APuZ - Ausgabe 43/2011 zum Thema "50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei"
Das "Wirtschaftswunder" in den 1950er und frühen 1960er Jahren veränderte die Bundesrepublik Deutschland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich. Mit dem Wachstum und der Abriegelung der innerdeutschen Grenze entstand ein derart starker Arbeitskräftebedarf, dass Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben werden mussten. Die damals gebräuchliche Bezeichnung "Gastarbeiter" drückte die Vorstellung aus, dass die Arbeitskräfte eines Tages wieder in ihre Heimatländer zurückkehren würden, weshalb weder sie noch staatliche Stellen Integrationsstrategien entwickelten.
Die Spätfolgen des damaligen Versäumnisses, Arbeitskräfte nicht als Mitbürgerinnen und Mitbürger "mitgedacht" zu haben, treten mittlerweile offener zutage: Der Ausbau und die Anpassung öffentlicher Einrichtungen wie der kommunalen Infrastruktur oder auch die Neufassung des "gesellschaftlichen Wir" wurden lange Jahre vernachlässigt. Die gesellschaftlichen Strukturen in Deutschland waren auf Verschiedenheit nicht ausgelegt. Das belastet bis heute das soziale Klima. Diese Versäumnisse gilt es, nachzuholen, um die Potenziale einer Einwanderungsgesellschaft freizusetzen.
Beiträge der APuZ-Ausgabe "50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei":
Haci-Halil Uslucan: Wie fremd sind uns "die Türken"?
Der Beitrag geht der Frage nach, wie die Fremdheit "der Türken" diskursiv konstruiert wird. Eine Studie über Wertedivergenzen zeigt, dass die unterstellte "Parallelwertewelt" zwischen Türkeistämmigen und Deutschen überzogen ist.
Stefan Luft: Skandal und Konflikt: Deutsch-türkische Themen
Deutsch-türkische Themen waren stets von Skandalisierungen geprägt. Diese verstellten den Blick auf die Mechanismen von Integrationsprozessen. Es gilt, Probleme anzusprechen, Fortschritte und Chancen wahrzunehmen.
Jan Hanrath: Vielfalt der türkeistämmigen Bevölkerung
Obwohl die türkeistämmige Bevölkerung in Deutschland sehr heterogen ist, wird sie häufig als geschlossene Gruppe wahrgenommen. Ihre Vielfalt wird anhand der Migrationsgeschichte sowie an Intragruppenkonflikten verdeutlicht.
Aysel Yollu-Tok: Türkeistämmige auf dem sich wandelnden Arbeitsmarkt
Auch nach 50 Jahren zeigt sich eine Pfadabhängigkeit bei der Arbeitsmarktintegration von Türkeistämmigen. Zurückzuführen ist das auf die ?Vererbung? von Bildungsnachteilen und auf die Segmentation des Arbeitsmarkts.
Sven Rahner: Fachkräftebedarf und Zuwanderung
Der demografische Wandel und ein steigender Fachkräftebedarf sind Herausforderungen. Folgerungen aus 130 Jahren Migrationsgeschichte geben Aufschluss über die Chancen einer langfristig angelegten, ressortübergreifenden Politik.
Christoph Reinprecht: Verwundbarkeit des Alterns in der Migration
Familialismus und transnationale Lebensführung, Randständigkeit und Mehrfachzugehörigkeit, Rückzug und soziales Teilhabebedürfnis: Lebensrealitäten der türkeistämmigen älteren Bevölkerung entziehen sich gängigen Klischeebildern.
Helen Baykara-Krumme · Daniela Klaus · Anja Steinbach: Eltern-Kind-Beziehungen in Einwandererfamilien
Der Beitrag befasst sich mit den Generationenbeziehungen in türkeistämmigen Familien in Deutschland. Sie werden vor dem Hintergrund der Solidaritäts- und Konfliktthese zur Bedeutung des Migrationshintergrunds diskutiert.
Paul Mecheril: Wirklichkeit schaffen: Integration als Dispositiv
Integration und Migration sind Vokabeln, die im öffentlichen Diskurs zusammengehören. Der Beitrag offeriert eine Lesart, die Integration als Reaktion darauf versteht, dass das Phantasma des natio-ethno-kulturellen ?Wir? in eine Krise geraten ist.
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- 10 Feb 2014 - 16:02