Spielfilme zum Holocaust
Von Ingolf Seidel
Das Buch "Holocaust-Spielfilme im Unterricht" ist eines der Schätze, auf die man bei der Suche nach empfehlenswerten Materialien eher zufällig stoßen kann. Der Autor Tilo Werner geht einleitend von der Überlegung aus, dass Geschichtsbewusstsein von Schülerinnen und Schülern vorwiegend außerschulisch und medial geprägt wird. Dokumentar- und Spielfilme gehören in den Fundus der Medien, die bereits die Geschichtsbilder prägen, bevor der Unterricht überhaupt einsetzen kann.
Vor diesem Hintergrund widmet sich das vorliegende Buch dem Einsatz von ausgewählten Spielfilmen im Unterricht. Dabei verliert der Autor nicht die kritische Distanz zum Medium. Er macht darauf aufmerksam, dass Spielfilme im historischen Lernen zwar für das Wecken von Empathie besonders geeignet sind. Auf der anderen Seite drohe aber ein Verlust an kognitiv-rationalen Elementen im Lernen. Es bestehe das Risiko der Überwältigung durch „die vielen Eindrücke, die simultan verarbeitet werden müssen“ (S. 18) und durch die „Gefahr der Reduktion des kritischen Bewusstseins“ (S. 19) bei der Verwendung von Geschichtsspielfilmen.
Die Problematik, die Werner allgemein für den Einsatz von Spielfilmen beschreibt, gilt besonders für den spezifischen Charakter von Spielfilmen über den Nationalsozialismus und den Holocaust. Dementsprechend nachdenklich schließt das Kapitel über "Filme als Medium des Geschichtsunterrichts" mit Anmerkungen über ein zunehmend sinnentleertes Zitieren des Holocaust in Nicht-Holocaust-Filmen wie Chicken Run oder der Comicverfilmung X-Men. Zudem findet sich ein wichtiger Hinweis auf die hoch problematische Tendenz, auch im Medium Film, zunehmend Deutsche in das Kollektiv der Opfer zu integrieren.
Das Kernstück des vorliegenden Bandes bilden allgemeine didaktische Überlegungen und schließlich die Unterkapitel zum Einsatz der im Buchtitel genannten Spielfilme. Im Hinblick auf die Lernziele über den Holocaust im Geschichtsunterricht orientiert sich Tilo Werner im Wesentlichen an den schon älteren, nichtsdestotrotz aktuellen, Anregungen von Ido Abraham und Matthias Heyl in "Thema Holocaust. Ein Buch für die Schule".
Zu den Zielen gehört das Erkennen der NS-Ideologie, Wissen über die Struktur der Vernichtung, biografische Vermittlung der Ereignisgeschichte und die Erkenntnis, dass Juden nicht nur Opfer, sondern auch widerständige Individuen waren. Die allgemeinen didaktischen Überlegungen erschöpfen sich nicht in Hinweisen auf die inhaltliche Arbeit. Der Autor macht konkrete Vorschläge zu filmtechnischen Beobachtungsaufträgen und filmanalytischen Vertiefungen, die sich leicht in Arbeitsaufgaben umsetzen lassen und gibt Hinweise für die Arbeit über den Film hinaus. Dazu gehören unter anderem Vertiefungen durch Regionalbezüge, Experteninterviews, Exkursionen oder Präsentationen.
Die aufgenommenen Filme sind in zwei Kategorien unterteilt: In Tragödien wie "Schindlers Liste", "Der Pianist", "Drei Tage im April" und in Komödien, zu denen "Das Leben ist schön" und "Zug des Lebens" gehören. Neben ausführlichen Informationen über den Inhalt der Filme, die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte finden sich kritische Würdigungen der einzelnen Werke und Beispiele für mögliche Unterrichtseinheiten.
Im Quellenverzeichnis werden Bezugsmöglichkeiten der Filme, die, bis auf "Drei Tage im April", auf DVD erhältlich sind sowie Hinweise zu vertiefenden Materialien angegeben. Einen besonderen Service stellen die Sequenzprotokolle zu den Filmen im Anhang dar, die eine quellenanalytische Herangehensweise erleichtern. Abgerundet wird die sehr empfehlenswerte Arbeit von Tilo Werner durch eine Filmographie weiterer Holocaust-Spielfilme, die sich am Lexikon des Internationalen Films orientiert.
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- 20 Jan 2010 - 13:37