Norbert Wollheim, Buna-Monowitz und der Kampf um Entschädigung für NS-Zwangsarbeiter/innen
„Wir sind gerettet, aber wir sind nicht befreit.“ Diese Worte schrieb Norbert Wollheim im August 1945, kurz nach seiner Befreiung durch die Alliierten. Der Berliner Jude war 1943 mit seiner Familie nach Auschwitz deportiert worden. Während man seine Frau und deren Sohn direkt nach der Ankunft in die Gaskammern schickte, wurde Wollheim in das Lager Auschwitz III/ Buna-Monowitz gebracht. Dort musste er Zwangsarbeit für den Chemiekonzern IG-Farben leisten, bis die wenigen überlebenden Gefangenen im Januar 1945 auf einen Todesmarsch Richtung Westen getrieben wurden. Wollheim überlebte auch diese letzten, qualvollen Kriegswochen und strandete wie Tausende andere in einem DP-Lager in der britischen Besatzungszone.
Nach dem Krieg blieb er zunächst in Deutschland und setzte sich für die vielen traumatisierten und entwurzelten Überlebenden des NS-Terrors ein, die – wie er selbst – in Lagern über ganz Deutschland verstreut versuchten, sich ein neues Leben aufzubauen.
Neben dem Einsatz für den Wiederaufbau jüdischen Lebens im Nachkriegsdeutschland bemühte sich Norbert Wollheim in den ersten Nachkriegsjahren vor allem um die juristische Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen. In diesem Bestreben sagte er im Laufe der Jahre in verschiedenen Prozessen gegen die Täter aus, so zum Beispiel im Nürnberger Prozess gegen die IG-Farben 1947 und im Harlan-Prozess 1949.
Schließlich, 1950, begann Wollheim außerdem seinen eigenen, persönlichen Kampf um Entschädigung: Er verklagte gemeinsam mit seinem Anwalt Henry Ormond die IG-Farben in einem Zivilprozess auf Erstattung seines vorenthaltenen Arbeitslohns und um Schmerzensgeld. Es folgte ein zweijähriges Verfahren, an dessen Ende das Gericht Wollheim in allen Punkten recht gab und die IG-Farben zu einer Zahlung von 10.000 DM verurteilte. Das Unternehmen ging in Revision und erwirkte schließlich eine außergerichtliche Einigung, in der es sich zur Zahlung von 30 Millionen DM an die Überlebenden der I.G. Auschwitz verpflichtete. Wollheims Klage war die erste dieser Art im Nachkriegsdeutschland und das Verfahren gegen die IG-Farben wurde zum Musterprozess im Kampf um Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter/innen.
Das Wollheim-Memorial
Auf dem neuen Campus der Universität Frankfurt, einst Firmensitz der IG-Farben AG, befindet sich heute das Wollheim-Memorial. Man findet es nicht gleich, wenn man sich auf dem riesigen, verschachtelten Gelände nicht auskennt, denn der kleine Pavillon liegt etwas versteckt am Rand des riesenhaften Hauptgebäudes. Vielleicht zeigt sich daran ein wenig der ambivalente Umgang der Hochschule mit dem Erbe, dass sie durch den Umzug ins Frankfurter Westend auf sich genommen hat. Es findet zwar eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes statt, im Zentrum des Bemühens der Hochschulleitung steht diese jedoch sicher nicht.
Hauptanliegen des Memorials ist das Gedenken an die Opfer der NS-Zwangsarbeit und die Information über deren Erfahrungen, die Formen der Verfolgung und der spätere Kampf um Entschädigung. Besuchergruppen haben die Möglichkeit, sich in verschiedenen, vom Fritz-Bauer-Institut erarbeiteten Bildungsangeboten mit dem Thema auseinandersetzen. Die Inhalte bewegen sich dabei immer nah an den lebensgeschichtlichen Erzählungen der Opfer, von ihrer Kindheit und Jugend vor dem NS, über die Zeit sukzessiver Entrechtung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten hin zur Erfahrungsgeschichte der Nachkriegszeit.
Die Website
Angeschlossen an das Konzept zum historischen Lernort ist eine Website, die sehr umfangreiche und vielseitige Informationen zum Thema bietet. Die Seite folgt einem interdisziplinären Ansatz, der sich an der Schnittstelle von Geschichtswissenschaft, Kunst und Vermittlung bewegt. Die verschiedenen Themenbereiche sind in mehrere Ebenen untergliedert. Dadurch haben Besucher/innen die Möglichkeit, sich in der ersten Ebene einen Überblick über das jeweilige Thema zu verschaffen, in der zweiten Ebene finden sich schließlich wissenschaftliche Aufsätze, die eine intensive Auseinandersetzung ermöglichen und einen Einblick in den aktuellen Forschungsstand geben. Das umfangreiche Material und die verschiedenen Schwerpunkte bieten dabei ganz unterschiedliche Zugänge zu und Perspektiven auf das Thema. Neben der Darstellung der historischen Fakten rund um die NS-Zwangsarbeit, die IG-Farben, das KZ Buna/Monowitz und die juristische Aufarbeitung werden beispielsweise auch Fragen über Möglichkeiten und Arten der Zeugenschaft, den Umgang mit Erinnerung und Formen des Gedenkens aufgeworfen. Alle Texte können zur pädagogischen Arbeit kostenlos auf der Seite heruntergeladen werden. Des Weiteren finden sich auf der Seite zahlreiche Interviews mit ehemaligen Gefangenen des KZ Buna/Monowitz, die für die pädagogische Arbeit genutzt werden können.
Kontakt
Für pädagogische Fragen und Angebote wenden Sie sich bitte an:
Gottfried KößlerPädagogisches Zentrum Fritz Bauer Institut und Jüdisches Museum Frankfurt am Main
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Tel.: 069-212-49439 Termine für offene Führungen können Sie der Webseite des Fritz Bauer Instituts entnehmen: Fritz Bauer Institut
Grüneburgplatz 1
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- 12 Nov 2014 - 14:42