Empfehlung Comic

Ich, Rassist?

Ich, Rassist? Hg. von der Europäischen Gemeinschaft, 1998

Der Comic thematisiert humorvoll das Thema auf verschiedensten Ebenen. Rassistische Diskriminierung gegenüber Nicht-Weißen wird dabei ebenso angeprangert wie das ausgrenzende Verhalten gegenüber Homosexuellen oder das sexistische Verhalten von Männern gegenüber Frauen. Auch Ausgrenzungen, wenn jemand die „falsche Kleidung“ trägt oder nicht den gesellschaftlichen Schönheitsidealen entspricht, werden aufgegriffen.

Eindrücklich zeigen die Cartoons, dass niemand nur Opfer oder Täterin/ Täter von Diskriminierung ist und sein kann. Jeder Mensch kann in Situationen kommen, in der er oder sie nicht der Normalität entspricht und deshalb ausgegrenzt wird. Diese Perspektive ist gleichzeitig Stärke und Schwäche des Comics. Sie verunmöglicht den Leserinnen und Lesern auf der einen Seite die einfache Identifikation mit den Opfern von Diskriminierung bzw. die Abwehr () gegenüber den Menschen, welche diskriminieren.

Alle werden Situationen wiedererkennen, in denen sie sich im Alltag diskriminierend Verhalten. Unsichtbar bleiben jedoch, und das ist eine zentrale Schwierigkeit der Cartoons, die verschiedenen gesellschaftlichen Machtpositionen der handelnden Personen. Mit der Pauschalaussage wird die Tatsache geleugnet, dass Menschen Macht brauchen um zu diskriminieren. Nicht aus Zufall sind die Opfer von Diskriminierung meistens nicht Weiße sondern Nichtweiße, nicht Männer sondern Frauen, nicht Heterosexuelle sondern Homosexuelle, nicht Gesunde sondern Kranke etc.

Darüber hinaus resultiert Diskriminierung nicht aus der Dummheit oder dem Unwissen der Diskriminierenden, wie der Comic unterstellt. Rassismus, Sexismus und andere Formen der Diskriminierung dienen der Privilegiensicherung derer, die Privilegien besitzen und sei es nur das Privileg, sich auf Kosten anderer zu fühlen.

Albert Memmi hat dementsprechend Rassismus folgendermaßen definiert: Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers ist, mit der eine Aggression gerechtfertigt werden soll. (Memmi, Albert: Rassismus. Hamburg 1992). Zu ergänzen wäre, dass auch tatsächliche oder fiktive sog. kulturelle Unterschiede als Ausgangspunkt von Diskriminierungen benutzt werden.

Trotz dieser Kritik kann der Comic in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit zur Bearbeitung verschiedener Diskriminierungen mit Gewinn eingesetzt werden. Die kurzen Cartoons von max. einer Seite lassen sich besonders gut als ein nicht-moralisierender Einstieg in die Diskussion über die oft sehr moralisch aufgeladenen Themen verwenden.

Der Comic ist in allen Amtssprachen der Europäischen Union vor der Erweiterung erhältlich: Spanisch, Dänisch, Deutsch, Griechisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch, Finnisch und Schwedisch. Idee und Story: Concerto Brussels.
E-Mail: rudi [at] concerto [dot] be

Zeichnungen: Sergio Salma Farbgebung: Mauricet

Der Comic kann als PDF-Dokument online angesehen und ausgedruckt werden.

Ergänzung zur Rezension von Dr. Juliane Wetzel

(Zentrum für Antisemitismusforschung, TU Berlin), November 2004

Der Comic ist sicherlich eine gute Möglichkeit, das Thema Rassismus zu behandeln, allerdings fehlt gänzlich das Stereotyp des Antisemitismus. Juden als bedrohte Minderheit kommen nicht vor. Zudem trägt die Figur einer der Hauptprotagonisten des Comics den Namen Dieudonné, offensichtlich bezogen auf den berühmten französischen Schauspieler und Komiker Dieudonné (M'bala M'bala).

Als das Heft entstand, war der Name sicherlich gut gewählt, weil er - zumindest für französische Leser - eine Identifizierungsmöglichkeit mit einem berühmten Schwarzen bot. Nachdem Dieudonné allerdings in einer französischen Talkshow im Dezember 2003 antisemitische Klischees bediente, was zu einer heftigen Debatte in Frankreich und zur Absage seines Auftritts im legendären Olympia führte, scheint eine solche Assoziationsmöglichkeit unangemessen.

Dieudonné hatte sich bei der Fernsehshow als orthodoxer Jude verkleidet und die Zuschauer aufgefordert, »der Achse des Guten, der amerikanisch-zionistischen Achse« beizutreten. Schließlich hatte er »Isra-Heil« ausgerufen und dabei den rechten Arm zum Hitlergruß ausgestreckt. In der deutschen Ausgabe des EU-Comics spielt dies wohlkaum eine Rolle, da Dieudonné hier kaum bekannt ist, in der französischen Version jedoch sollte dieser Name durch einen anderen ersetzt werden. Zwar ist Dieudonné ein ziemlich geläufiger Vorname unter Schwarzafrikanern, er könnte jedoch falsche Assoziationen wecken.

 

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