Sabrina Pfefferle ist studentisches Redaktionsmitglied des LaG-Magazins.

von Sabrina Pfefferle

Bei der Frage, wie die Zeit des Nationalsozialismus an junge Menschen vermittelt werden kann, rückt die Aufgabe ins Zentrum, Geschichte einerseits in ihrer Komplexität, andererseits möglichst verständlich und damit breit zugänglich zu thematisieren. Hinzu kommen neue Herausforderungen wie der Einsatz digitaler Formate, heterogene Zielgruppen sowie die zunehmende Distanz zu den historischen Ereignissen selbst. Im Folgenden werden zwei Handreichungen vorgestellt, die das Ziel haben, ebendiesen Herausforderungen mit Hilfe zielgruppenorientierter Vermittlungsansätze zu begegnen. Beide Projekte wurden durch die Stiftung EVZ im Rahmen des Programms Jugend erinnert international gefördert.

Die Handreichung „New ways of remembering together – ein internationales Projekt zur pädagogischen Auseinandersetzung mit der Shoah und multiperspektivischen Formen des Erinnerns. Methodensammlung“ der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e.V. (KIgA) wurde von dreißig Lehramtsstudierenden aus Israel, Polen, Tschechien und Deutschland entwickelt, die sich im Rahmen von Seminaren und Exkursionen mit der Shoah, mit Formen der Aufarbeitung und mit antisemitismuskritischer Pädagogik beschäftigt haben. Ausgehend von diesen Erfahrungen haben die Studierenden fünf methodische Zugänge zur Gestaltung von Unterrichtseinheiten zur NS-Geschichte für Schüler:innen und Multiplikator:innen ab 16 Jahren konzipiert.

In ihrem Zentrum steht die Vermittlung bedeutsamer Themenkomplexe der aktuellen NS-Forschung und die Reflexion nationaler Narrative, um den Konstruktionscharakter von Geschichte nachvollziehbar zu machen. Es werden verschiedene Formen der Involvierung von Frauen im Nationalsozialismus (Methode 1), die Kategorisierung von Verhalten und Täterschaft (Methode 2) sowie Flucht und Migration im Kontext des Nationalsozialismus (Methode 3) aufgegriffen. Zudem werden Bedeutungsdimensionen von Symbolen und Gedenkorten (Methode 4) sowie ältere und neuere Formen des Erinnerns an die Shoah (Methode 5) diskutiert.

Bei den Methoden 1 bis 3 wird ausgehend von einzelnen Frauen- bzw. Familienbiografien biografisches Lernen als Vermittlungsmethode genutzt. Biografische Texte werden durch eine Vielzahl an Quellen wie Fotografien, Briefe und Postkarten ergänzt. Diese Fülle an Quellenmaterial bietet eine hervorragende Basis. Sie macht jedoch auch eine engere Auswahl notwendig, um eine genaue und quellenkritische Aufbereitung der Materialien durch die Lernenden zu unterstützen. Auf inhaltlicher Ebene ist hervorzuheben, dass den Methoden eine multinationale Perspektive auf die Erforschung der NS-Zeit zugrunde liegt. Diese zeigt sich etwa in der Auswahl der Biografien und Gedenkorte. Die klar strukturierten und inhaltlich sehr gut ausgearbeiteten Methoden bieten zudem den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Vielfalt an didaktischen Mitteln und inhaltlichen Themen flexibel an die Rahmenbedingungen des jeweiligen Vermittlungssettings angepasst werden können.

Die Handreichung „From History to Modern Society. Teaching the Holocaust in A Multicultural Classroom“ des Center for Humanistic Education des Ghetto Fighters’ House Museum und der KZ Gedenkstätte Dachau umfasst eine Reihe an Methoden, die mit dem Ziel entwickelt wurden, eine diverse Zielgruppe zu erreichen. Zudem werden Vermittlungsansätze vorgestellt, die auf eine umfassende Begegnung mit Gedenkorten und Museen abzielen. So soll ein nachhaltiger Lernprozess ausgehend von diesen Besuchen ermöglicht werden. Die Methoden wurden von israelischen und deutschen Lehrer:innen und Multiplikator:innen entwickelt und richten sich an Jugendliche ab 15 Jahren. Sie sind in englischer, hebräischer, deutscher und arabischer Sprache verfügbar.

Die Methoden fokussieren auf drei konkrete Probleme und Herausforderungen: Die Diskrepanz zwischen den pädagogischen Zielen der Lehrer:innen und den Interessen der Schüler:innen, die Förderung von Empathie und Perspektivwechsel als Voraussetzung für die Vermittlung von geschichtspolitischem Wissen sowie die Gestaltung eines tiefgreifenden Besuchs von Gedenkstätten. Zur Sensibilisierung für die sozialen und politischen Kontexte, in denen sich Menschen in der NS-Zeit befanden, werden beispielsweise die Reflexion individueller Handlungsmöglichkeiten („One always has a choice“) sowie die biografische Aufarbeitung einer Fluchtgeschichte („Stay or emigrate?“) genutzt.

Die Autor:innen gehen somit nicht von Themenkomplexen, sondern von spezifischen Schwierigkeiten in der didaktischen Vermittlung von Geschichte aus. Die Methoden unterstützen daher vorrangig auf didaktischer Ebene dabei, verschiedene Themen besser an die Bedürfnisse und Kenntnisse der Lernenden anzupassen und schon bestehende Unterrichtseinheiten zu modifizieren. Besonders gelungen ist die Methode zur Vor- und Aufbereitung von Gedenkstättenbesuchen, die eine vertiefte Beschäftigung mit dem Erfahrenen und dessen Verknüpfung mit bereits Gelerntem ermöglicht.

Insgesamt fällt auf, dass dem schwierigen Spagat zwischen Zugänglichkeit und Komplexität in den vorgestellten Handreichungen insbesondere durch biografische Methoden Rechnung getragen wird. Der Herausforderung, Zielgruppen gerecht zu werden, die sich hinsichtlich ihrer Interessen, Bedürfnisse und Vorkenntnisse stark voneinander unterscheiden, wird einerseits durch multinationale Perspektiven in der Vermittlung von NS-Geschichte begegnet sowie andererseits durch eine Anpassbarkeit der Methoden an diese verschiedenen Voraussetzungen.

 

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