Zur Vertiefung

Frauenhandel

Peter G. Kirchschläger und Thomas Kirchschläger, arbeiten als Co-Leitung am Zentrum für Menschenrechtsbildung (ZMRB) der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz Luzern (PHZ Luzern).
Von Peter G. Kirchschläger und Thomas Kirchschläger

Frauenhandel stellt eine höchst aktuelle Realität im deutschsprachigen Raum dar und kann als eine moderne Form der Sklaverei betrachtet werden. Angehende und aktive Lehrpersonen sowie Pädagoginnen und Pädagogen der außerschulischen Bildung sollten sich einige Grundkenntnisse über dieses Problem erarbeiten. Zudem sollten sie Möglichkeiten der Vermittlung für die jeweilige Zielgruppe kennen lernen.

Im Zuge der Menschenrechtsbildung in Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Beschäftigung mit der Thematik der Sklaverei auf dieses gegenwärtig weit verbreitete Phänomen einzugehen. Ausgangspunkt einer derartigen Auseinandersetzung kann z. B. ein kurzes Zeugnis einer ehemaligen Direktbetroffenen sein. Oder ein Gespräch mit einer Menschenrechtsaktivistin oder eines Menschenrechtsaktivisten, die Opfer von Frauenhandel unterstützen und beraten, bildet einen Anknüpfungspunkt.

Ein direktes Gespräch oder eine Filmsequenz können Betroffenheit auslösen und dazu führen, dass Sklaverei nicht mehr als mittlerweile gelöstes Problem der Vergangenheit betrachtet wird. Dies kann bei den Studierenden zu einer individuellen Öffnung für die thematische Vertiefung führen. Ein wichtiger Grundsatz der Menschenrechtsbildung liegt diesem Einstieg zugrunde, nämlich mit der Vermittlung möglichst im Kontext der Adressatinnen und Adressaten zu beginnen.

Nach diesem Einstieg folgt eine Phase der Verallgemeinerung bzw. Einbettung in den heutigen Kontext: Das individuelle Schicksal bzw. Engagement wird in einen grösseren Rahmen gesetzt. Dabei wird offensichtlich, dass es sich bei dem Wahrgenommenen nicht um eine Ausnahme handelt. Die Zahlen sprechen für sich. Dank der sorgfältigen Arbeit von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen liegen exakte Daten vor, die z. T. bereits in direkt einsetzbare Bildungsdossiers aufgearbeitet sind. Das Kennenlernen dieser bereitstehenden Unterrichtsmaterialien senkt die Hürde für angehende Lehrpersonen, sich dieses schwierigen und traurigen Themas anzunehmen. Sie merken, dass sie bei dieser Aufgabe nicht auf sich allein gestellt sind.

Gerade die Gegenüberstellung von Fakten über die Ausmaße des Frauenhandels im jeweiligen Land, regional und international, eine Sensibilisierung für ein Fehlen von Beratungsinstitutionen und Aufklärung über die ungenügende rechtliche Situation von versklavten Frauen können bewirken, dass die Notwendigkeit von Wandel aus einer menschenrechtlichen Perspektive erkannt wird. Eine Analyse der Situation basierend auf den Menschenrechten unterstützt diesen Prozess und gibt ihm einen Referenzrahmen. Auch wird ein Prinzip der Menschenrechtsbildung in die Tat umgesetzt: Der Menschenrechtsbezug des behandelten Themas wird explizit gemacht.

Schließlich steht der Versuch an, sich selbst gegenüber dieser Notwendigkeit des Wandels zu verorten und selbst Stellung zu beziehen. Auch hier geben die Menschenrechte ein Fundament vor: Zum einen können wir diese Rechte für uns selbst in Anspruch nehmen. Zum anderen stehen wir auch in der Verantwortung, unseren Beitrag zur Durchsetzung der Menschenrechte von anderen zu leisten. Im Zuge dieser Hinterfragung, die wir in Kleingruppenarbeit (2-3 Personen) vorsehen, besteht die Herausforderung, dass Gefühle von Ohnmacht aufkommen. Auf Aussagen wie „an dieser traurigen Realität kann ich eh nichts ändern“ gilt es einzugehen. Grundsätzlich kann eine mögliche Antwort sein, dass die Durchsetzung der Menschenrechte generell bzw. der Wandel einer inakzeptablen Realität, wie sie der Frauenhandel darstellt, von unser aller Handeln abhängt. Ein historischer Rückblick auf individuelles Engagement, das zu unvorstellbaren gesellschaftlichen Wandelprozessen führte, kann hier hilfreich sein. Unabdingbar erweist sich jedoch, konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen, wie die Studierenden selbst zu einem Wandel beitragen können.

Diese Handlungsoptionen bewegen sich auf zwei Ebenen: Die erste Ebene bildet ihr zukünftiges Berufsfeld, wo sie als Lehrpersonen, stufengerecht angepasst, die Auseinandersetzung mit der Thematik „Frauenhandel“ ermöglichen. Die zweite Ebene umfasst Optionen für ein konkretes Engagement, die Menschenrechtsorganisationen vor Ort aufzeigen. Dazu können die Sammlung von Unterschriften, Briefaktionen an die politischen Verantwortlichen, etc. zählen. Auf dieser Ebene kann aufgezeigt werden, welches Potential der Gang zu gezielten Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in Gesellschaft und Politik bietet und welche Chance der Gang an die Öffentlichkeit hat.

Die Thematisierung von Handlungsoptionen ist aus zwei Gründen unabdingbar: Werden die Studierenden in ihrem Ohnmachtsgefühl allein gelassen bzw. belassen, kann sich dies kontraproduktiv auswirken und zu Indifferenz führen. Des Weiteren gehört zur Menschenrechtsbildung auch das Bemühen, konkretes Handeln für die Verbesserung der Menschenrechtssituation auszulösen.

In der Schweiz hat kürzlich das Parlament mit einer Stimme Differenz eine Verbesserung der rechtlichen Situation von Opfern von Frauenhandel abgelehnt. Vielleicht kann ein solcher Abstimmungsausgang dank eines Bildungsfortschritts in Zukunft vermieden werden.

Diese Ausführungen beruhen auf Lehrveranstaltungen, die im Zuge der Menschenrechtsbildung in der Ausbildung von angehenden Lehrpersonen an der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz Luzern (PHZ Luzern) zum Thema „Frauenhandel“ durchgeführt worden sind.

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