Bildungsmaterialien zum Thema „Spanischer Bürgerkrieg“
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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel Sie müssen angemeldet sein, um das Benutzerprofil zu sehen |
Von Constanze Jaiser
Blickt man in deutsche Schulbücher, fand der Krieg in Spanien nicht statt. Und dies, obwohl es gewichtige Gründe gäbe, sich damit zu beschäftigen. Da wäre zum einen die Tatsache, dass er thematisch zum Zweiten Weltkrieg dazugehört, denn Spanien wurde zu einem militärischen Experimentierfeld, auf dem sich unterschiedliche politische Kräfte Europas (und der Sowjetunion) bewegten. Zum anderen offenbart er heutigen Schülerinnen und Schülern – neben einer vorbildlich heterogenen Vielfalt – eine Einsicht, deren Leugnung sie bis heute aus der deutschen Gesellschaft übernommen haben: Man konnte wissen, wohin der Faschismus in Europa und insbesondere das auf Krieg ausgerichtete NS-Regime führen würde.
Das aus heutiger Sicht Unglaubliche war, dass rund 45.000 Männer und Frauen aus 54 Ländern nach Spanien kamen, um der spanischen Republik zu helfen, seine junge Demokratie vor den Putschisten zu retten. Sie kämpften schlecht bewaffnet an den Fronten, als Kriegsberichterstatter, als Ärzt/innen und Krankenschwestern. Mindestens 3.000 Deutsche waren unter den Interbrigadisten, Männer wie Frauen, darunter schätzungsweise 500 deutsch-jüdischer Herkunft, 1.400 Österreicher/innen, darunter einige der berühmtesten Bataillonskommandeure; und über 700 Schweizer/innen.
So unterschiedlich die Erinnerungen über den Spanischen Bürgerkrieg in den Ländern sein mögen, so kontrovers die Meinungen über die Motivationen, die Methoden, die internen Kämpfe der Verteidiger und Verteidigerinnen sind: In historisch einmaliger Weise haben hier Frauen und Männer für ihren Begriff von Freiheit ihr Leben eingesetzt und in einem Akt internationaler Solidarität gekämpft.
Dokumente aus Literatur, Musik und Kunst, einschließlich Kinderzeichnungen, aus dieser Zeit sind zahlreich vorhanden. Aber auch Einzelschicksale und biographische Details lassen sich finden, sodass es möglich ist, auch fächerübergreifend, spannende Unterrichtseinheiten zum Thema zu entwickeln. Dass sich das Thema auch für den Sprachunterricht eignet, zeigen z.B. Texte prominenter anglophoner, französischer oder spanischer Literaten, wie Ernest Hemmingway (For Whom the Bell Tolls), Georges Orwell (Hommage to Catalonia), André Malraux (Éspair), Jean-Paul Sartre (Le Mur) oder die Gedichte Federico Garcia Lorcas, den die Franquisten 1936 ermordeten. Im Folgenden sollen einige Quellen vorgestellt werden, die sich in erster Linie für den Geschichts-, Politik- und Deutschunterricht eignen.
Literatur und Poesie
Im Berliner Aufbau Verlag erschien bereits 2004 unter dem Titel „Die Kinder von Guernica. Deutsche Schriftsteller zum Spanischen Bürgerkrieg“ eine von Wilfried Schoeller herausgegebene Sammlung von Erinnerungen und vor allem von Reportagen und Kommentaren, mit denen sich deutsche Schriftsteller/innen und Publizisten/innen für die bedrohte Spanische Republik engagierten. Das Lesebuch umfasst ein breites Spektrum politischer Positionen und enthält Texte von Thomas, Klaus und Erika Mann bis hin zu Maria Osten, Hubertus Prinz zu Löwenstein und Willy Brandt.
Besonders empfehlenswert ist ein Text von Klaus Mann, der, zusammen mit seiner Schwester Erika Mann, junge Flieger der berüchtigten Legion Condor im Gefängnis besucht hatte, und der dieses Interview in einer gelungenen Reportage festhält. (Vgl. dazu passend auch das Gedicht Bertold Brechts „Mein Bruder war ein Flieger“ aus den Svendborger Gedichten von 1937)
Texte aus dem Online-Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung
Empfehlenswert sind auch Schilderungen, die zeitgenössische Kämpfer/innen noch während des Krieges verfassten und die damals in Broschüren erschienen sind. Es ist das Verdienst der Friedrich-Ebert-Stiftung, einige dieser Originaldokumente als Scans in ihrer Online-Bibliothek zugänglich gemacht zu haben – sicherlich auch in Gedenken an Willy Brandts Engagement im Spanischen Bürgerkrieg, von dem ebenfalls ein Text vorliegt. Drei dieser Schilderungen aus der Rubrik „Aus dem Krieg“ möchte ich herausgreifen: eine widmet sich dem Thema der Frauen im Spanischen Bürgerkrieg, die beiden anderen sind Broschüren, die mit vielen Fotos auf die Situation der spanischen Bevölkerung und auf den Einsatz der internationalen Hilfskräfte eingehen.
Eine Gutsbesitzerin im „Kampf dem Tode“
Die erste Broschüre „Kampf dem Tode. Die Arbeit des Sanitätsdienstes der Internationalen Brigaden. Mit einem Vorwort von Egon Erwin Kisch erschien 1937 in Madrid. Die Autorin, Auguste Jirku, genannt Gusti, geboren in den 1890er Jahren (die Angaben variieren) in Czernowitz (Bukowina), war vor dem Krieg Gutsbesitzerin und wohnte auf Schloss Hartenstein in Gradec (Krain). Sie war als Schriftstellerin tätig, beispielsweise in Feuilletons im „Neuen Wiener Tagblatt“ oder 1931 mit ihrem Roman „Zwischen den Zeiten“. Offenbar interessierte sie sich früh für den Kommunismus, im Jahr 1932 war sie in Moskau. Am 12. Februar 1937 brach Auguste Jirku nach Spanien auf, wo sie unter anderem Mitarbeiterin und stellvertretende Chefredakteurin von Ayuda Médica Internacional war. Ihr Augenmerk lag besonders auf den weiblichen Spanienkämpfern, außer der genannten Broschüre erschien in Valencia eine weitere unter dem Titel „Wir kämpfen mit! Antifaschistische Frauen vieler Nationen berichten aus Spanien“ (1938). Im Juni 1938 schlug sie sich von Barcelona nach Paris durch, wo sie für die „Pariser Tageszeitung“ tätig war. (Informationen aus dem Lexikon österreichischer Spanienkämpfer).
Die Sprache der Broschüre ist einfach und die Inhalte spannend zu lesen, gerade zum unterbelichteten Thema der Frauen bei den Interbrigaden, aber auch zum Alltagsgeschehen unmittelbar hinter den Fronten erfährt man viel Interessantes. So berichtet sie beispielsweise von der LKW-Fahrerin Evelyn, einer amerikanischen Spanienkämpferin, die mit ihren 26 Jahren unerschrocken und mutig den Ambulanzwagen auf umkämpften Straßen manövrierte. Es handelt sich hierbei übrigens um Evelyn Hutchins, die den Krieg überlebte, und auf der Webseite der Lincoln Brigade kann zusätzlich das Exzerpt eines Interviews mit ihr eingesehen werden.
Die beiden anderen Broschüren enthalten unterschiedlich lange, bebilderte Reportagen zu Themen, die beim Spanischen Bürgerkrieg mitunter in den Hintergrund geraten, nämlich die Auswirkungen dieses Krieges auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf die Kinder.
Das 1937 in Aarau erschienene Heft „Spanien. Menschen in Not. Bilder aus dem verwüsteten Spanien, mit Texten von Roman Rolland, Heinrich und Thomas Mann“ enthält Berichte unterschiedlicher Akteure, darunter auch von Geistlichen und Politikern, vor allem aber (leider nicht in Druckqualität vorliegend) zahlreiche Fotos, und zwar Fotos von denjenigen, die als Opfer dieser kriegerischen Auseinandersetzung gelten müssen. Für den Unterricht könnte es allerdings ein Problem werden, dass die benutzte Frakturschrift zwar den Eindruck, ein Originaldokument vorliegen zu haben, unterstützt, für einige Schüler/innen jedoch eine nur schwer zu überwindende Hürde darstellt.
Bei dem Heft „Spanien. Not und Hilfe“ handelt es sich um einen Tatsachenbericht einiger Schweizer und Schweizerinnen, die im Mai 1937 Spanien bereisten. Herausgegeben vom Schweizer Arbeiterhilfswerk im selben Jahr in Zürich, hatte es einen Umfang von 47 Seiten. Im Vorwort stellen die Berichterstatter/innen die Frage, wie das spanische Volk mit den brutalen Kriegsgeschehnissen umgeht, mit dem Hunger, der ständigen Bedrohung durch Bomben, dem Granatentod seiner Kinder. Die Berichte sollen darüber Aufschluss geben, aber ebenso sind sie Zeugnis der ungebrochenen Bereitschaft der Spanier und Spanierinnen, sich für die Freiheit einzusetzen. Sicherlich würde es zu einem Unterrichtsgespräch dazu gehören, dass diese Texte quellenkritisch diskutiert werden, denn alle, die zu dieser Zeit in Spanien gegen die Putschisten vor Ort waren, sind natürlich nicht frei von ihrer jeweiligen politischen Haltung oder sogar von einem gewissen Pathos.
„They still draw pictures“ - Kinderzeichnungen
Passend zu den Berichten besonders aus der letztgenannten Broschüre ist ein weiterer historischer Quellenbestand, nämlich Zeichnungen von Kindern. Unter dem Titel „They still draw pictures – Kinderzeichnungen“ findet sich eine Webseite der Universität Californien. Über 600 Zeichnungen von Schulkindern in Spanien resp. in den Flüchtlingszentren in Frankreich sind in der Mandeville Special Collections Library der University of California archiviert, und 60 von ihnen wurden bereits 1938 erstmals in einem Buch publiziert. Das Vorwort schrieb Aldous Huxley. Die Kapitel sind unterteilt in:
- Allgemeine Eindrücke des Krieges (1-7)
- Zeichnungen, die die Bombenanschläge thematisieren (8-23)
- Zeichnungen, die unterschiedlichste Möglichkeiten vor der Gefahr zu fliehen, zeigen, sei es mit Zügen, LKWS, Maultieren, Ruderbooten oder auf eigenen Füßen ( 24-36)
- Zeichnungen, die das Leben der Kinder abbilden, zuhause oder an verschiedenen Fluchtorten in Spanien oder Frankreich (37-49).
Ein guter Überblick mit vergrößerbaren Miniaturen dieser 60 ausgewählten Zeichnungen findet sich hier auf der Webseite.
Darüber hinaus lassen sich weitere Kinderzeichnungen, nach Orten sortiert, recherchieren, doch sind die bereits ausgewählten 60 Zeichnungen, die für das Thema am besten geeigneten. Mit einigen dieser kindlichen Zeugnisse lässt sich, in Zusammenhang zum Beispiel mit einem Gedicht von Erich Weinert, „Kinderspiel in Madrid“ (zu finden in deutscher Sprache und spanischer Übersetzung zum Beispiel hier), eine Unterrichtseinheit zum Thema „Kinder im Spanischen Bürgerkrieg“ entwickeln.
Bei ausreichenden Englischkenntnissen wäre eine 28-minütige zeitgenössische Filmreportage spannend, die unter dem Titel „The Children of the Spanish Civil War“ dieses fast vergessene Kapitel zum Thema beleuchtet, nämlich die Rettung von 4.000 spanischen Kindern nach England.
Passend in diesem Zusammenhang wäre eine Reportage aus dem oben genannten Lesebuch „Die Kinder von Guernica“, das im Aufbau Verlag erschien. Sie stammt aus der Feder von Erika Mann, die mehrere Kinderheime in Spanien besucht hatte, und sie bringt eine weitere interessante Perspektive auf die Situation von Kindern hinein, indem sie zum Beispiel erläutert, wie der Kampf um Demokratie sich sogar pädagogisch widerspiegele, wenn etwa in den Heimen sogenannte Kinderparlamente das Leben mitgestalten durften.
Mit diesen vielfältigen Quellen lassen sich interessante Unterrichtseinheiten oder auch eine Vertretungsstunde vorbereiten, bei denen die Jugendlichen zum Beispiel in verschiedenen Arbeitsgruppen zu Facetten des Spanischen Bürgerkriegs arbeiten können, sei es das Thema der „Kinder im Krieg“, sei es das des „Alltags hinter der Front“ oder eben der „internationalen Solidarität“. Die Relevanz für gegenwärtige Fragestellungen ergibt sich mit großer Wahrscheinlichkeit wie von selbst in der konkreten Auseinandersetzung mit dem historischen Material.
Anmerkungen und Literatur
Sie können auch eine szenisch-musikalische Lesung buchen, die mit diesen Texten arbeitet und die Jugendlichen wie Erwachsenen einen guten Einstieg bietet, um davor oder danach Aspekte zum Thema zu vertiefen: „Es hat die Besten der Welt bewegt“. Gedichte und Lieder aus dem Spanischen Bürgerkrieg (1936 - 1939), www.tonworte.de.
Wilfried Schoeller: Die Kinder von Guernica. Deutsche Schriftsteller zum Spanischen Bürgerkrieg, Berlin: Aufbau Verlag 2004. ISBN 9783746681023, gebunden, 319 Seiten, 8,95 Euro.
Federico Garcia Lorca: Die Gedichte. Spanisch-Deutsch. Hg. im Auftrag der Heinrich Enrique Beck-Stiftung, Basel von Ernst Rudin und José Manuel Lopez. Ausgewählt und übertragen von Enrique Beck. Gttingen: Wallstein Verlag 2008, ISBN 978-3-89244-961-4, 2 Bde., 748 S., geb., Schutzumschlag, zus. in Papphülse, 12 x 19 cm, 49,00 Euro.
Federico Garcia Lorca: Gedichte, Bibliothek Suhrkamp Band 544, Lizenzausgabe des (c) Insel Verlages Frankfurt a. M.
Das Buch mit den Kinderzeichnungen wurde von der Spanish Child Welfare Association of America for the American Friends Service Committee herausgegeben, eine Neuauflage erschien 1939 in New York: Oxford University Press.
Frauen im Spanischen Bürgerkrieg
Margaret Collins Weitz: Frauen in der Résistance, Münster: Unrast Verlag, Münster 2002, 450 S., ISBN-10: 3897714108, 25,00 Euro.
Bettina Meier: Deutsche Frauen im spanischen Exil (Teil 1), in: Schwarzer Faden Nr. 69 (3/1999), online unter: https://www.anarchismus.at/texte-zur-spanischen-revolution-1936/spanienkaempfer-innen/756-bettina-meier-deutsche-frauen-im-spanischen-exil-teil-1
Clara Thalmann, in: Medienwerkstatt Freiburg (Hg.): Die lange Hoffnung. Erinnerungen an ein anderes Spanien. Trotzdem-Verlag 1985 (1. Auflage). Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Trotzdem-Verlags: https://www.anarchismus.at/texte-zur-spanischen-revolution-1936/spanienkaempfer-innen/7729-clara-thalmann
An die beiden Fotografinnen Tina Modotti und Gerda Taro, die beide im Spanischen Bürgerkreig waren, erinnert Christiane Barckhausen: http://www.spanienkaempfer.de/index.php/modotti-taro/articles/modotti-taro.html
Gustir Jirku: Kampf dem Tode! : Die Arbeit des Sanitätsdienstes der internationalen Brigaden / Gusti Jirku. - Madrid, o.J.. - 62 S. = 3 MB PDF-File. - Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006.
Juden im Spanischen Bürgerkrieg
Arno Lustiger: Schalom Libertad! : Juden im spanischen Bürgerkrieg / Arno Lustiger. - Frankfurt a.M. : Athenäum, 1989. - 397 S. = 2,7 MB PDF-File (Auszüge) - Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2006. - Retrodigitalisierung in Auszügen, ISBN 3-610-08529-0. Die ersten 70 Seiten seines Buches unter: http://library.fes.de/pdf-files/netzquelle/a89-01487.pdf
Biographisches
Werner Abel, Enrico Hilbert (Hrsg.): „Sie werden nicht durchkommen!“ Band 1: Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution“, Verlag Edition AV. 567 S., br., 45 €, ISBN 978-3-86841-112-6
Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer 1936–1939. Hrsg. v. Hans Landauer in Zusammenarbeit mit Erich Hackl, Wien: Theodor Kramer Gesellschaft 2003.
Gottfried Hamacher unter Mitarbeit von André Lohmar, Herbert Mayer, Günter Wehner und Harald Wittstock: Gegen Hitler. Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung »Freies Deutschland«. Kurzbiografien (Reihe: Manuskripte/Rosa-Luxemburg-Stiftung; Bd. 53), Berlin: Dietz, 2005. PDF als Download: http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Manuskripte_53_2.pdf)
Lieder
Das Schwarz-rote Liederbüchlein (darin u.a. Jarama Valley, Lied der Jarama-Front, Hijos del pueblo (Himno revolucionario, Mamita mía /Los quatro generales/ Vier noble Generale, En la plaza de mi pueblo) PDF: http://www.anarchismus.de/kultur/schwarz-rotes-liederbuch.pdf
Film
NO PASARAN. Eine Geschichte von Menschen, die gegen den Faschismus gekämpft haben (2014), Dokumentarfilm von Daniel Burkholz http://www.roadside-dokumentarfilm.de/index.php?article_id=55&clang=0
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- 16 Dez 2015 - 09:09