Konzentrationslager Gross-Rosen – Vernichtung durch Arbeit
Eckdaten
Ort/Bundesland: Sachsen-Anhalt |
Bibliografie
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Weiterführende Links
Projekt Kontakt
Winfried Ernst Norbertusgymnasium Magdeburg Nachtweide 77 D-39124 Magdeburg Tel.:+ 49 0391 2 44 50 10 Fax:+ 49 0391 2 44 50 11 http://www.norbertus.de Jana Müller/ Jens Jesiolkowski Alternatives Jugendzentrum Dessau e.V. (AJZ) Schlachthofstrasse 25 D-06844 Dessau http://www.ajz-dessau.de |
Projekthintergrund
Das St. Jeromski-Lyzeum in Strzegom/Polen und das Norbertusgymnasium in Magdeburg verbindet ein über mehrere Jahre reichender erfolgreicher projektbezogener Jugendaustausch. Im Mittelpunkt der Projekte steht die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands, aber auch der historischen und grundsätzlichen Möglichkeiten des Widerstands gegen die Aufhebung der Menschenrechte und staatlichen Terror. Die beiden thematischen Schwerpunkte finden ihre Kristallisationspunkte in der Nähe Strzegoms, in der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Gross-Rosen und seiner Nebenlager und in Kreisau, dem zu einer internationalen Jugendbegegnungsstätte ausgebauten ehemaligen Gut der Familie Moltke.
Seitens des Norbertusgymnasiums nehmen Schülerinnen und Schüler einer neunten Klasse an dem Austausch teil. Die Schülerinnen und Schüler des St. Jeromski- Lyzeums befinden sich in einem vergleichbaren Alter, allerdings spielt auch die fremdsprachige Kompetenz eine Rolle. Um den Charakter des Jugendaustausches zu verstärken und die Möglichkeit zur Begegnung der Jugendlichen der beiden Länder zu erweitern, wird versucht, während des Aufenthaltes in Strzegom und - in einer zweiten Projektphase - in Magdeburg die Jugendlichen jeweils in Gastfamilien unterzubringen.
Diese Begegnungsprojekte besitzen also zunächst eine zweifache Zielsetzung: die Jugendlichen zweier Länder, deren Vergangenheit der letzten zweihundert Jahre durch Gewalt und Leiderfahrungen geprägt und auch deren Gegenwart bisher trotz aller Fortschritte nicht ganz frei von Vorurteilen und Irritationen ist, sind einander näher zu bringen. Und die Ursachen und Folgen von Leid und Gewalt zu erkennen und zu verstehen. Den Höhepunkt dieser von Deutschland ausgehenden Gewalt stellten der Überfall auf Polen 1939 und die in den Kriegsjahren folgende rücksichtslose Unterdrückung des polnischen Selbstbehauptungswillens dar.
Die Gedenkstätte Gross-Rosen und auch Kreisau können so zu Orten der gemeinsamen Erinnerung an die polnischen und jüdischen Menschen werden, die dort - neben anderen - Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft wurden. Zugleich können sie aber Orte der neuen Gemeinsamkeit werden.
Im Jahr 2002 wurde die Fahrt auf Vorschlag und unter Federführung von Jana Müller vom AJZ Dessau durch ein Filmprojekt ergänzt. Schwerpunktmäßig begleitete dieses Projekt die polnischen und deutschen Jugendlichen auf dem Weg der Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Gedenkstätte und der Geschichte des Konzentrationslagers Gross-Rosen und seiner Opfer.
Projektbeschreibung
Gerrit Heber ist ein Schüler des Norbertusgymnasiums, der 2002 an der Durchführung des Filmprojekts beteiligt war. Im Folgenden stellt er seine Eindrücke und Beobachtungen dar:
Die Begegnung mit dem Zeitzeugen in der Gedenkstätte hatte eine große Bedeutung für mich, denn die Zeit des 'Dritten Reichs' liegt nunmehr 60 Jahre zurück. Da aber die Gräueltaten niemals vergessen werden dürfen und um gegen die Wiederholung solch eines Zustandes (Entstehung der nationalsozialistischen Diktatur) vorzubeugen, ist es wichtig aufzuklären und die Wahrheit darzustellen. In wenigen Jahren wird es keine Zeitzeugen mehr geben, daher war der Erlebnisbericht bzw. das Gespräch mit dem Zeitzeugen für mich ein besonderes Ereignis und eine große Chance, die zwar subjektiv wahrgenommene, aber unverschleierte und unzensierte Darstellung der Geschichte Deutschlands zu erfahren. Unser Film stellt dann für die Nachwelt eine historische Quelle dar. Die Besonderheit liegt darin, dass Filme zu den eher schwerer zu verfälschenden Quellen gehören und dass, dank der Zeitzeugen, daraus ein einzigartiges Dokument mit großer Bedeutung für alle Menschen wurde.
Zur Mitarbeit an dem Projekt motivierte mich aber auch die technische Seite des Ganzen. Wir sind mit der Technik aufgewachsen, mit ihr vertraut und schrecken nicht vor unbekannten Geräten oder Software zurück. Als wir dem Angebot zur Mitarbeit zustimmten, war uns zwar nicht bewusst, wie viel Arbeit uns letztendlich erwartet, doch waren wir mit den Kameras in unserem Element und erfreuten uns an der Sonderstellung und den Privilegien, die wir dadurch bekamen. Das Filmen war für uns nicht grundlegend neu, aber der besondere Reiz und die Herausforderung ergaben sich weitgehend daraus, einmal ein Projekt in größerem Umfang und mit ernstem Hintergrund zu meistern.
Das Programm während unserer Projektfahrt war für alle aus der Klasse dasselbe. Das Sammeln des Filmmaterials stellte für uns aber eine durchaus schönere Aufgabe dar als das Ausarbeiten von Referaten, jedoch musste unsere spezielle Gruppe sich im Nachhinein mit verschiedenen Aspekten der Aufarbeitung der historischen Grundlagen intensiver auseinandersetzen. Es fiel uns aber durch unsere spielerische Art als „Filmteam“ erheblich leichter mit den teilweise schwerfälligen geschichtlichen Sachverhalten umzugehen als manch anderem in der Klasse.
Die Thematik erwies sich als sehr komplex. Daher war es sehr hilfreich, dass Jana und Jens, die Mitarbeiter des alternativen Jugendzentrums (AJZ) in Dessau, die das Filmprojekt initiierten, im Vorfeld ein grobes Konzept für den Film erarbeitet hatten. Grundsätzlich war jeder der Teilnehmer an jedem Schritt der Entstehung des Films beteiligt: vom Sammeln des Materials, dem Verfassen der Texte für die Vertonung und deren Einsprechen, dem Schneiden des Films im offenen Kanal Dessau bis hin zur Gestaltung des Covers für die VHS-Kassette.
Zu den Erfahrungen, die uns das Projekt brachte, ist zu sagen, dass ein Zugewinn neben dem lehrreichen Aspekt der Arbeit in Form der Beschäftigung mit historischen Quellen und der Führung durch die Gedenkstätte eher bei der praktischen Umsetzung des gesamten Konzepts lag. Die Schicksale der Opfer haben uns natürlich berührt. Aber da wir als spätere Generation nicht verantwortlich bzw. unmittelbar betroffen sind (höchstens indirekt durch unsere Großeltern), war das Projekt primär eine informative Angelegenheit. Zudem traf uns die Vergegenwärtigung der Geschehnisse im Konzentrationslager Gross-Rosen nicht mit voller Wucht, da wir durch verschiedene Informationsquellen (Bücher, Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz) schon vorher über das Ausmaß der Verbrechen und der Gewalt aufgeklärt waren.
Als Fazit lässt sich feststellen, dass die Mitarbeit am Filmprojekt eine intensivere Beschäftigung mit der Thematik mit sich brachte, dass aber bei solchen Projekten der Teufel manchmal im Detail steckt , z.B. wenn es um Bildrechte geht. Insgesamt waren wir sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Bericht der Projektleiter
Das Projekt, in dessen Mittelpunkt das ehemalige Konzentrationslager Gross-Rosen stand, fand zwischen Mai und November 2002 statt. Bereits seit 2000 besteht eine Zusammenarbeit zwischen der Schule in Magdeburg und der außerschulischen Jugendeinrichtung in Dessau. Neben gemeinsamen Veranstaltungen mit Zeitzeugen fand bereits eine Projektwoche des AJZ mit Schülern des Norbertusgymnasiums über die „Euthanasie“-Anstalt Bernburg statt, über die die Schüler eine Ausstellung erarbeiteten, die an der Schule gezeigt wurde. Darüber hinaus veranstalteten sie zusammen mit der Gedenkstätte Bernburg und dem AJZ anlässlich des 9. November 1938 ein Gedenken an die Häftlinge aus Gross-Rosen, die im Zuge der „Sonderbehandlung 14f13“ nach Bernburg deportiert und in der Gaskammer ermordet wurden. Die Idee eines Filmprojekts, das Mitarbeiter des AJZ als zusätzliches Angebot zum schon traditionellen deutsch-polnischen Schüleraustausch der Schule vorschlugen, wurde begeistert aufgenommen. Während die inhaltliche Vorbereitung des Gedenkstättenprojekts durch den Fachlehrer der Schule stattfand, vermittelten die Fachkräfte des AJZ den Schülern Kenntnisse der Filmtechnik und Produktion.
Im Juni 2002 fand der einwöchige Besuch der Gedenkstätte Gross-Rosen statt. Führungen durch Haupt- und Nebenlager wurden gefilmt und das Gelände ausgiebig auch auf Video und Fotos dokumentiert. Die beiden Zeitzeugen - ehemalige polnische Häftlinge - waren damit einverstanden, dass ihre Aussagen aufgezeichnet wurden. Nach jedem Drehtag wurde abends das filmische Rohmaterial ausgewertet und so Schritt für Schritt die erste Fassung des Dreh- und Schnittbuches entwickelt. Parallel dazu liefen die inhaltlichen Recherchen. Äußerst effektiv war die Nutzung des Archivs der Gedenkstätte. Neben Dokumenten konnten historische Fotos des Lagers kurz nach der Befreiung und zahlreiche Fotos der SS abgefilmt werden.
Bei der Recherche stießen die Jugendlichen auf politische und jüdische Häftlinge aus Sachsen-Anhalt und insbesondere die Verbindungen des KZ Gross-Rosen zur „Euthanasie“ -Tötungsanstalt Bernburg, heute eine der Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Beim Gegenbesuch der polnischen Jugendlichen in Magdeburg wurde deshalb als Programmpunkt der Besuch dieser Gedenkstätte aufgenommen.
Von Juli bis Dezember arbeitete das Filmteam im AJZ und dem Studio des Offenen Kanals in Dessau an der Dokumentation, der sie den Titel „Gross-Rosen – Vernichtung durch Arbeit“ gaben. Die 50-minütige Dokumentation zeichnet sich durch ihre hohe Qualität an Informationen zum System der Konzentrations- und Vernichtungslager und Gross-Rosen im besonderen aus. Die Dokumente 1 bis 5 sind Auszüge aus den von den Schülern verfassten und gelesenen Texten zur Erläuterung des Bildmaterials, dem Narrativ des Films, sowie Auszüge aus den Gesprächen mit den Zeitzeugen. Die Stärken des Films liegen im Aufgreifen lokalhistorischer Bezüge (Dok.2). Einfühlsam und verantwortungsvoll gingen die Filmemacher mit den Aussagen der beiden ehemaligen Häftlinge Tadeusz Sulima (Dok. 3) und Zbigniew Mazurek (Dok.5) um. Die Begegnung mit Herrn Mazurek fand im Juni 2002 statt. Wenige Monate später verstarb er. Im letzten Teil des Filmes setzten sie sich mit der „juristischen Ahndung“ der Verbrechen nach 1945 und mit einzelnen Tätern auseinander, von denen der SS-Mann Johannes Hassebroeck, der letzte Kommandant des Lagers 1943-45, aus Halle stammte (Dok. 4). Abschließend war es dem Filmteam wichtig, den überwiegend nach 1945 unbehelligt weiterlebenden Tätern die Schwierigkeiten des Weiterlebens der Opfer gegenüber zu stellen(Dok. 5). Nicht unerwähnt bleiben soll auch die sensible Vertonung des Films mit Musik u.a. von Brahms, Verdi und aus jüdischen liturgischen Gesängen.
Mit dieser bleibenden Dokumentation haben die Schüler einen beachtlichen Beitrag zum Wachhalten der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen geleistet. Sie entwickelten sich im Verlauf des Projekts von Lernenden zu Vermittlern von Wissen und Engagement. Vor allem aber haben sie den Opfern des Nationalsozialismus ein ehrendes Denkmal gesetzt.
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- 13 Mai 2010 - 11:55