Integration und Partizipation durch historisch-politische Bildung
Im Herbst 2004 schrieb der Fonds „Erinnerung und Zukunft“ einen Auftrag für eine Studie zum Thema „Integration und Partizipation durch historisch-politische Bildung in der deutschen Einwanderungsgesellschaft“ aus, ein nach langjährigen kontroversen Debatten und der hartnäckigen Verdrängung der Realität einer multinationalen und –kulturellen Gesellschaft in Deutschland schon überfälliges Thema. Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, im Jahr 2000 vom Deutschen Bundestag im Rahmen der Stiftung zur Entschädigung der Opfer der NS Zwangsarbeit gegründet, ist nach Abschluss der Auszahlung individueller Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und andere NS-Opfer auf Dauer mit der Förderstiftung „Erinnerung und Zukunft“ mit der Aufgabenzuweisung tätig, durch Förderung von Projekten der politischen Bildung die Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Gewaltherrschaftssysteme wach zu halten.
Mit dieser Studie stellte sich der Fonds „Erinnerung und Zukunft“ den veränderten gesellschaftlichen Herausforderungen im Bildungssystem. Zukünftige Erfordernisse historisch-politischer Bildung werden hier aufgezeigt und diskutiert.
In den Großstädten werden Jugendliche aus eingewanderten Familien schon bald die Mehrheit bilden. Die Frage der Integration wird im Kontext der inneren Sicherheit und einer immer stärker empfundenen Bedrohung durch islamistischen Fundamentalismus behandelt. Auch vor diesem Hintergrund werden die mangelhaften Integrationsleistungen des deutschen Bildungssystems in schärferem Licht gesehen. Es besteht die Notwendigkeit, neue Vermittlungswege für historisches Wissen zu finden. Bisher konnte noch familiäre Erinnerungen über Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegsentwicklung in Deutschland als Hintergrund historischer Bildung vorausgesetzt und in der Vermittlung daran angeknüpft werden.
Die noch vorherrschende nationalgeschichtliche Sicht auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts wird sich im 21. Jahrhundert zwangsläufig global erweitern und pluralen Perspektiven öffnen müssen. Inwieweit ist das bestehende Bildungssystem auf diese Anforderungen jedoch vorbereitet? Eine Lehrerbefragung ergab dass bisher nur sehr wenige Pädagogen über interkulturelle Kompetenzen verfügen bzw. nur 10 Prozent Methoden der interkulturellen Pädagogik anwenden.
Die vorliegende Studie „Integration und Partizipation durch historisch-politische Bildung- Stand- Herausforderungen – Entwicklungsperspektiven“ wurde vom Netzwerk Migration in Europa e.V., einer Initiative von Migrationsexperten unter Leitung von Rainer Ohliger erarbeitet, die das Wissen und Verständnis für Migrationen in europäischen Gesellschaften fördern möchte. An der Schnittstelle zwischen Bildung, Kultur und Wissenschaft engagiert sich das Netzwerk gemeinsam mit Migranten- und Minderheiten- Organisationen, Institutionen aus Bildung und Kultur sowie Universitäten für die stärkere Wahrnehmung von Migrationen und Migranten in Geschichte und Gegenwart. Rainer Ohliger, Jg. 1967, ist Historiker und Gründungsvorstand des Netzwerks Migration in Europa e.V. (NGO)
Das Gutachten wurde im ersten Entwurf Anfang November 2005 auf einer vom Georg Eckert Institut für internationale Schulbuchforschung und dem Fonds „Erinnerung und Zukunft“ als Mitveranstalter organisierten Tagung in Berlin vorgestellt und mit Experten aus Wissenschaft, Bildung, Schule, Museen, Gedenkstätten und außerschulischen Bildungsinstitutionen und politischen Stiftungen diskutiert. Ihre Kritik und Anregungen gingen in die nun vorliegende Endfassung ein.
Das Gutachten basiert auf vier Methoden der Informationsermittlung:
- Erhebung von Daten und Informationen von Schülern und Lehrern durch Fragebogen
- Erhebung von Daten über außerschulische Bildungsinstitutionen durch standardisierte und offene Fragen
- Workshops mit Studenten aus Familien mit und ohne Migrationshintergrund
- Schulbuchanalyse im Georg-Eckert-Institut in Braunschweig
Die Erhebung der Daten wurde systematisch ausgewertet. Die Ergebnisse der Workshops und der Schulbuchanalyse gingen in die Handlungsempfehlungen für mögliche zukünftige Veränderungen und Projekte ein.
Nicht nur die wesentlichen Problemstellungen werden erörtert, sondern es werden auch zahlreiche praktische Hinweise und methodische Anregungen gebeben sowie im Anhang eine Übersicht über staatliche und zivilgesellschaftliche Institutionen. Mit dieser Studie ist ein Anfang gemacht. In Anbetracht der dynamischen demographischen Veränderungen bedarf es jedoch weiterer vertiefender und differenzierterer Untersuchungen. Die Studie kann unter http://www.fonds-ez.de/ unter der Rubrik Publikationen oder in der Druckfassung beim Fonds „Erinnerung und Zukunft“ angefordert werden.
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- 21 Dez 2009 - 17:52