Von Annegret Ehmann
Es scheint, als bekäme das Thema Kolonialismus allmählich Konjunktur. Seit 2001 publiziert der Chr. Links Verlag in Berlin eine populärwissenschaftlich gehaltene Buchreihe zur Kolonialgeschichte, die inzwischen auch um eine wissenschaftliche Studienreihe erweitert wurde. Hier erschien 2008 auch der sehr empfehlenswerte, aufklärende Bildband „Bilderschule der Herrenmenschen“ von Joachim Zeller.
In der gängigen Geschichtsschreibung, in Schulbüchern und TV-Dokumentationen über den europäischen Imperialismus und Kolonialismus dominiert in Texten und Bildern noch immer die eurozentrische Sicht. Damit wird zugleich, bewusst oder unbewusst, weiterhin ein rassistischer Blick auf die außereuropäische Welt transportiert. Der Vorspann des unlängst gesendeten ZDF-Dreiteilers "Das Weltreich der Deutschen" machte klar, dass das kaiserliche Kolonialreich nicht etwa politisch-historisch korrekt dargestellt werden sollte, sondern man vor allem auf exotische Bilder und Dramatik setzte. Mit "Blutige Konflikte wüten in den deutschen Kolonien" wurde die Erschießung eines Afrikaners durch einen deutschen Schutztruppensoldat kommentiert.
In Schulbüchern werden zur Illustration gerne koloniale Reklamesammelbilder oder Plakate verwendet, ohne dass ihre zeitgebundene politisch-ideologische Funktion offengelegt wird. Auf einem Werbebild für eine Schokoladenfirma werden z.B. unter der Überschrift "Herero-Aufstand in Deutsch-Südwest-Afrika" deutsche Siedler als Opfer eines Überfalls „wilder Eingeborener“ dargestellt.
Der Historiker und Experte für deutsche Kolonialgeschichte, Joachim Zeller, hat Hunderte solcher damals sehr populären Sammelbilder aus Reklameserien für Seife, Schuhcreme, Kaffee, Palminfett oder Liebig’s Fleischextrakt thematisch in einem Bildband zusammengestellt und analysiert. Die Bilder geben einen Einblick in die klischee-haften Projektionen, Phantasien und einseitigen Geschichtsbilder der „weißen“ Europäer, in denen der Andere nicht zu Wort kommt. Im Zentrum des Bandes steht das Afrikabild, das Bild von Menschen afrikanischer Herkunft, das rassistische Zerrbild.
Der Autor möchte damit dem noch weit verbreiteten Gedächtnisschwund bezüglich der deutschen Kolonialgeschichte und ihren Verbrechen sowie den bis heute reichenden Kontinuitäten von Stereotypen des „Fremden“ entgegenwirken. Abgestritten wird z.B. von Kolonialhistorikern noch immer der starke Einfluss des kolonialen Rassismus auf die NS-Rassen- und Bevölkerungspolitik auf Grund der behaupteten „Präzedenzlosigkeit“ des Holocaust. Genaueres Hinschauen ist hier anzuraten. Dazu kann auch dieser Bildband einen Beitrag leisten.
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- 12 Mai 2010 - 15:08