Im Gespräch

„Das ist das Tolle: Wenn es Klick gemacht hat, und sie haben Lust auf Geschichte.“ Im Gespräch: Tutor:innen des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten

Janine Körner unterrichtet Geschichte und Deutsch am Gymnasium Neutrabling bei Regensburg. Sie hat 2022/23 mit einer 7. Klasse am Geschichtswettbewerb zum Thema „Mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen hat Geschichte“ teilgenommen.

Uta Knobloch unterrichtet Geschichte und Ethik am Gymnasium Dresden-Plauen und ist Fachausbildungsleiterin am Staatlichen Seminar. Sie hat seit 1991 mit ca. 20 Arbeiten zwölf Mal am Geschichtswettbewerb teilgenommen.

Matthias Meyer ist Lehrer an der Integrierten Gesamtschule Hannover Mühlenberg. Zuvor machte er eine Ausbildung zum Elektriker und studierte Kulturwissenschaft. Er hat 2022/23 mit einer 5. Klasse am Geschichtswettbewerb teilgenommen.

LaG: Liebe Frau Knobloch, liebe Frau Körner, lieber Herr Meyer, Sie sind bzw. waren als Tutor:innen im Rahmen des Geschichtswettbewerbs der Körber-Stiftung aktiv. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Uta Knobloch: Ich habe den Geschichtswettbewerb bereits 1991 auf dem Historikertag kennengelernt. Und parallel dazu haben mich – ein tolles Erlebnis für mich als Lehrerin – plötzlich Schüler angesprochen, sie hätten einen Prospekt vom Geschichtswettbewerb gefunden, Thema Denkmäler, und „da schon mal was vorbereitet.“ Da hatten die Schüler bereits sehr illegal einiges recherchiert, sind auf Baustellen rumgekrochen, um ein verschwundenes Denkmal zu finden. Das heißt, die Recherche war abgeschlossen, doch die Schüler waren ratlos, wie sie daraus möglichst schnell etwas Sinnvolles zusammenstellen. Denn, wie immer, wenn die Recherchen abgeschlossen sind, ist im Wesentlichen die Zeit vorbei. Wir haben dann Aufgaben aufgeteilt und sie haben einen wirklich guten Beitrag zustande gekriegt.

Generell hat unsere Schule eine sehr gute Voraussetzung: Wir haben in den 5. und 6. Klassen begabungsfördernden Unterricht, wo wir gezielt versuchen, Stärken aufzubauen. Schüler können Arbeitsmethoden kennenlernen, die sie in allen Fächern benötigen. Es sind zwar große Gruppen mit 18 bis 20 Sechstklässlern, die man im Alleingang im 14-täglichem Unterricht organisieren muss. Aber wenn Schulleitung und Eltern flexibel reagieren, war es beispielsweise schon möglich, dass wir den Unterricht aus dem zweiten Halbjahr vorgezogen haben, so dass wöchentlich zwei Stunden zur Verfügung standen.

Mein Credo als Pädagogin ist ohnehin, eine Gruppe zusammen zu bringen und sie zu einer Wettbewerbsteilnahme zu befähigen. Denn es ist schön, was sich da entwickelt: Es gibt Situationen, wo sich die Schüler gemeinsam durch die Mühen der Ebenen arbeiten müssen und sich dann meist auch gegenseitig aus dem Sumpf ziehen. Und das ist eine der für mich wertvollsten Erfahrungen, dass Schüler sich zu einer eigenen Leistung motivieren und sich, wenn es lichterloh brennt, auch außerschulisch Hilfe holen. Und danach sagen sie, dass sie sich sonst nie getraut hätten, wildfremde Leute anzumailen, hinzugehen, anzurufen. Das sind Erlebnisse, die hängenbleiben und die den Schülern helfen, sich selbst auch etwas zuzutrauen.

In größeren Klassen wird es hingegen viel schwieriger, mit Schülergruppen am Wettbewerb zu arbeiten, denn eine Einbindung in den Unterricht ist aufgrund der zentralen Lehrpläne nicht mehr möglich, höchstens eine Motivations- und Einstiegsphase. Ein Wettbewerbsbeitrag wird also sowohl für Teilnehmer:innen als auch für die Mentor:innen ein Freizeitunternehmen, das vom schulischen Umfeld kaum als bedeutsam für wirksame Bildungsprozesse wahrgenommen, geschweige denn unterstützt wird. So werden ganz wichtige, weil kompetenzbildende Prozesse als eher private Freizeitvergnügen und Profilierungsversuche eingeordnet. Es werden dann höchstens die Wettbewerbsplatzierungen im schulischen Kontext erwähnt, aber nicht die Ergebnisse multipliziert und die Teilnehmer:innen und Mitschüler:innen zu mehr individuellem forschend-entdeckendem Lernen ermutigt.

Janine Körner: Eine ehemalige Kollegin von mir, die beim Geschichtswettbewerb aktiv ist, hatte immer wieder dazu angeregt, daran teilzunehmen. Ich war skeptisch, weil ich wenig Platz im normalen Geschichtsunterricht gesehen hatte. Doch dann hatte ich drei Jahre hintereinander eine Klasse, die sehr leistungsorientiert war, die bereits „Die beste Klasse Deutschlands“ (ein Wettbewerb beim Kinderkanal) in der 6. Klasse werden wollte. Wir haben unseren Beitrag für den Geschichtswettbewerb im Rahmen des Geschichtsunterrichts in der 7. Jahrgangsstufe erarbeitet, für den jedoch wöchentlich nur zwei Stunden zur Verfügung stehen. Entsprechend konnten wir das Thema nicht frei wählen, sondern ich musste es in den Unterricht integrieren, und der gab das Wohnen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit vor. Und da das Thema an die Region angebunden sein soll und die Kinder in Dörfern im Landkreis Regensburg wohnen, wurde es: Wohnen auf dem Land in früheren Zeiten, also wenig spektakulär, wenig wettbewerbstauglich. Letztlich wurde meine Skepsis, ob eine Wettbewerbsteilnahme in den normalen Geschichtsunterricht gut integrierbar ist, bestätigt.

Matthias Meyer: Ich bin erst seit fünf Jahren im Lehrberuf. Ich bin Quereinsteiger. Ich betone das, weil ich einen anderen Blick auf Projektarbeit habe. Wir haben an unserer Schule relativ viele Möglichkeiten, frei zu arbeiten. Wir haben in der Unterstufe zum Beispiel nicht die Fächer Erdkunde, Geschichte oder Politik, sondern das nennt sich zusammengefasst Gesellschaftslehre. Zusätzlich haben wir Wahlpflicht-Bänder, wo beispielsweise Puppentheater, Songwriting und Hauswirtschaft, also praktische Sachen, angeboten werden, wo man nicht unbedingt an ein Curriculum gebunden ist. Außerdem gibt es in der 5./6. Klasse einen Schwerpunkt mit wöchentlich zwei Stunden. Auf den Geschichtswettbewerb bin ich das erste Mal in Corona-Zeiten aufmerksam geworden; ich fand das spannend, aber zu der Zeit waren die Bedingungen schwierig. Aber jetzt hatten wir Glück: Ich hatte eine 5. Klasse, die ich jeweils zwei Stunden die Woche in Musik, im Filmschwerpunkt und in Gesellschaftslehre habe. Es standen also wöchentlich sechs Stunden zur Verfügung. Wir haben dann ein Musikvideo gemacht, das passte super zum Bereich Film und Musik. Das Thema „Wohnen“ stand als gesellschaftliches Thema zwar nicht unbedingt auf dem Lehrplan, aber wir haben es weit ausgelegt und auf das gesellschaftliche Miteinander hier im Stadtteil bezogen.

Die Schülerinnen und Schüler wollten unbedingt einen Wettbewerb machen, aber sie wussten nicht, was es heißt, sich mit einer Sache über längere Zeit zu beschäftigen. Wir haben zum Einstieg dann das Heft vom Geschichtswettbewerb, wie man startet, dass Geschichte vor der Haustür liegt, angeschaut. Unsere Schule liegt in einem sogenannten Brennpunkt, dem Stadtteil Mühlenberg. Und auf den ersten Blick ist es erstmal auch nur eine Hochhausgegend. Auf den zweiten Blick ist hier sehr viel mehr zu entdecken. Das spannende am Stadtteil ist: Wir haben vor der Schule eine NS-Gedenktafel, weil es hier mal eine KZ-Außenstelle gab. Und alle Straßennamen dieses Stadtteils wurden nach Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime benannt. Und das war eigentlich der Ausgangspunkt – zu gucken, was gibt es denn hier vor der Tür?

LaG: Frau Körner, Sie hatten gesagt, dass Sie mit einer Klasse teilgenommen haben, die sehr leistungswillig war, aber mit der Aussage geendet, dass Sie eigentlich bestätigt wurden in ihrer Skepsis. Können Sie das genauer erläutern?

Körner: Ich war total stolz auf die Klasse. Sie wollte unbedingt einen Film machen. Ich hatte keine Ahnung, wie man Filme macht, und habe von den Siebtklässlerinnen viel gelernt. Sie haben sich trotz wenig Hilfestellung durchgekämpft, haben das richtig gut hingekriegt und waren sehr stolz auf ihr Ergebnis. Und dann war es enttäuschend, dass sie überhaupt keine positive Resonanz vom Geschichtswettbewerb bekommen haben, sondern einfach, aus ihrer Sicht, nur verloren hatten. Das war total demotivierend für die Schülerinnen und Schüler, weil sie eben wettbewerbsorientiert eingestellt waren… Klar hatte der Film seine Schwächen – aber sie haben kein positives Feedback von der Jury des Wettbewerbs bekommen und das ist der Grund, warum ich nicht mehr an ihm teilnehmen würde. Das finde ich für Unterstufenklassen strukturell problematisch angelegt und didaktisch nicht gut. Denn um zu motivieren, bräuchte man auch kleine Anerkennungspreise, und wenn es nur ein 50€-Gutschein für ein Eisessen wäre. Mit einer Urkunde können die Jüngeren kaum etwas anfangen. Das ist meine große Kritik am Wettbewerb. Außerdem habe ich den Eindruck, dass der Geschichtswettbewerb vor allem politisch genehme Projekte prämiert. Und ich weiß, dass zum Teil im Endresultat eher Lehrerarbeiten als Schülerarbeiten eingereicht werden.

Knobloch: Ich hatte mal einen Fall, da hat eine Gruppe, die ich für deutlich erfolgreicher eingeschätzt hätte, einen Förderpreis bekommen. Die hatten einen ganzen Wäschekorb voll Material gefunden und das systematisch aufbereitet. Für den Wettbewerb war das vielleicht zu schwammig. Die haben dann bei der Körber-Stiftung angerufen und gefragt, woran es gelegen hat. Und dieses Feedback war für sie unheimlich wichtig. Sie haben dann sogar mit dem Material weitergearbeitet, das jetzt in einem Archiv liegt. Es hatte also einen Forschungswert, auch wenn es die Kriterien des Wettbewerbs nicht erfüllt hat. Das Feedback von außen war für die Schülerinnen sehr produktiv und anregend.

Meyer: Wir haben insgesamt drei Preise gekriegt in diesem Wettbewerb. Und es gibt ja sehr viele Preise pro Bundesland. Wir waren total überrascht und geflasht, dass es so durch die Decke gegangen ist für uns! Die Geldpreise sind cool, aber die Reise nach Berlin, die Einladung zum Bundespräsidenten, war das Highlight. Das war für uns als Gruppe eine super Erfahrung und hat den Schülerinnen und Schülern Vertrauen gegeben, dass man solche Wettbewerbe auch gewinnen kann. Ich habe auch das Gefühl gehabt, dass der Wettbewerb gut mit Preisen umgeht. Ich war bei der Landespreisverleihung – im Land Niedersachsen wurden 30 Förderpreise und 30 andere Preise verliehen – und jeder ist genannt worden, jeder ist nach vorne gekommen. Meine Erfahrung war, dass da sehr viel Wertschätzung ist.

Körner: Ich denke, man müsste zwischen Projektarbeiten und fachlichen Arbeiten unterscheiden, und man müsste unbedingt nach Altersgruppen unterscheiden, dann würde es ein bisschen gerechter insgesamt.

LaG: Was motiviert die Schüler:innen in Ihren Augen, am Wettbewerb teilzunehmen?

Knobloch: Die Aussicht, zu gewinnen, ist natürlich am Anfang eine große Motivation, aber die Erkenntnis, dass man sich das hart erarbeiten muss, kommt erst im Prozess; der typische Weg von der extrinsischen zur intrinsischen Motivation. Die größte Herausforderung liegt darin, dranzubleiben. In einer definierten Zeit nicht nur Rechercheergebnisse zu erarbeiten, sondern diese auch zu systematisieren. Eine weitere Herausforderung ergibt sich, wenn eine Gruppe feststellt, dass sie als Gruppe nicht funktioniert. Und dann unter Umständen auch jemanden, auf den sie sich nicht verlassen kann, auszuschließen. Oder im Gegenteil: Wenn die Gruppe feststellt, jemand ist eigentlich ein schwieriger Kandidat, aber für bestimmte Sachen ist er unerlässlich. Ich erinnere mich an eine Gruppe, die auf einen Schüler gebaut habt, der eigentlich das gymnasiale Niveau nicht geschafft hat und die Schule auch nach dem Schuljahr verlassen hat, aber im Rahmen des Wettbewerbs war er derjenige, über den seine Mitschüler gesagt haben: Der hat dafür gesorgt, dass wir es schaffen! Das kann unheimlich zusammenschweißen. Solche Dynamiken sind mehr wert als irgendein Preis. Wir tragen nach der Endfassung zusammen, was uns die Teilnahme gebracht hat. Der Preis ist nicht so wichtig. Die Lernenden sagen durchaus nicht selten: „Gewonnen haben wir schon vorher.“ Das ist entscheidend und das, was bei den Schülern langfristig hängenbleibt, intrinsisch motivierend. Der Preis – obwohl sein Wert natürlich nicht zu verkennen ist – ist eine Äußerlichkeit.

LaG: Frau Körner, sie sagten vorhin, dass vor allem politisch genehme Projekte prämiert werden. Was meinen Sie mit „genehm“? Herr Meyer, Frau Knobloch, sehen Sie auch bestimmte Themen, die en vogue sind und möglicherweise größere Chancen auf Auszeichnung besitzen als andere?

Körner: Ich habe den Eindruck, dass Themen, die gerade sehr „in“ sind – die Flüchtlingsproblematik war das zum Beispiel eine Zeitlang – eher prämiert werden. Ist ja auch völlig in Ordnung. Aber wie ich vorhin sagte: Ich kann die Themen nicht völlig frei wählen, ich muss sie im Rahmen meines Unterrichts unterbringen.

Meyer: Ich habe gesehen, dass NS-Geschichte eine große Rolle spielt, auch unter den prämierten Arbeiten. Aber natürlich ist der Fokus auf den Nationalsozialismus zu Recht da. Viele Themen, die hier auf der Straße liegen, behandeln diese Zeit, weil das die Geschichte unseres Landes ist.

Knobloch: Ich erinnere mich an Bundessieger, die sich mit hochpolitischen Themen beschäftigt haben, zum Beispiel mit der Wende im Rahmen des Themas „Helden“. Ich denke, das war auch intendiert, das so zu machen. Ich würde das aber nicht pauschalisieren. Natürlich denkt man als Tutor darüber nach, warum etwas erfolgreich ist oder nicht. Aber ich habe den Eindruck, dass vor allem das methodische Vorgehen honoriert wird. Das wirft vielleicht die Frage auf, ob es die Erfolgschancen schmälert, wenn man nicht eines der neuen Formate wählt.

Meine Erfahrung: Vor allem die kleineren Teilnehmerinnen finden die neueren Formate spannend. Aber ich denke, es geht um das historische Denken, und wie sich das entwickelt. Und deshalb ist der Wettbewerb auch eine Besonderheit, weil er fachlich fundiert ist.

LaG: Frau Körner hatte eben noch den Punkt der externen Hilfe bzw. der Eigenständigkeit der Arbeiten angesprochen. Kennen Sie diese Problematik auch?

Meyer: Meine Klasse war damals eine 5. Klasse, natürlich habe ich denen geholfen und sie aktiviert, dass sie eigenständig arbeiten. Ohne meine Hilfe hätte eine so große Gruppe es nicht geschafft, sich nicht über Details zu streiten. Hier ging es – anders als bei einem Tutor, der einen Dreizehntklässler betreut – um Gruppenprozesse. Weil wir den Preis gewonnen haben, hatten wir ein Zeitungs- und ein Fernsehinterview. Das war für uns sehr gut, um den Umgang mit Medien zu lernen. Und als nach zwei Stunden Filmen nur ein Beitrag von wenigen Minuten gesendet wurde, waren viele natürlich auch enttäuscht.

Knobloch: Tutorinnen müssen anleiten und manchmal auch helfen. In welchem Umfang das geschieht, das gehört in den Arbeitsbericht des Tutors. Ich persönlich finde, dass diese Einzelarbeiten, wo die Mutti der Tutor ist und ein Kind vielleicht zum Erfolg „geschubst“ wird, nicht der Maßstab der Dinge sein sollten. Aber es ist eben auch in der Hand der betreuenden Lehrer:innen, dies nicht unbedingt zu fördern. Auch Einzeltalente werden „im wahren Leben“ teamfähig sein müssen trotz ihrer besonderen Begabungen. Für mich liegt der Fokus deshalb nicht darauf, einzelne hochbegabte Leute nach vorne zu bringen, sondern Gruppendynamiken in heterogenen Teams zu erzeugen. Es gibt viele Eltern, die Schularbeiten machen – nicht nur KI macht Schularbeiten –, und Ghostwriter-Arbeiten haben wir unter Garantie auch. Aber das werden die Juror:innen bemerken und entsprechend in ihre Bewertung einfließen lassen. Für die jüngeren Schüler:innen spielt KI als „Pushfaktor“ noch keine Rolle. Bei den Größeren vielleicht bei der Textoptimierung, da kann das sogar hilfreich sein. Inhaltlich habe ich meinen Schülern aber gesagt: Wenn ihr merkt, dass alles, was ihr tut, auch mit KI zu machen ist, wisst ihr, dass ihr ersetzbar seid. Der Fokus des Geschichtswettbewerbs ist forschend-entdeckendes Lernen und es gilt, etwas zu entdecken, was die KI noch nicht irgendwo abgespeichert hat. Das macht seinen Reiz aus.

LaG: Inwiefern beeinflussen die Rahmenbedingungen, die an der Schule gegeben sind, die Teilnahme oder eben Nichtteilnahme am Wettbewerb?

Körner: Selbstverständlich entscheiden zunächst diese Bedingungen über die Teilnahme, weil man sie in den Unterricht integrieren muss. Und es gibt nur ein begrenztes Stundenbudget. Zudem gibt es einige Themen, die in bestimmten Jahrgangsstufen nicht im Geschichtsunterricht integrierbar sind.

LaG: Warum?

Körner: Ich muss ja irgendwie im Rahmen des Lehrplans bleiben, sonst erfülle ich meine Aufgaben nicht. Eigentlich ist der Geschichtswettbewerb für unsere Schulform sowieso kaum geeignet. Außer in einem Wahlkursfach – und das würden die wenigsten Schüler freiwillig am Nachmittag zusätzlich belegen. In dieser Hinsicht sind künstlerische oder musische Sachen interessanter. Oder Robotik. Ich wage es zu bezweifeln, dass über ein Wahlkursfach eine Teilnahme an Geschichtswettbewerben kontinuierlich auf die Beine zu stellen ist.

Meyer: Ich denke auch, dass die Rahmenbedingungen sehr wichtig sind. Und auch, dass man Rückendeckung von der Schulleitung und von Kolleginnen und Kollegen bekommt. In Musik haben wir zwar auch ein Curriculum, aber es geht vor allem darum, Musik zu gestalten und das kann ich ja auslegen. Bei musischen und künstlerischen Fächern, behaupte ich einfach mal, ist das Thema des Wettbewerbs fast egal, es wird passend gemacht. Das Sportthema könnte ich beispielsweise in ein Theaterstück umsetzen – natürlich ist das auch ein politisches Thema. Ich kann Mohammed Ali nehmen und fragen: Ist das ein politischer Mensch? War er ein Vorbild für die Black Community? Diese Fragen ergeben sich manchmal auch erst im Arbeitsprozess.

Knobloch: Meine Erfahrung ist: Die Rahmenbedingungen werden schlechter, wenn weniger Lehrer:innen immer mehr Aufgaben erledigen müssen. Dabei verliert die Schule ihre ureigenste Aufgabe, das Denken zu lehren. Ich finde, Geschichtsunterricht muss historisches Denken erbringen und nicht fünf Noten im Halbjahr. Und wenn die Prämissen immer mehr auf solche zählbaren Dinge verschoben werden, wird es nicht besser mit den Ergebnissen von Schule. Lehrer:innen werden zu wenig dort eingesetzt, wo ihre Kompetenzen als Lehrperson im Sinne des Anleitens zum eigenen Denken gefragt sind. Der Geschichtswettbewerb ist so ein Feld. Beispielsweise finden meine Referendare den Wettbewerb grundsätzlich interessant, aber sie sagen von vorneherein, dass sie das nicht schaffen können. Und zwar nicht, weil sie faul sind, sondern weil es einfach nicht geht mit ihrem Pensum. Aber gerade historisches Denken zu leben und zu lehren, ist nachhaltig, und dafür ist der Geschichtswettbewerb wichtig. Der gehört in die Schulprogrammarbeit, in die Lehrer:innenausbildung. Schulbürokratie muss endlich begreifen: Engagement dafür ist kein „nice to have“, sondern aufgrund der zählbaren Bildungsergebnisse eine in einem hohen Maße anzuerkennende Tätigkeit der Teilnehmer:innen und der Mentor:innen. Aber: Für mich als Tutorin war der Wettbewerb neben viel Arbeit immer ein Gewinn, auch wenn eben diese wünschenswerten Rahmenbedingungen ausblieben.

LaG: Welchen Mehrwert kann der Geschichtswettbewerb für Sie als Lehrperson, für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für Geschichtsvermittlung haben?

Körner: Ich mache viele Projekte, auch in der Oberstufe. Unsere Projektseminare gehen dort über ein Jahr, in diesem Zusammenhang habe ich meistens regionalgeschichtliche Themen behandelt, zum Beispiel Juden im Nationalsozialismus in der Region Regensburg. Aber bisher hatte ich mich nicht wegen einem Wettbewerb an Thematiken angeglichen. Es kam allerdings auch schon vor, dass eine Arbeit aus einem meiner Projektseminare nachträglich prämiert wurde. Da sperre ich mich natürlich nicht dagegen! Aber ich werde nicht mehr gezielt auf einen Wettbewerb hinarbeiten. Ein Projekt ist für mich in diesem Zusammenhang tendenziell sinnentleert, weil er Zeitdruck schafft und es negativ beeinflussen kann. Es kann sich dann nicht mehr so entfalten, wie ich es eigentlich möchte. Ich würde nur noch einmal am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten teilnehmen, wenn ich sowieso ein Projekt leiten würde und im Resultat merken würde, dass es sich dafür eignet, es einzureichen.

Meyer: Wenn man bei einem Wettbewerb mitmacht, geht es am Ende immer darum, dass es fertig wird. Aber ich finde, Schule sollte nicht den Anspruch haben, dass immer alles auf Biegen und Brechen fertig wird. Es geht ja mehr um den Prozess und nicht nur um das Ergebnis. Was mich beim Geschichtswettbewerb sofort angesprochen hat, ist, dass sich das Format geöffnet hat und man jetzt ein Film- oder Musikprojekt machen kann. Die letzten Tage vor der Abgabe waren auf jeden Fall stressig. Aber in der Summe war es cool, da mitzumachen: In meinem Fall konnte der Wettbewerb Spaß an Geschichte bei einer 6. Klasse wecken. Es ist toll, wenn sie merken: So ein Thema muss nicht trocken sein, man kann überall Sachen entdecken, die mit der Vergangenheit zu tun haben und die auch in der Zukunft eine Rolle spielen. Das ist das Tolle: Wenn es Klick gemacht hat, und sie haben Lust auf Geschichte.

Knobloch: Es fehlen uns in der Gesellschaft immer positive Beispiele: Das wäre mein Anliegen, dass man die positiven Beispiele, die hier entstehen, sichtbarer macht. Ich würde mich freuen, wenn die Beiträge noch sichtbarer wären, vielleicht irgendwo publiziert würden. Das würde den Wettbewerb noch weiter aufwerten, so dass nicht nur Preise eine Rolle spielen. Wenn Schüler:innen und ihre Mentor:innen erleben, was andere Wettbewerbsteilnehmer:innen für Ideen und für Ergebnisse hatten, wird auch das eigene Tun vielleicht noch einmal anders reflektiert. Auch für Eltern wäre es hilfreich zu sehen, dass Schule nicht nur aus Noten besteht, sondern Denken-Lernen wichtig ist. Das gehört in die Elternarbeit und auch in die Lehrerausbildung: Nicht nur Ergebnis-, sondern auch Prozessorientierung muss eine Rolle spielen und der Wettbewerb ist nicht zuletzt auch eine Übung für alle in angewandter Demokratie – mitmachen, Ideen entwickeln, sich dem Wettbewerb mit anderen stellen, Ergebnisse fixieren und reflektieren.

 

Kommentar hinzufügen

CAPTCHA
Diese Frage dient der Spam-Vermeidung.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image.