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Texte zur Zukunft der Erinnerung in Deutschland

Von Markus Nesselrodt

Die vorliegende Ausgabe von „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ, 25-26/2010) beschäftigt sich mit der Frage nach der „Zukunft der Erinnerung“. In sieben Aufsätzen widmen sich Wissenschaftler/innen und Praktiker zahlreichen Aspekten der deutschen Erinnerungs- und Gedenkkultur.

In seinem Vorwort bringt Hans-Georg Golz die zentralen Fragen der Ausgabe auf den Punkt: Wie kann an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft in Zukunft erinnert werden und welchem Zweck in der Gegenwart soll historisches Lernen an die Verbrechen des 20. Jahrhunderts dienen? Golz plädiert für eine Neubestimmung der erinnerungskulturellen Praxis, die sich an die demokratische Zivilgesellschaft richtet und deren Fähigkeit schult, sensibel auf demokratiegefährdende Entwicklungen in der Gegenwart zu reagieren.

Der Hamburger Literaturwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma fragt in seinem Aufsatz nach dem Zweck von Gedenkstätten. Seit den 1980er Jahren sind Gedenkstätten ein anerkannter Sektor der deutschen Kulturpolitik. Heute laute die Frage deshalb nicht mehr, ob wir Gedenkstätten benötigen, sondern wie deren Arbeit immer wieder aufs Neue gestaltet werden müsse. Für Reemtsma steht hierbei das Verhältnis von Erinnern und Vergessen im Vordergrund. In Gedenkstätten, als Orten der Dokumentation wie des Gedenkens, müsse ein „Bewusstsein von der Fragilität unserer Zivilisation“ gefördert werden, so der Autor.

Auch Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, stellt sich die Frage nach einer zeitgemäßen Erinnerungspolitik. Er kritisiert die politische Vereinnahmung der Erinnerung, die ritualisierten Gedenkformen und die mangelnde Ermutigung zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. Zudem weist Knigge darauf hin, dass es eine große Diskrepanz gebe zwischen der modernen Gedenkstättenarbeit und der offiziellen Erinnerungskultur. Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus erfordere Wissen, damit es nicht zu einer vordergründigen Betroffenheit oder politischen Manipulation komme. Um dem vorzubeugen plädiert Knigge für „Erinnerung, verstanden als Metapher für die kritische, handlungsorientierte Auseinandersetzung mit den negativen Horizonten der eigenen Geschichte“.

Dem Phänomen des „Virtuellen Erinnerns“ widmet sich Dörte Hein, Referentin für Forschung und Medienkompetenz, in ihrem Beitrag. Die NS-Vergangenheit sei sowohl hinsichtlich der Polarisierung, der Debatten (bspw. Goldhagen, Walser, Wehrmachtsausstellung, Holocaust Denkmal usw.) als auch der erforderlichen Sensibilität mit keinem anderen Thema der deutschen Erinnerungskultur vergleichbar, so die Autorin. Nicht erst mit dem Ende der unmittelbaren Zeitzeugenschaft wird deutlich, welche wichtige Rolle die kulturelle und mediale Vermittlung der NS-Geschichte spielt. Das Internet als Ort der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit hat sich besonders für die junge Generation längst etabliert. Daher steht die historisch-politische Bildung im Netz vor der Herausforderung, die Vermittlung von Geschichte an das Mediennutzungsverhalten der Nutzer/innen anzupassen.

In weiteren Artikeln wird die Gegenwarts- und Zukunftsorientierung der Erinnerung betont (Harald Welzer), Ergebnisse empirischer Untersuchungen zum historischen Lernen in heterogen zusammengesetzten Schulklassen vorgestellt (Carlos Kölbl), der Frage nach einem ausgewogenen Erinnern an die DDR nachgegangen (Thomas Großbölting) und abschließend für mehr Lernen mit Biografien geworben (Tobias Winstel).

Es gelingt der vorliegenden APuZ-Ausgabe gleichzeitig einen reflektierten Überblick über die hochgradig ausdifferenzierte Erinnerungslandschaft in Deutschland zu geben und Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. Besonders letzteres könnte Lehrkräften und Aktiven in der Bildungsarbeit wertvolle Inspirationen liefern.

Sie finden das Heft „Zukunft der Erinnerung“ auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung zum kostenlosen Download.

 

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