Empfehlung Fachdidaktik

Historisches Lernen mit digitalen Medien

Von Anne Lepper

 

Historisches Lernen mit digitalen Medien

Die alltägliche Nutzung des Internets, digitaler Endgeräte und der verschiedenen digitalen Medien ist für Jugendliche heute selbstverständlich. Die unterschiedlichen Angebote dienen den jungen Nutzer/innen als Unterhaltungsmedium, Kommunikationsplattform und Informationsquelle. Doch eine umfassende Medienkompetenz beschränkt sich nicht allein auf das Handwerkszeug für eine technische Anwendung der Seiten, Apps und Netzwerke, sondern erfordert auch die Fähigkeit einer reflektierten und quellenkritischen Nutzung. Gerade für die Herausbildung und Stärkung solcher Analyse- und Dekonstruktionskompetenzen eignet sich der Geschichtsunterricht in besonderem Maße. Kein Unterrichtsfach ist gleichermaßen an die Einbeziehung der verschiedenen zur Verfügung stehenden Medien gekoppelt wie der Geschichtsunterricht, da ein Zugang zur Geschichte nur über die Verwendung von Medien möglich ist. Während Schüler/innen so beim historischen Lernen ihre allgemeinen Reflektionsfähigkeiten schärfen können, bieten neue digitale Medien- und Lernformen auch umgekehrt die Möglichkeit, den Geschichtsunterricht an moderne mediale Recherche- und Konsummöglichkeiten und die individuellen Interessen der Jugendlichen anzupassen.

Geschichte Lernen im Web 2.0

Die pädagogische Fachzeitschrift „Geschichte lernen“ widmet sich in ihrer Ausgabe vom Mai 2014 schwerpunktmäßig dem Thema des historischen Lernens mit digitalen Medien. Die Publikation bietet eine umfassende und vielseitige Einführung in das Themenfeld, das gerade in den letzten Jahren noch einmal deutlich an Relevanz gewonnen hat. Ging es Anfang der 2000er Jahre noch in erster Linie darum, bei Schüler/innen wie Lehrer/innen durch digitale Angebote die individuellen Medienkompetenzen zu stärken, werden heute Inhalte auf innovative und partizipative Weise näher gebracht. Durch eine Differenzierung der Lerninhalte, -produkte und -wege können Lehrende mithilfe von Apps, Blogs, Wikis und sozialen Netzwerken das Lernen Individualisieren und Personalisieren und dadurch die Schüler/innen dort abholen, wo sie gerade stehen. Jugendliche werden durch eine handlungsorientierte Aufgabengestaltung dazu angeregt, selbst Texte zu produzieren und zu publizieren, bzw. sich in einem kooperativen Prozess gemeinsam Themen zu erarbeiten. 

Die vorliegende Publikation bietet die Möglichkeit, sich mit den Chancen und Grenzen des Einsatzes von digitalen Medien im Geschichtsunterricht auseinanderzusetzen. Dabei werden insbesondere auch jene Lehrkräfte angesprochen, die sich bisher nicht oder nur am Rande mit dem Thema beschäftigt haben. Dadurch bietet das Heft einen einfachen und individuellen Zugang zum Web 2.0 anhand nachvollziehbarer und anwendungsorientierter Beispiele.

Als Einstieg umreißen vier Basisartikel von Daniel Bernsen, Ulf Kerber und Thomas Spahn das Themenfeld und bemühen sich um eine verständliche Einführung in Begriffe und Angebote des Web 2.0. Dabei liefert Daniel Bernsen zunächst einmal eine umfassende Bestandsaufnahme in Bezug auf die Nutzung von digitalen Medien im modernen Geschichtsunterricht. Er zeigt auf, inwiefern digitale Angebote inzwischen essentieller Bestandteil der Informations- und Wissensaufnahme junger Generationen sind und auch in Zukunft sein werden. Er gibt dabei auch zu Bedenken, dass Schüler/innen heute oftmals über Parallelstrukturen beispielsweise bei Whats-App, Facebook oder anderen sozialen Netzwerken verfügen, um Hausaufgaben auszutauschen, zu diskutieren oder Klassenarbeiten vorzubereiten. Diese Netzwerke sowie andere digitale Informationsquellen werden oftmals auch im Unterricht und ohne das Wissen der Lehrenden genutzt. Statt für ein Verbot jener Formate plädiert Bernsen allerdings für ihren sinnvollen Einbezug in den Unterricht, wenn er sagt: „Wenn sich die Antwort auf eine Frage in wenigen Sekunden googeln lässt, dann ist nicht Google schlecht, sondern die Frage“ (S. 5)

In einem zweiten Einführungstext gibt Ulf Kerber einen Einblick in das Web 2.0 als den „Werkzeugkasten einer neuen Generation“. Dabei bemüht er sich zunächst um eine Definition des Begriffes und hebt diesen von der klassischen Nutzung des Internets als reines Informationstool ab. Durch die Angebote des Web 2.0, so Kerber, werden die Nutzer/innen von einfachen Konsument/innen zu Handelnden, die die zur Verfügung stehenden Werkzeuge für ihre eigenen Interessen und Aufgaben nutzen können. Die Dienste des Web 2.0, die auch als Social Media bezeichnet werden, kommen meist ohne installierungspflichtige Software aus, können direkt über den Browser genutzt werden und ermöglichen eine aktive und unmittelbare Kommunikation. Nicht nur, weil viele der Angebote kostenlos genutzt werden können, erfreuen sich diese einer großen Beliebtheit unter jugendlichen Nutzer/innen. Das macht sie gerade auch für den Einbezug in den Unterricht attraktiv.

Mit der Attraktivität von sogenannten Interaktiven Whiteboards (IWB) setzt sich Thomas Spahn in seinem Einführunsgbeitrag auseinander. Die IWBs, die inzwischen an vielen Schulen die traditionellen Tafeln aus den Klassenzimmern verdrängt haben, bieten zum einen innovative Möglichkeiten für einen digitalisierten Unterricht, befördern andererseits jedoch auch einen lehrerzentrierten Frontalunterricht. Spahn plädiert deshalb für eine reflektierte und kluge Nutzung des neuen Mediums, bei der die Chancen genutzt und die Grenzen erkannt werden. Dabei verweist er vor allem auf das Primat der Didaktik, also auf eine gezielte Nutzung bestimmter Medien und Methoden auf der Basis fundierter didaktischer Überlegungen. Solche Überlegungen und eine generelle sachkundige Medienintegration setzen jedoch eine hohe Kompetenz von Seiten der Lehrkräfte voraus. Im vierten und letzten Basisartikel plädiert Daniel Bernsen deshalb für ein lebenslanges Lernen von Geschichtslehrkräften. In seinem Beitrag analysiert er die Rolle des Web 2.0 in künftigen Lernformaten und stellt die Möglichkeiten für Lehrende, sich stetig weiterzubilden, vor. Dabei empfiehlt der Autor den Aufbau einer sogenannten persönlichen Lernumgebung (PLE). Der Begriff bezeichnet das Konglomerat aller Mittel und Einrichtungen, die zur individuellen Weiterbildung genutzt werden, und umschließt sowohl Angebote des Web 2.0 als auch traditionelle Informations- und Lernformate. Diese Form des personalisierten Informationsmanagements dient nicht nur zur eigenen Strukturierung und Reflexion, sondern bietet auch Möglichkeiten, um Lerninhalte zu präsentieren und zu teilen und sich mit anderen Lernenden zu vernetzen.

Methoden, Tipps und didaktische Überlegungen

Zusätzlich zu den einführenden Basistexten bietet die Publikation außerdem zahlreiche Überlegungen zur praktischen Umsetzung von Angeboten des Web 2.0 im Unterricht. Unter der Rubrik 'Unterricht' werden zahlreiche innovative Unterrichtsmodelle und -konzepte vorgestellt. Die ausführlichen Materialien und Erläuterungen eignen sich zum Großteil für die Anwendung in den Sekundarstufen I oder II und können direkt in den Unterricht integriert werden. Außerdem geben die Beiträge einen Einblick in die praktische Implementierung von digitalen Medien in den Unterricht und regen so zur Entwicklung eigener Ideen und Projekte an. 

Auch die Beiträge der Rubrik 'Forum' bieten individuelle Anknüpfungspunkte für die Praxis. Verschiedene Autor/innen stellen hier Methoden, Materialien, Portale und Organisationen aus der digitalen Welt vor, die sich für den Einbezug in den Geschichtsunterricht eignen. 

Die Magazinausgabe, die über das Internet beim Friedrich-Verlag bestellt werden kann, ermöglicht einen vielseitigen und niedrigschwelligen Zugang zur Arbeit mit digitalen Medien. Sie eignet sich daher als Einstieg für jene, die sich bisher vor dem Einsatz des Web 2.0 im Unterricht gescheut haben genauso wie für versierte Lehrkräfte, die auf der Suche nach Anregungen und Tipps für einen mediengestützten Unterricht sind.

Literatur

Geschichte Lernen: Historisches Lernen mit digitalen Medien. Pädagogische Zeitschriften bei Friedrich in Velber in Zusammenarbeit mit Klett, Heft 159/160, Mai 2014. 27. Jahrgang. 97 Seiten. 33,80 Euro. Bestellnummer: 517159.

 

Kommentar hinzufügen

CAPTCHA
Diese Frage dient der Spam-Vermeidung.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image.