verfügung zu haben, dauern unsere 7xjung-Workshops in der Regel mindestens vier Stunden. Die Aktivitäten finden in Gruppengrößen von etwa zehn bis zwölf (maximal fünfzehn) Personen statt; größere Gruppen teilen wir entsprechend auf. Die Ausstellung als pädagogischer Raum ist jeweils vollständig für eine Klasse reserviert.
Die Veranstaltungen sind auf die maximale Mitwirkung der Besucher angelegt. Daher stellen wir das Workshop-Programm für jede Gruppe neu zusammen. Dabei berücksichtigen wir unter anderem das Alter der Jugendlichen, spezifische (Fach-)Interessen der anmeldenden Lehrer und die Gruppenzusammensetzung. Innerhalb des Workshops werden in den gestalteten Räumen vielfältige Methoden genutzt, die vor allem aus der Kulturpädagogik, der Spiel- und Theaterpädagogik kommen.
So wird 7xjung zu einem Ort, der sehr unterschiedlichen Menschen auf verschiedensten Lernniveaus zugänglich ist. Viele Exponate bieten differenzierte Vertiefungsmöglichkeiten, je nachdem mit welchen Perspektiven und Kenntnissen Besucherinnen und Besucher an sie herantreten. Im Kern geht es um Optionen menschlichen Handelns. Damit verbindet 7xjung historische Themen mit Grundfragen sozialen Zusammenlebens, mit unserem Alltag in der Demokratie. Im Vordergrund steht nicht Faktenwissen, sondern die soziale Komponente im Umgang miteinander.
„EVERYBODY CAN BE A CHANGE AGENT“ ist über dem Ausgang zu lesen. Jeder und jede kann etwas beitragen zu einem positiven, menschlichen Miteinander – mit dieser Botschaft verabschiedet 7xjung seine Besucherinnen und Besucher. Diesem Aufruf in der Gegenwart entspricht auf der geschichtlichen Ebene, dass Ziel und Anliegen von 7xjung das Verstehen historischer Ereignisse als menschliche Erfahrungen sind und nicht historisches Lernen im engeren Sinne.
Kurz gesagt geht es also um den Zusammenhang von Geschichtsbewusstsein und Demokratiebewusstsein.
Beide Themen sollten jedem zugänglich sein. Kunstwerke eröffnen in 7xjung die Möglichkeit, darüber ins Gespräch zu kommen. Mit Kunst kann man niemanden überfordern – diese Grundannahme wird uns täglich bestätigt. Das Erscheinungsbild von 7xjung ist von Farbigkeit und Unterschieden geprägt – nicht von langen, womöglich schwierigen Texten. Vielfalt ist bewusst Teil der Inszenierung und spiegelt positiv die Diversität unserer Gesellschaft.
Eine „Turnhalle“ und ein „Wohnzimmer“ überraschen die Besucher. Dass sie sich hier wirklich bewegen dürfen, dass das Lümmeln auf den Kissen tatsächlich erlaubt ist – das nimmt viele Jugendliche für den Ort ein und trägt dazu bei, dass ein persönliches, ehrliches Gespräch entsteht. Das gilt ebenso für obere Grundschulklassen wie für Sekundarschülerinnen und -schüler, für Oberstufengruppen, Berufsschulklassen und Schulverweigerer-Projekte.
„Man sieht, dass Sie das hier für Jugendliche gemacht haben“, so oder ähnlich bringen junge Besucherinnen und Besucher immer wieder ihre Anerkennung für 7xjung zum Ausdruck. Das ist nicht nur ein schönes Kompliment, sondern bestätigt den Zusammenhang zwischen dem pädagogischen Programm und der wertschätzenden Lernumgebung 7xjung.
Für Einzelbesucher geöffnet: Mittwochs 14-18 Uhr
Workshops nach Anmeldung
Die hier beschriebenen Workshops sind Teil des Projekts „Wir sind Ihr seid Uns werden Alle“, gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN“ durch das BMFSFJ und mit Unterstützung der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.