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Eckdaten
Ort/Bundesland: Schleswig-Holstein |
Bibliografie
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Projekt Kontakt
Matthias Isecke-Vogelsang Am Schulzentrum 3 D-23701 Süsel |
Konzept
Um manifeste Lernerfolge zu gewährleisten und den Jugendlichen ethisch-politische Normen für die Gegenwart und Zukunft zu vermitteln, sollte das Thema "Nationalsozialismus" nicht nur im Geschichtsunterricht, sondern auch in anderen Fächern, wie zum Beispiel im Deutschunterricht, behandelt werden. Für eine 9. Hauptschulklasse habe ich zu diesem Zweck verschiedene Texte ausgesucht und bearbeite diese zusammen mit den Schülerinnen und Schülern in zwei bis drei Deutschstunden.
Kurzinformationen zu den Texten
- Die Kurzgeschichte "Saisonbeginn" von Elisabeth Langgässer (1899-1950) stellt einen literarischen Höhepunkt dieser Textgattung dar. Die Autorin, die als Halbjüdin Berufsverbot erhielt, steuert zielstrebig auf das Ende des Textes zu, das für den Leser nicht vorherzusehen ist. Die am Anfang stehende Diskriminierung der Juden, die schon weitere Maßnahmen ahnen läßt, wird an einer "alltäglichen" Begebenheit eines Kurortes geschildert.
- Ein weiterer Text ist ein Auszug aus einer historischen Quelle. Sie entstammt dem Protokoll der Wannsee-Konferenz, auf der im Januar 1942 unter der Leitung des Chefs des Reichssicherheitshauptamtes Reinhard Heydrich die "Vernichtung" des europäischen Judentums besprochen und koordiniert wurde.
- Paul Celan (= Paul Antschel, 1920-1970) veröffentlichte seine bekannte "Todesfuge" 1952 in dem Sammelband "Mohn und Gedächtnis". Paul Celan gehörte wie Elisabeth Langgässer zu den jüdischen Verfolgten. Die Metapher "schwarze Milch der Frühe", nach einigen Interpretationen ein Verweis auf die Chemikalie Zyklon B, gibt die Todesahnungen und -furcht des gepeinigten menschlichen Individuums in künstlerischer, surrealistischer Form wieder. An dem Werk entzündete sich in der Nachkriegszeit Theodor W. Adornos Frage, ob man nach Auschwitz noch Gedichte schreiben kann.
Ziel
Durch die ausgewählten Texte sollen die Schülerinnen und Schüler erkennen, dass die Judenverfolgung im Verlauf der Gewaltherrschaft des "Dritten Reiches" an Intensität zunahm. Nach dem Lesen der Texte erarbeiten die Schülerinnen und Schüler interpretativ, welche Absichten die verschiedenen Autoren in ihren Texten ausdrücken. An den Textquellen sollen ihnen außerdem die Formen der Verschlüsselung von Sprache und deren Funktion verdeutlicht werden.
Praktische Durchführung
Erste Stunde
In der ersten Stunde lese ich den Schülerinnen und Schülern den Text von Elisabeth Langgässer vor (siehe pdf-Dokumente) und spreche mit ihnen im Anschluss darüber. In der Regel sind die Schüler durch den überraschenden Schluss sehr motiviert, eigene Gedanken zu äußern. Wenn sie den Schluss kennen, können sie in der scheinbar belanglosen Beschreibung zu Beginn verschiedenste Verweise auf das Ende der Erzählung erkennen (Beispiele: "Haarnadelkurve zu dem Totenkopf", "...an welcher Stelle die Inschrift des Schildes am besten zur Geltung käme"). Einen Schwerpunkt des Gesprächs lege ich außerdem auf die nuancenreiche Beschreibung der Bevölkerungsreaktionen.Im Anschluss an die inhaltliche Erfassung des Textes werden die formalen Merkmale der Kurzgeschichte gesammelt und schriftlich festgehalten:
- überraschender, unerwarteter Schluss, der den Höhepunkt darstellt
- begrenzte Textmenge
- sofortiges Einführen in den Handlungsablauf durch die Autorin
- relativ enge erzählte Zeit: die Handlung dauert hier offenbar weniger als eine Stunde
Als Hausaufgabe erhalten die Schülerinnen und Schülern einen biblischen Text (siehe pdf-Dokumente) mit der Aufgabe, Übereinstimmungen mit der Kurzgeschichte "Saisonbeginn" und dem Bibelabschnitt herauszufinden. Die Ergebnisse werden zu Anfang der nächsten Deutschstunde durch die Schülerinnen und Schüler vorgetragen.
Zweite Stunde
In der zweiten Stunde lesen die Schülerinnen und Schüler in Stillarbeit eine Strophe aus Paul Celans "Todesfuge" (siehe pdf-Dokumente) und einen Auszug aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz (siehe pdf-Dokumente). Um einen ersten Impuls zu geben, weise ich im anschließenden Gespräch darauf hin, dass in beiden Texten nicht mit aller Deutlichkeit gesagt wird, worum es geht. Das Thema ist verschlüsselt. Die Schülerinnen und Schüler vermuten, dass die "physische Vernichtung" der Juden gemeint ist und belegen dies an ersten Begriffsbeispielen ("Endlösung", "Der Tod ist ein Meister aus Deutschland"). Ferner erkläre ich ihnen, dass der eine Text von einem Opfer, der andere von Tätern aus dem Jahr 1942 stammt. Zum Protokollauszug erläutere ich, dass die Möglichkeit der Auswanderung nur in einem sehr geringen Maß bestand und veranschauliche den Begriff "Osten" anhand einer Wandkarte.
Schlussfolgerungen
Im Unterrichtsgespräch wird vor allem darauf eingegangen, warum die Autoren das Töten von Menschen, den Holocaust, umschrieben haben. Es kann erarbeitet werden, dass das Gesehene für den Verfolgten zu grausam, zu unvorstellbar war, um es mit realen Worten wiederzugeben. Die Täter dagegen eine euphemistisch-verschleiernde Sprache wählten, um ihrem Handeln einen rationalen Anspruch zu verleihen und um es zu verheimlichen (siehe pdf-Dokumente). Die Schülerinnen und Schüler stellen fest, dass die Machthaber verschleiernde Begriffe erfanden, um die grausame Realität zu beschönigen. Dies kann auch an anderen Begriffen mit der Klasse erarbeitet werden. Zugleich läßt sich belegen, dass das angesprochene sprachliche Phänomen nicht auf die Nationalsozialisten beschränkt blieb. An der Tafel stehen einige Wortschöpfungen, deren Semantik gemeinsam erarbeitet wird (siehe pdf-Dokumente).
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- 5 Dez 2010 - 10:08