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Religion und Bilderwelten

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Stefan Semel ist Lehrer an der Realschule Neureut.

Von Stefan Semel 

Vor kurzem wurde ein spanischer Tourist in Myanmar festgenommen und ausgewiesen, weil er an seinem rechten Bein eine Buddha-Tätowierung hat.

Religion und Bilder stehen in einem Spannungsfeld. Das zeigen nicht nur aktuelle Ereignisse, zu denen auch der blutige Streit um die Mohammed-Karikaturen gehört. In Judentum und Islam gab und gibt es relativ eng ausgelegte Bilderverbote, weshalb sich in Synagogen und Moscheen weder Darstellungen von Gott noch von Menschen finden lassen.

Auch in der christlich-abendländischen Geschichte ist der richtige Umgang mit Bildern immer wieder diskutiert worden, besonders kontrovers während der Reformation. Welchen Stellenwert nehmen Bilder ein? Wie prägen religiöse Vorstellungen unsere Bilderwelten? Diese Fragen bergen großes didaktisches Potential, das sehr gut für die Teilnahme am Wettbewerb des Bundespräsidenten genutzt werden kann. 

Das Verhältnis der christlichen Konfessionen zum Bild 

Lange Zeit haben Menschen Steine, Höhlenbilder, Bäume oder andere Dinge angebetet. Erst das Judentum entwickelte die Idee eines abstrakteren Gottesbildes, das auf Wort und Schrift beruht. Ein Bilderverbot sollte die neue Religion von Aberglaube und Vielgötterei abgrenzen und einen Rückfall in das Heidentum verhindern.

Das Christentum übernahm vom Judentum mit den Zehn Geboten zunächst auch das Bilderverbot. Das gilt auch für plastische Abbildungen: der Tanz um das goldene Kalb ist in beiden Religionen Sinnbild für Gotteslästerung durch Götzenverehrung. Dass Gott nicht darstellbar ist, wurde als Ausdruck von Ehrfurcht und Demut akzeptiert. Ein totales Bilderverbot allerdings war nicht durchsetzbar. Eine Religion ganz ohne Bilder war vielen Menschen dann doch zu abstrakt. Die katholische Kirche legte in dieser Frage im Wesentlichen die Libri Carolini (um 790) zugrunde, die den Gebrauch der Bilder als Schmuck, zur Erinnerung an heilige Personen und zur Belehrung der Leseunkundigen gestattete.

Aber auch die Verehrung von Bildern war in der Volksfrömmigkeit tief verwurzelt. Frühchristliche Denker lösten dieses Problem, indem sie behaupteten, die einem Bild Christi entgegengebrachte Verehrung gelte nicht dem Gegenstand, sondern Christus selbst und gehe damit automatisch auf ihn über. In Byzanz setzten sich 843 im Bilderstreit endgültig die Bildverehrer durch. In den orthodoxen Kirchen gibt es deshalb mit prunkvollen Mosaiken ausgestattete Kirchenräume und die berühmten, kultisch verehrten Ikonen.

Auch in der katholischen Kirche wurden Bilder und Statuen zu Objekten der Anbetung, denen allerlei wundertätige Kraft zugeschrieben wurde. Der verehrte Heilige wurde so sehr mit seinem Abbild identifiziert, dass der Schänder eines Bildes auf die gleiche Weise bestraft wurde, als hätte er dem Heiligen selbst Leid zugefügt. Die katholische Kirche profitierte ordentlich von Wallfahrten, Ausstellungen und Verkäufen.

Mit der Reformation wurde der Stellenwert der Bilder neu verhandelt. Für Martin Luther waren die Predigt und die Verbreitung von Texten zentral. Er lehnte vor allem den Missbrauch der Bilder ab, d.h. die kommerzielle Nutzung. Tatsächlich war die Hoffnung auf Wunscherfüllung durch das Berühren von Statuen und Bildern gegen Geld mit dem verhassten Ablasshandel vergleichbar. Ansonsten vertrat Luther einen pragmatischen Standpunkt: „ … wir müssen zugeben, dass es noch Menschen gibt, die … die Bilder gut gebrauchen könnten.“ Für ihn sind Bilder „ …. weder gut noch böse, man kann sie haben oder nicht haben.“ Das Luthertum behielt die Kirchenkunst in bereinigter Form bei. Altar- und Wandbilder zur Belehrung waren erlaubt. Auf der Rückseite des Altars in der Danziger Johanneskirche stand ein Gedicht, das diese Einstellung deutlich macht: „Mein Christ, dies Altar nicht ist gemacht, auch nicht die Bilder, nimms in acht, sie anzubeten und zu ehren, denn das gehört allein Gott dem Herren. Wer anderswo die Hülffe sucht, der ist verdammt und verflucht. …“ Interessanterweise scheint eine solche Warnung nötig gewesen zu sein.

Die Reformierten Calvin und Zwingli gingen noch einen Schritt weiter als die Lutheraner. Jeglicher Bilderkult wurde verboten und in der Kirche hatten Bilder nichts zu suchen. Das führte zu Bilderstürmen, mit denen in zahlreichen Städten jedes Bildwerk aus den Kirchen gefegt wurde. (Eine schöne Ausnahme bildet die schweizerische Gemeinde Thal. Sie beschloss im Frühjahr 1529, den Bildersturm nicht auszuführen, weil im Falle eines katholischen Sieges die Wiederanschaffung der Kunstwerke zu teuer würde.) Reformierte Predigtkirchen sind schmucklos, aus Altären wurden Tische und der kunstvolle Kelch zum einfachen Becher. Heute findet sich dazu ein eindrucksvolles Beispiel in Karlsruhe. Die Kirche der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde (Baptisten) besteht aus einfachem Stampflehm und wurde von den Mitgliedern der Gemeinde mit einem Lehmbauer selbst gebaut. Jede Lehmschicht steht für ein Tagwerk. Der Kirchenraum wirkt dadurch erdverbunden und ist von extrem nüchterner Anmutung. Nichts soll den Gläubigen ablenken. Im „Raum der Stille“, einem kleinen Andachts- und Gebetsraum, besteht der Altar aus Bretterholz, das Handwerker liegen ließen. Einfacher geht es nicht. 

Eine konfessionelle Bildsprache 

Der Streit der Glaubensrichtungen manifestiert sich in einem Konflikt, bei dem sich unsere beiden Instrumente der Weltaneignung gegenüberstehen: das Wort und das Bild. Während andere Konfessionen das Bild zumindest als entbehrlich ansehen, gilt es der römisch-katholischen Kirche immer noch als unersetzlich. 1563 wurde auf dem Konzil von Trient die Verehrung religiöser Bilder verteidigt, zugleich aber auch Aberglaube und Gewinnstreben verurteilt. Im Zuge der Gegenreformation ließ man die volksnahen Heiligen- und Reliquienverehrung wiederaufleben.

Gleichzeitig bildete sich eine konfessionelle Bildsprache heraus. „Katholische“ Bilder sollen den Betrachter fesseln und emotional überwältigen. „Das Jüngste Gericht“ von Jan Provost (nach 1525) ist dafür ein gutes Beispiel. Es zeigt Jesus als Weltenrichter inmitten eines fantastisch-apokalyptischen Szenarios. Das Bild wird dem Betrachter gehörig Angst eingejagt haben, denn Begriffe wie „Himmel“ und „Hölle“ wurden damals nicht sinnbildlich, sondern sehr konkret verstanden. Indem es den Wert guter Werke in den Mittelpunkt stellt, übermittelt es eine wichtige Botschaft der katholischen Lehre.

Den Gegenentwurf dazu zeigt Lucas Cranach der Ältere mit seinem Bild „Christus segnet die Kinder“ (nach 1538). Die Kindersegnung ist für Lutheraner von großer Bedeutung, denn sie veranschaulicht die Auffassung vom Glauben als göttlicher Gnade. Kinder können noch keine guten Werke vollbracht haben, sondern nur ihren reinen Glauben vorweisen. Dennoch kommen sie bevorzugt in das Paradies. Das Bild ist wenig farbenfroh und einfach gehalten, so wie Martin Luther es schätzte. (Aus den Tischreden aus Johann Aurifabers Sammlung: „Doct. L. sprach ein Mal, dass Albrecht Dürer, der berühmte Maler zu Nürnberg, hätte pflegen zu sagen: Er hätte keine Lust zu Bildern, die wären mit viel Farben gemalet, sondern die da aufs Einfältigste und fein schlecht gemacht wären. Also sagt er, dass er auch Lust hätte zu Predigten, die fein einfältig einher gingen, da einer verstehen könnte, was man predigte.“)

Der Betrachter soll nicht überwältigt, sondern mit Argumenten überzeugt werden. Dazu passt der Verweis auf eine Bibelstelle, mit dem das Bild um einen Text ergänzt wird.

Bilder waren auch Waffen im Glaubenskampf. Betrachten wir heute das „Bildnis des Großinquisitors Kardinal Fernando Nino de Guevara“ von El Greco (um 1600), sehen wir das furchteinflößende Portrait eines Mannes mit dunkler Brille. Tatsächlich enthält das Bild aber eine spezielle Botschaft, die von Zeitgenossen auch verstanden wurde. Durch Auswahl des progressiven Malers und die Darstellung einer hochmodernen Fadenbrille sollte die fortschrittliche Gesinnung des Inquisitors und damit der katholischen Kirche dokumentiert werden.

Weniger subtil sind die Spottbilder dieser Zeit. Der Papst wird als Esel (Lukas Cranach der Ältere 1523) dargestellt oder Martin Luthers Kopf zur Sackpfeife, auf der der Teufel spielt (Erhard Schoen 1521). Ein besonders bildgewaltiges Beispiel ist die „Satire auf die katholische Geistlichkeit“ (Matthias Gerung zugeschrieben, vor 1536). Durch die Verbindung einer riesigen, dämonischen Kreatur mit dem katholischen Klerus wird scharfe Kritik am Lebenswandel der Geistlichen und am Ablasshandel geübt. Karikaturen erlebten während Reformation und Konfessionalisierung eine erste Blüte.

Didaktische und unterrichtspraktische Aspekte

Geschichtsunterricht ist heute ohne Bilder nicht vorstellbar. Als Darstellung machen sie Vergangenheit anschaulich und erfahrbar, als Quelle liefern sie wichtige Erkenntnisse.

2017 jährt sich die Reformation zum 500. Male, was große öffentliche Aufmerksamkeit mit sich bringt. Dennoch ist Religionsgeschichte für Kinder und Jugendliche sehr fern. Die Auseinandersetzung mit Bildern macht dieses Thema konkreter und bietet vielfältige Arbeitsmöglichkeiten. Schülerinnen und Schüler können eine Karikatur entschlüsseln und historisch einordnen. Mehrere Karikaturen lassen sich in einem Quer- oder Längsschnitt vergleichen. Bilder können auf ihre konfessionelle Bildsprache hin untersucht werden. Dazu bietet es sich an, auch außerschulische Lernorte wie Kirchen und Museen aufzusuchen. 

Bildbeispiele und Unterrichtsvorschläge

Semel, Stefan: Faszination gegen Argumentation. Die Konfessionalisierung der Bilderwelten, in: Geschichte lernen, Heft 84 (2001), S. 43-49

Ders.: Glaubenskampf als Bilderkampf. Ein Beispiel konfessioneller Bildpropaganda, in: Geschichte lernen, Heft 84 (2001), S. 40-42.

 

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