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Afrika in Berlin

Von Lisa Just

Ausgangspunkt des Spaziergangs ist das Deutsche Historische Museum selbst. In seiner Sammlung findet sich einGemälde eines der letzten Schwarzen preußischen Militärmusiker, Gustav Sabac el Cher, der am 10. März 1868 in Berlin geboren wurde. Seinen Vater, August Sabac el Cher, hatte Prinz Albrecht als Kind von einer Ägyptenreise nach Berlin verschleppt.

Anhand Gustav Sabac el Chers Lebensgeschichte im Berlin des 19. und 20. Jahrhunderts lässt sich deutsche Geschichte aus einer kaum beachteten Perspektive beleuchten. Der Vergleich der Darstellung Gustav Sabac el Chers auf dem Gemälde von Emil Doerstling mit einer späteren fotographischen Aufnahme von ihm zeigt Anknüpfungspunkte auf, um klischeehafte Darstellungsweisen von Afrikanern zu analysieren. Denn das Gemälde bildet El Cher wesentlich dunkler ab, als das Foto ihn zeigt. Auch seine Gesichtszüge sind im Gegensatz zum Portrait seiner ihn umarmenden Verlobten grob und wenig individuell - im Vergleich zur Fotografie ist er darauf kaum zu erkennen.

Viele der kolonialgeschichtlichen Erinnerungsorte in Berlin existieren heute nicht mehr, zumindest sind an ihrer Stelle oft keine Anhaltspunkte mehr zu finden. Das kann problematisch sein, wenn Schülerinnen und Schüler eine klassische Ortsbegehung erwarten. Andererseits verweist dieser Umstand auf Lücken nicht nur im realen Stadtbild, sondern auch in der deutschen Erinnerungskultur.

Eine weitere Station befindet sich in der Dorotheenstr. 7, dem damaligen Seminar für Orientalische Sprachen. Das Gebäude steht heute allerdings nicht mehr. Es war 1887 gegründet worden, um Kolonialbeamte, Offiziere der Schutztruppe und Handelsreisende auf ihren Einsatz in den Kolonien vorzubereiten. Außerdem wurden den Studenten praktische Kenntnisse wie „Tropenhygiene“, Kolonialrecht, Geographie und Geschichte der jeweiligen Kolonie vermittelt.

Einer der Sprachlektoren am Seminar für Orientalische Sprachen war Amur bin Nasur il Omeiri. Er schilderte den Berliner Alltag im späten 19. Jahrhundert aus der Sicht eines Afrikaners und schrieb seine Beobachtungen auf Kisuaheli nieder.
Ungefähr dreißig Jahre nach Amur bin Nasur ilOmeiri begann der Ostafrikaner Bayume Muhammed Hussein am Seminar für Orientalische Sprachen zu arbeiten. Parallel zu seiner Arbeit an der Sprachschule arbeitete Mohamed Husen, so lautete der Eintrag in seinen deutschen Pass, den er 1929 erhielt, als Komparse für verschiedene Kolonialfilme der Nationalsozialisten. Im Jahr 1941 wurde er von der Gestapo wegen angeblicher „Rassenschande“ verhaftet und starb im November 1944 im KZ Sachsenhausen.

Die nächste Station des Spaziergangs ist die Mohrenstraße, nach der auch eine U-Bahnstation benannt ist. Sie wurde nach den afrikanischen Heeresmusikern in der preußischen Armee benannt, die dort eine eigene Kaserne bewohnten. Einer der letzten dieser Heeresmusiker war der eingangs vorgestellte Gustav Sabac el Cher.

Außerdem werden das Oberkommando der sogenannten Schutztruppe, also des deutschen Kolonialmilitärs in der Mauerstraße, die böhmisch-lutherische Bethlehemskirche, seit 1800 Herberge eines Missionsseminars vorgestellt. An der Stelle der Kirche findet man heute nur noch ihre in den Boden eingelegten Umrisse.

Symbolisch bedeutsam für die deutsche Kolonialgeschichte war das Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße 77. Denn dort fand 1884/85 die „Berliner-Konferenz“ statt. Das Gebäude existiert nicht mehr, aber eine 2009 errichtete Gedenktafel erinnert an die Bedeutung des Ortes.

Eine weitere wichtige Station in der Wilhelmstraße war das Reichskolonialamt, das auch nicht mehr erhalten ist. Während des deutschen Kaiserreichs war dort die oberste Zentralstelle für die Verwaltung der Kolonien untergebracht. Als „Hottentottenwahlen“ gingen die Reichstagswahlen im Jahr 1906/07 in die Geschichte ein, nachdem die Reichsregierung einen Nachtragshaushalt zur Unterstützung der Kolonialtruppen in Deutsch-Südwestafrika und für den Bau einer Eisenbahn gefordert hatte. Der Antrag wurde abgelehnt und der Reichstag aufgelöst. Als Ort der Austragung dieser politischen Zwistigkeiten zwischen Kolonialgegnern und –befürwortern wurde der Reichstag als Station in den Spaziergang mit aufgenommen.

Der Ort der deutschen Colonial-Ausstellung von 1896 im Treptower Park ist die nächste Station des Rundganges. Für sie hatte man am Karpfenteich im Treptower Park ein sogenanntes „Negerdorf“ aufgebaut. Die Aufgabe der über 100 Afrikaner bestand darin, sich, in exotische Kostüme gekleidet, sieben Monate lang von morgens bis abends von den faszinierten Ausstellungsbesuchern anstarren zu lassen. Zu den besonderen Aufgaben gehörte die Vorführung einer „Herero- und Hottentotten-Karawane“.

Der Spaziergang wird am Beispiel des 1899 entstandenen „Afrikanischen Viertels“ in Berlin-Wedding durch Material zu Straßennamensgebern, die mit deutscher Kolonialgeschichte verbunden sind, erweitert. Das DHM hat biographische Informationen zu den Namensgebern versammelt, eine methodische Aufarbeitung des Materials fehlt aber.

Das dortige mehr oder weniger unbebaute Gelände wollte der Hamburger Tierparkbesitzer Carl Hagenbeck ursprünglich in einen exotischen Park verwandeln und neben afrikanischen Tieren auch afrikanische Menschen vorführen. Die Pläne scheiterten, trotzdem erhielten zu Beginn des 20. Jahrhunderts umliegende Straßen Namen mit Afrika-Bezug: 1902 erhielt die "Lüderitzstraße" ihren Namen, 1906 die "Afrikanische Straße", 1910 die "Swakopmunder Straße", 1910 die "Windhuker Straße", 1911 die "Otawistraße". Auch nach dem Ersten Weltkrieg, als Deutschland keine Kolonien mehr besaß, wurden dort Straßen nach ehemaligen Kolonien benannt: 1927 entstanden die "Sambesi-", "Duala-", "Uganda-" und "Tangastraße". 1939 benannte man eine Allee nach dem Kolonialpolitiker und Unternehmer Carl Peters, im Volksmund wegen seines brutalen und rücksichtslosen Vorgehens in Ostafrika auch "Hänge-Peters“ genannt. Erst 1986 wurde diese Straße auf Drängen der Anwohner und engagierter Berliner umgewidmet – sie heißt heute nach dem CDU-Politiker Hans Peters, der mit Carl Peters nicht verwandt ist.

Die einzelnen Beiträge zu den Stationen können im PDF-Format gespeichert und ausgedruckt werden. Hilfreich wäre eine Verortung der einzelnen Stationen auf einem Übersichtsplan gewesen, nicht nur um die Zentralität der Orte sichtbar zu machen. Hilfreich wären sicherlich auch methodische Anregungen für diese Spurensuche gewesen. Dennoch bietet das Material inhaltlich gute Anknüpfungspunkte für eigene lokale Spurensucheprojekte in anderen deutschen Städten.

Zum Stadtspaziergang.
Zu den Straßennamen im „Afrikanischen Viertel“.

 

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