Projekt

Der letzte Weg der Białystoker Juden


Eckdaten

Ort/Bundesland: Białystok
Schule: Zespół Szkół Handlowo-Ekonomicznych im. Mikołaja Kopernika, Białystok
Lehrer: Andrzej Smolarcyzk
Autorinnen: Katarzyna Czyżewska, Marta Jasińska, Anna Korniluk, Urszula Szałatowicz Altersgruppe: 16 Jahre und älter
Land: Polen
Fach: Fächerübergreifende Arbeitsgemeinschaft, Geschichte

Bibliografie

  • Dobroński, Adam (Hg.): Białostoccy Żydzi [Die Białystoker Juden], Białystok: 2002
  • Mark, Bernard: Ruch oporu w getcie białostockim: samoobrona — zagłada — powstanie [Die Widerstandsbewegung im Białystoker Ghetto: Selbstverteidigung, Vernichtung, Aufstand], Warschau: 1952
  • Datner, Szymon: Walka i zagłada białostockiego getta [Kampf und Vernichtung des Białystoker Ghettos], Łódź: 1946
  • Filipow, Krzysztof / Kraśnicka, Urszula (Hg.): Żydzi Białostoccy: getto — KL Stutthof — KL Auschwitz [Die Białystoker Juden: Ghetto, KL Stutthof, KL Auschwitz]. Białystok: 2003
  • Kerszman, Gustaw: Jak ginąć to razem [Wenn zu Grunde gehen, dann gemeinsam], Montreal: 2003
  • Kowalczyk, Józef: Zagłada Żydów w regionie białostockim [Die Vernichtung der Juden in der Region Białystok], Warschau: 1988
  • Monkiewicz, Waldemar: Zagłada ludności żydowskiej w Białymstoku [Die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Białystok], Białystok:  1983
  • Anders, Freia / Kutscher, Hauke-Hendrik / Stoll, Kathrin (Hg.): Bialystok in Bielefeld. Nationalsozialistische Verbrechen vor dem Landgericht Bielefeld 1958 bis 1967, Bielefeld: 2004
  • Grosman, Chayke: Die Untergrundarmee. Der jüdische Widerstand in Bialystok. Ein autobiografischer Bericht. Frankfurt am Main: 1993
  • Strobl, Ingrid: Bialystok "Chaikele, wohin gehst du?". In: Strobl, Ingrid: Sag nie, du gehst den letzten Weg. Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung, S. 247-259, Frankfurt am Main: 1989

Projekt Kontakt

Andrzej Smolarcyzk
Zespół Szkół Handlowo-Ekonomicznych im. Mikołaja Kopernika [Zentrum für Handels- und Wirtschaftsschulen „Nicolaus Copernicus“]
ul. Bema 105
PL 15-370 Białystok
Tel.: + 48 85 742 22 30
Fax: + 48 85 742 36 09

Für die Teilnahme an dem 1998 veranstalteten Geschichtswettbewerb „Das wichtigste Ereignis in der Geschichte meiner Heimatstadt - Zeugen und Zeugnisse“ (Stefan Bathory-Stiftung/Zentrum Karta) entschieden sich vier siebzehnjährige Schülerinnen in Białystok die Geschichte des Ghettos für die Białystoker Juden vom Juli 1941 bis August 1943 zu rekonstruieren. Sie fanden zwei Zeitzeugen, die ihnen bei der Spurensuche halfen, und deren Erlebnisberichte sie aufschrieben.

Stadtgeschichte während des Krieges

Białystok wechselte während des Zweiten Weltkrieges mehrmals den Besetzer. Nachdem es am 15. September 1939 von den Deutschen besetzt worden war, kam es nach wenigen Tagen kraft des geheimen Hitler-Stalin-Paktes und des Freundschafts- und Grenzvertrages zwischen Deutschland und der UdSSR unter sowjetische Herrschaft. Als nach dem Bruch des Bündnisses zwischen den beiden Mächten, die Polen zuvor gemeinsam angegriffen hatten, am 22. Juni 1941 der deutsch-sowjetische Krieg begann, geriet die Stadt erneut unter deutsche Besatzung, um später dann – im Juli 1944 – von der Roten Armee befreit zu werden, die anschließend in diesem Gebiet ein NKWD-Regime errichtete.

Jeder dieser Abschnitte nahm für die Geschichte der Stadt und ihrer Einwohner einen tragischen Verlauf. Doch das größte Drama war der Holocaust. Innerhalb von zwei Jahren – von der Einrichtung des Ghettos bis zu seiner völligen Vernichtung, im Grunde genommen aber hauptsächlich innerhalb weniger Wochen in Folge sogenannter Aktionen – verloren 50.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus Białystok ihr Leben.

Obwohl es in Białystok nicht an Spuren fehlt, die an diese Ereignisse erinnern, mussten die Verfasserinnen des Projekts, Katarzyna Czyżewska, Marta Jasińska, Anna Korniluk und Urszula Szałatowicz, doch mit Bitternis feststellen, dass sie in einer Stadt, deren Bevölkerung einmal zu fünfzig Prozent jüdisch gewesen war, nur zwei Personen finden konnten, die Juden und Augenzeugen der Tragödie waren.

Projektbericht

Als wir nach Białystoker Juden suchten, die Zeugen des Holocaust waren, stießen wir auf große Schwierigkeiten, weil man uns … nicht ernst nahm. Erst ein Professor der Universität in Białystok berichtete uns von Juden, die bis heute in der Stadt leben. Leider sind es nur zwei. Doch der eine will mit keinem Menschen über die Vergangenheit sprechen. Der andere hingegen, Szymon Bartnowski, war einverstanden, sich mit uns zu treffen. Vielleicht deswegen, weil er Vertreter der Ronald S. Lauder-Stiftung ist und es zu seinen Aufgaben gehört, sich um die jüdischen Friedhöfe, die Erschießungsstätten und die Synagogen zu kümmern, sowie die jüdische Kultur in Polen bekannt zu machen.

Treffen mit Szymon Bartnowski

Szymon Bartnowski (siehe Bilder) war von Beginn an im Ghetto in Białystok , d.h. seit Juli 1941, als es eingerichtet wurde, bis zum Februar 1943, bevor er nach einigen fehl geschlagenen Versuchen einer Gruppe junger Juden und Jüdinnen, bewaffneten Widerstand zu leisten, zu den Partisanen floh. Kurz darauf kam er mit Typhus nach Próżany ins Krankenhaus, wo man ihn verhaftete. Er wurde nach Auschwitz deportiert – damals war er 16 Jahre alt – und blieb dreieinhalb Jahre dort. Er arbeitete als Ofensetzer „im Kommando für Hausbrandöfen und nicht für Krematoriumsöfen“, wie er betonte. Nach der Befreiung des Lagers zog er mit der Roten Armee nach Berlin. Bis er 1946 nach Polen zurückkehrte, machte er noch einiges durch.

Herr Bartnowski erzählte in Einzelheiten über die Geschichte der Białystoker Juden seit dem Einmarsch der Deutschen im Juni 1941. Er berichtete von Menschenjagden, bestialischen Morden und Versuchen, einen bewaffneten Widerstand aufzubauen. Er berücksichtigte auch Vorkommnisse, die sich bereits nach seiner Flucht zugetragen hatten: die Auflösung des Ghettos im August 1943 und den bewaffneten Aufstand, der gleichzeitig stattfand (siehe pdf-Dokumente).

Treffen mit Jerzy Koszewski

Der nächste Gesprächspartner, mit dem sich die Verfasserinnen trafen, war Jerzy Koszewski (siehe Bilder), der während des Krieges in Białystok auf der sogenannten arischen Seite in Ghetto-Nähe wohnte. Als Halbwüchsiger war er wiederholt Zeuge von drastischen Szenen, die sich dort abspielten; er sah auch, wie das Ghetto endgültig „aufgelöst“ wurde. Herr Koszewski erzählte davon, was er selbst erlebt hatte und ihm im tief Gedächtnis haften geblieben war. In Einzelheiten beschrieb er das Inferno der deportierten Juden (siehe pdf-Dokumente).

Von ihm stammte auch der Vorschlag, die Verfasserinnen über das ehemalige Ghettogelände zu führen und ihnen die Orte zu zeigen, an denen sich vor einem halben Jahrhundert die Tragödie zugetragen hatte. Mit fast jeder Straße hier waren dramatische Ereignisse verbunden. Herr Koszewski zeigte Tafeln und Denkmale, die daran erinnern sollten.

Dazu gehörte auch das Denkmal für die Juden, die bei lebendigem Leibe in der Großen Synagoge verbrannt wurden. Von der Synagoge, die nach dem Brand einstürzte, blieb nur der Dachstuhl erhalten, der heute quasi die Rolle eines Denkmals erfüllt (siehe Bilder).

Die Verfasserinnen besichtigten ebenfalls den Ort, an dem der Ghettokämpfer Icchok Malmed den Tod fand, und den Platz, an dem das Gebäude des Judenrats stand; sie erfuhren u.a., wie die Ghettogrenzen verliefen und wo das Haupttor zum Ghetto stand (siehe Bilder). Herr Kosczewski zeigte ihnen auch das Haus, in dem sich die letzten jüdischen Aufständischen verteidigt hatten. Mitunter wies er auf ungenaue In- oder Aufschriften hin und machte auf abgerundete Zahlen oder fehlerhafte Daten auf Tafeln und Denkmalen aufmerksam.

Die Verfasserinnen folgten auch dem Weg, den die Deutschen im August 1943 die zur Deportation bestimmten Juden in Kolonnen entlang getrieben hatten (siehe Bilder) und der zu deren „letztem Weg“ geworden war. So kamen sie dann auf das Feld, auf dem die jüdischen Einwohner von Białystok Tage lang in der Augusthitze hatten lagern müssen, bevor man sie in Güterwagen nach Treblinka gebracht hatte. Die Straße, die sie damals entlang gingen, heißt heute völlig anders, und auf dem Feld steht ein E-Heizkraftwerk. Es gibt nur noch wenige Zeugen, die – wie Herr Koszewski – nicht vergessen können.

 

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