Über die Datenbank Games und Erinnerungskultur der Stiftung Digitale Spielekultur
Christian Huberts studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim. Seit März 2020 arbeitet er als Projektmanager bei der Stiftung Digitale Spielekultur und leitet dort seit Ende 2021 die Initiative „Erinnern mit Games“.
Malte Grünkorn studierte Wirtschafts- und Sozialgeschichte und VWL an der Universität Göttingen sowie Public History an der Freien Universität Berlin. Seit April 2023 arbeitet er als Projektmanager für das Projekt „Let‘s Remember! Digitale Erinnerungskultur vor Ort“ bei der Stiftung Digitale Spielekultur.
von Christian Huberts und Malte Grünkorn
Games greifen auf vielfältige Weise die Vergangenheit auf, sei es als narratives Setting oder durch an historische Prozesse angelehnte Spielsysteme. Manche von ihnen möchten gezielt an geschichtliche Ereignisse erinnern oder zum Diskutieren anregen. Andere nutzen originelle Strategien, um Informationen über die Vergangenheit zu vermitteln – oder sie lassen bewusst wie unbewusst erinnerungskulturelle Lücken. Um Orientierung in der Vielfalt der Angebote und Zugänge zu schaffen, bietet die Datenbank Games und Erinnerungskulturfundierte Einordnungen zu relevanten Spielen. Es handelt sich hierbei um eine von Geschichtswissenschaftler*innen kuratierte Liste von Games, die von erinnerungskultureller Relevanz sind. Zu jedem Spieleintrag nehmen die Autor*innen eine Einordnung vor. Dieses Informationsangebot wurde von der Stiftung Digitale Spielekultur in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele (AKGWDS) entwickelt.
Was ist ein erinnerungskulturell relevantes Spiel?
Da Games ein Massenmedium sind, prägen sie die Art und Weise, wie Gesellschaften ihre Geschichte aushandeln, wie Menschen sich an die Vergangenheit erinnern und diese medial und kulturell vergegenwärtigen. Ein Spiel ist also dann erinnerungskulturell relevant, wenn es historische Themen inszeniert. Bei den in unserer Datenbank gesammelten Spielen sind dies vorrangig Themen der deutschen Zeitgeschichte.
Erinnern hat zudem eine normative Ebene, insbesondere wenn an Holocaust, historisches Unrecht und Verbrechen erinnern werden soll. Ein Ziel historisch-politischer Bildung ist es, Bedingungen zu schaffen, erneutes Unrecht zukünftig zu verhindern. Daher sind auch Digitale Spiele, die gegenwärtige gesellschaftlich und politisch relevante Themen wie Antisemitismus, Rassismus oder politische Radikalisierung aufgreifen, erinnerungskulturell relevant. Die Anzahl an Spielen, die sich als Serious Games dezidiert dem Anliegen politisch-historischer Bildungsarbeit verschreiben, steigt stetig. Unsere Datenbank ist deshalb auch als Monitoring über diesen Teilbereich digitaler Spielekultur zu verstehen.
Darüber hinaus sind Spiele aufgeführt, die aus medienhistorischen und spielkulturellen Gründen relevantsind. Dies können Titel sein, die gesellschaftliche Debatten über den kulturellen Status Digitaler Spiele ausgelöst haben, oder solche, die auf spielmechanischer Ebene eine Vorreiterrolle eingenommen haben; oder schlicht aufgrund ihrer hohen Spieler*innenzahlen eine hervorgehobene spielkulturelle Bedeutung besitzen.
Bewertungsschema der Datenbank
Die Spiele werden durch das Redaktionsteam der Stiftung Digitale Spielekultur und die jeweiligen Autor*innen bewertet. Alle Spiele werden anhand der Kriterien Vermittlungspotenzial, Komplexität und Zeitaufwand eingeschätzt.
Die Kategorie Vermittlungspotenzial bewertet, inwiefern ein Spiel unserer Ansicht nach geeignet ist, dass Spielende sich mit ihm historisches Wissen oder Wissen über erinnerungskulturell relevante Themen aneignen können. Da das grundsätzlich auf alle aufgeführten Spiele zutrifft, ist weiterhin wichtig, inwiefern Spiel und Spielerfahrung jeweils für sich stehen können. Ein Spiel, dem unserer Sicht nach hohes Vermittlungspotenzial zukommt, braucht wenig pädagogische Rahmung. Hier können sich Spielende aus der Reflexion der eigenen Spielerfahrung historische Ereignisse und Zusammenhänge selbst erschließen. Ein Spiel mit einem geringeren Vermittlungspotenzial braucht hingegen eine intensive Einbindung in eine von Pädagog*innen gestaltete Lernsituation. Daher kann auch ein Spiel mit geringerem Vermittlungspotenzial flankiert durch produktive Fragestellungen und geeignete Methoden in der historisch-politischen Bildung eingesetzt werden.
Die Komplexität eines Spiels bemisst sich ebenso wie das Vermittlungspotenzial an unterschiedlichen Dimensionen. Von uns berücksichtigt werden Steuerung, Einarbeitung, Hardwareanforderung und Inhalt: Wenn ein Spiel eine schwer zu erlernende Steuerung hat, ist es komplex. Wenn es sehr schwierige Rätsel enthält oder eine umfassende Einarbeitung in die Thematik erfordert, um relevante spieltaktische Entscheidungen treffen zu können, ebenfalls. Auch wenn ein Spiel spezielle Hardwareanforderungen hat, erhöht dies die Komplexitätsbewertung. Außerdem wird der Inhalt berücksichtigt. Ein Spiel, dessen erinnerungskulturelles Potenzial sich erst nach einer intensiven Spielerfahrung, nach Recherche und Dekonstruktion der inszenierten Geschichtsbilder entfalten kann, halten wir ebenfalls für komplex.
Der Zeitaufwand ist schlicht die ungefähre Spielzeit für einen Spieldurchlauf. Wenn dieser weniger als zwei Stunden dauert, ist er gering. Wenn Spielzeiten von über zwanzig Stunden erforderlich sind, ist dies ein hoher Zeitaufwand. Es lassen sich allerdings auch Spiele in Lernsituationen nutzen, ohne dass diese selbst (komplett) gespielt werden müssen. Etwa, indem Einzelaspekte herausgegriffen oder Spielsequenzen in Form beispielsweise von Let’s Plays genutzt werden.
Wie finde ich ein Spiel?
Die Datenbank kann mit einer Volltextsuche durchsucht werden, so dass direkt nach Spielen und Begriffen gesucht werden kann. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, die Suchergebnisse hinsichtlich der vorgestellten Kategorien Vermittlungspotenzial, Komplexität und Zeitaufwand zu filtern, ebenso nach Genres und der Altersfreigabe. Es ist außerdem möglich, die Treffer anhand von Themen wie etwa Flucht einzugrenzen. Die Kategorie Zugänglichkeit gibt Auskunft darüber, ob das Spiel beispielsweise in deutscher Sprache verfügbar ist oder ob begleitende Lehrmaterialien vorhanden sind.
Die Datenbank wird laufend erweitert. Wir freuen uns, dass wir im Rahmen des aktuellen Projekts der Stiftung Digitale Spielekultur „Let’s Remember. Erinnerungskultur mit Games vor Ort“ die Datenbank um neue Einträge erweitern sowie die Benutzeroberfläche gestalterisch überarbeiten können. Wenn Sie Feedback oder Fragen zur Datenbank Games und Erinnerungskultur haben, freuen wir uns über Mails an erinnerungskultur [at] stiftung-digitale-spielekultur [dot] de.
Der Aufbau der Datenbank wurde finanziert durch Fördermittel der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ). Die Erweiterung der Datenbank im Dezember 2021 wurde gefördert aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. Die Erweiterung der Datenbank um das Thema „Flucht und Migration“ im Juni 2022 im Rahmen des Projektes Migration Lab Germany wurde aus Mitteln der EVZ, der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, des Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus und von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gefördert.
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- 20 Dez 2023 - 09:43