Empfehlung Fachdidaktik

„Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung“ – Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit

Von Tanja Kleeh

Die 2015 vom Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch - Tandem herausgegebene Broschüre „Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung. Materialien und Methodenbausteine für deutsch-tschechische Erinnerungsarbeit“ zeigt Ansätze transnationaler, historisch-politischer Bildungsarbeit in deutsch-tschechischer Perspektive auf. Dabei wird vor allem auf die Bildungsarbeit in KZ-Gedenkstätten eingegangen, „die Bezüge zu tschechoslowakischen Opfern aufweisen“ sowie auf die beiden tschechischen Gedenkstätten Theresienstadt/Terezín und Lidice.

Als historischen Einstieg bietet Dalibor Krčmář auf fünf Seiten einen kompakten, aber dennoch detaillierten Überblick über das Protektorat Böhmen und Mähren (S.9f). Dabei werden grundlegende Fakten wie die Besetzung und Umwandlung in die Verwaltungsform Protektorat durch das nationalsozialistische Deutschland erläutert sowie die Ziele dahinter erläutert. Diese Ziele werden unter den Punkten „systematische Liquidierung des tschechischen Volkes und 'Germanisierung' des Gebiets“ sowie der „Ausbeutung menschlicher und wirtschaftlicher Ressourcen für die deutsche Kriegsführung“ (S.10) zusammengefasst. Ebenso wird auf Formen des Widerstands von tschechoslowakischer Seite eingegangen, beispielsweise die Organisation Obrana národa (Verteidigung der Nation), die sich bereits im ersten Jahr der Besatzung bildete. Auch ein Ausblick auf die Langzeitwirkung der Besatzung durch das nationalsozialistische Deutschland wird geboten, wenn etwa von Prozessen gegen Kollaborateure nach Kriegsende berichtet wird (S.12).

Darüber hinaus werden die wichtigsten historischen Ereignisse bis ins Jahr 1946, beginnend bereits 1918, in einer dreiseitigen Chronik noch einmal dargestellt. Dabei werden sowohl Ereignisse im Deutschen Reich als auch in der Tschechoslowakei berücksichtigt. Abgerundet werden die historischen Informationen durch ein Glossar, welches wichtige Begriffe erklärt bzw. definiert.

Neben diesen Grundlagen werden in der Broschüre umfangreiche Informationen und Materialien zur Arbeit in Gedenkstätten zur Verfügung gestellt. Insgesamt sind in der Broschüre sieben Gedenk- und Bildungsstätten aufgeführt: Theresienstadt, Lidice, Flossenbürg, Ravensbrück, Sachsenhausen, das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände Nürnberg sowie das Max Mannheimer Studienzentrum Dachau. Zu jedem der behandelten Orte sind Hinweise zur Geschichte des historischen Ortes, Informationen zur Gedenkstätte und den pädagogischen Angeboten enthalten. Ebenfalls wird auf Biografien von Opfern - im Falle des Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände von Tätern - eingegangen, so dass diese im Rahmen der historisch-politischen Bildung und ähnlicher Projekte verwendet werden können. Auch grundlegende Hinweise wie Öffnungszeiten und Ansprechpersonen sind in der Broschüre zu finden.

Insbesondere die sorgfältig ausgewählten Biographien bieten Ansatzpunkte für die transnationale Bildungsarbeit. Anhand der einzelnen Schicksale können Zugänge zur Geschichte des Ortes gesucht und gefunden werden. So beispielsweise in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen die Lebensgeschichte des Studenten Vladimír Matějka. Geboren 1919 in der Tschechoslowakei, wurde er im November 1939 verhaftet und nach Sachsenhausen deportiert. Zuvor war es in Prag zu Protesten gegen die deutschen Besatzer gekommen, bei denen der Student Jan Opletal getötet wurde. Im Zuge dessen verhafteten die deutschen 1.140 Studenten, um sie nach Sachsenhausen zu verschleppen, unter ihnen Vladimír Matějka (S.68).

Diese Schicksale werden im Seminar „Tschechische Studenten im KZ Sachsenhausen“ weiterverfolgt. An ihrem Beispiel, so die Broschüre, vollziehen die Teilnehmer_innen historische Forschungsprozesse nach. Ausgehend von einem Exponat, einem Foto oder einem Dokument, erarbeiten sie sich größere historische Zusammenhänge der Geschichte des KZ Sachsenhausen (S.65). Durch ihren transnationalen Bezug und ihren modularen Aufbau können die vorgestellten Seminare in mehrtägige deutsch-tschechische Jugendbegegnungen eingebettet werden.

Insgesamt bietet die Broschüre „Gemeinsam auf dem Weg zur Erinnerung“ einen guten Überblick über die momentan existierenden Angebote in Gedenkstätten, die einen Bezug zur tschechisch-deutschen Geschichte haben. Dank ihrer umfangreichen Hintergrundinformationen bietet sie zeitglich eine gute Grundlage für Seminarleiter_innen als auch Teilnehmer_innen, die sich mit der Thematik auseinandersetzen möchten. Gerade dank der Biographien wird die Broschüre zu mehr als einer reinen Informationsquelle. Da es auch auf tschechisch verfügbar ist, wird es zur wertvollen Quelle der Vorbereitung in der transnationalen Erinnerungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen.

Die Broschüre ist auf der Homepage von Tandem kostenfrei zum Download verfügbar.

 

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