„Lost Generation“ – Volksbund App zum Ersten Weltkrieg
Von Lucas Frings
Unzählige junge deutsche Soldaten meldeten sich ab 1914 mit großen Hoffnungen, patriotischen Gefühlen und wenig Vorstellungen von brutaler Kriegsrealität zum Heeresdienst. Im Herbst 2014, 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges, wandte sich der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit der App „Lost Generation“ gezielt an die Smartphone-affine Generation um diese für das Thema zu öffnen, für die Schicksale damals Gleichaltriger zu sensibilisieren und über die Arbeit des Volksbundes zu informieren.
Die App gibt es kostenlos für Android- und iOS-Geräte und kann offline genutzt werden. Intuitive Handhabung und übersichtliche Gestaltung ermöglichen sowohl längere Nutzung als auch die kurze Beschäftigung zwischendurch.
Eintauchen in eine Familiengeschichte
In der Anwendung entscheidet sich die_der Nutzer_in für einen von fünf jungen Menschen – als Avatare im Comicstil dargestellt – deren Perspektive er entlang des Kriegsverlaufs folgt. Zur Wahl stehen ein Mitglied des Wandervogels, ein begeisterter Kriegsfreiwilliger, ein angehender Rabbiner, eine Krankenschwester an der Ostfront und ein Junge, der in der Kriegsindustrie arbeitet. Die Lebensgeschichten sind real, aus der Ich-Perspektive erzählen die Figuren von ihren Erlebnissen und dem Schicksal von Freunden und Verwandten. Stellenweise mischt sich aber eine fiktive Einordnung in die Quellenzitate, wenn etwa der Avatar Hermann Boeddinghaus die heroischen Schilderungen in den Briefen seiner realen Vorlage relativiert.
In fünf ca. drei- bis vierminütigen Episoden folgt man der Person durch die Jahre. Die Nutzer_innen treffen – anders als bei einem Spiel – keine Entscheidungen in der Rolle der Avatare sondern folgen dem linear vorgezeichneten Erzählstrang, eine gewisse Distanz zu den jungen Menschen von 1914 bleibt so bestehen. Neben der Tonspur bringen Familienfotos, Postkarten und Militärausweise die Lebensgeschichten dafür visuell näher. Sie werden durch allgemeine Dokumente oder zum Erzählverlauf passenden Bildern kontextualisiert, zu den Episoden gibt es in Clips und Bildstrecken weiterführende Informationen, etwa zur Arbeiterjugendbewegung und der Dolchstoßlegende.
Die Episoden stützen sich überwiegend auf Briefe und Tagebucheinträge. Dadurch wirken sie stellenweise etwas hölzern. durch Betonung, musikalische Untermalung und kleine Einfügungen – etwa die Ausschmückung der Schlafbedingungen im Schützengraben wie man sie aus anderen Kriegsberichten kennt – werden sie jedoch wieder lebendiger. Gelungen arbeiten die Entwickler_innen vor allem den sich wandelnden Blick auf den Krieg heraus. So berichtet die Figur Wilhelm Fries zunächst euphorisch über seine in den Krieg gezogenen Brüder um den Nutzer_innen später seine Motivation für Friedensarbeit und die Pflege der Gräber gefallener Soldaten darzulegen.
Nutzung auch im Unterricht
Die App ist gut für die individuelle Beschäftigung geeignet, darüber hinaus hat der Volksbund didaktisches Material für den Schulunterricht entwickelt. Neben dem Verständnis politischer Entwicklungen und historischer Gegebenheiten sollen die Schüler_innen dabei vor allem die unterschiedlichen Lebensumfelder der fünf Jugendlichen kennen lernen um deren Perspektiven auf den Krieg besser zu verstehen. Die Beschäftigung kann in wenigen Schulstunden stattfinden, es finden sich jedoch auch Anregungen für die Einbindung in längere Projekte.
Zusammenfassung
Mit „Lost Generation“ ist dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ein kurzweiliges und gleichermaßen informatives Produkt gelungen. Schnell können die Nutzer_innen sich in die unterschiedlichen Lebensumstände der portraitierten jungen Menschen zur Zeit des Ersten Weltkrieges hineinversetzen und den Informationsgehalt selbst so dosieren, dass sie sich weder langweilen noch überfordert sind.
Projekt des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.in Kooperation mit dem Bundesarchiv und mit Unterstützung des DHM Berlin.
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- 28 Feb 2018 - 07:28