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Blaue Armee. Polnische Streitkräfte in Frankreich während des Ersten Weltkrieges

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Arthur Osinski ist Historiker und Pädagogischer Mitarbeiter der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Golm, einer Einrichtung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

Von Arthur Osinski

Die Blaue Armee oder auch Hallerarmee, benannt nach ihrem Befehlshaber Jósef Haller wurde in Frankreich gegen  Ende des Ersten Weltkrieges aufgestellt. Sie bestand vorwiegend aus amerikanischen, aber auch französischen und brasilianischen Bürgern polnischer Abstammung. Später kamen noch polnischstämmige Kriegsgefangene der Mittelmächte hinzu. Die Blaue Armee war an der Seite der Entente an den Kämpfen in der Champagne und den Vogesen beteiligt.

Nach dem Friedensvertrag von Versailles wurde diese auf Geheiß der damals noch vorläufigen polnischen Regierung von Frankreich nach Polen verlegt. Dort spielten ihre   Einheiten militärisch eine wichtige Rolle bei der Konsolidierung der Ostgrenze der neu entstandenen II. Polnischen Republik.

Der 13. Punkt

Die Anfang des 20. Jahrhunderts neu entstandenen ost- und ostmitteleuropäischen Staaten verdanken ihre Unabhängigkeit zwei grundlegenden Begebenheiten, die sich in Europa zu dieser Zeit ereigneten – dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der Revolution in Russland. Die daraus resultierende Niederlage der Mittelmächte, der Umsturz in Russland, die Auflösung Österreich-Ungarns, und die starken Unabhängigkeitsbestrebungen der neuen Staaten führten schließlich zur Entstehung einer ganzen Reihe von Ländern in Ost- und Ostmitteleuropa. Woodrow Wilsons hehre Idee über das Selbstbestimmungsrecht der Völker und sein Vierzehn-Punkte-Plan veränderten die Kräftebalance auf dem alten Kontinent völlig.

An dreizehnter Stelle des Vierzehn-Punkte-Programms des amerikanischen Präsidenten wurde ein neuer unabhängiger polnischer Staat mit einem Zugang zum Meer gefordert.

Als nach 123 Jahren Teilungszeit der polnische Staat wieder gegründet wurde, stand die II. Polnische Republik vor der Aufgabe, ihre Außengrenzen neu zu definieren. Obwohl die  Grenzgestaltung im Wesentlichen aufgrund der Regelungen des Versailler Vertrages festgelegt worden war, kam es dennoch zu Zerwürfnissen mit den Nachbarn. Die Weimarer Republik, in welcher der in Paris ausgearbeitete Friedensvertrag pejorativ als das „Versailler Diktat“ bezeichnet wurde, konnte sich genauso schwer mit der Neuentstehung Polens abfinden, wie die Sowjetunion. Der beträchtliche Verlust von polnischen Gebieten war nur schmerzlich für die beiden großen Nachbarn der II. Polnischen Republik zu verkraften. Im Westen konnten die Grenzen vorwiegend friedlich durch die Vorgaben des Versailler Friedensvertrages und durch Plebiszite gezogen werden. Bei den anderen Grenzen gestaltete es sich schwieriger. Vor allem im Osten geriet die junge polnische Republik in Konflikt mit der Sowjetunion. Die Grenzstreitigkeiten führten schließlich zum Ausbruch des Polnisch-Sowjetischen Krieges. Eine bedeutende Rolle spielte in diesem Konflikt die Blaue Armee, die die polnischen Truppen entscheidend verstärken konnte.

Von der Fremdenlegion zur Blauen Armee

Das Einverständnis der französischen Regierung zur Bildung polnischer Streitkräfte in Frankreich kam bereits am 21. August 1914. Anfangs wurden zwei Kompanien aufgestellt, die in das erste Regiment der Fremdenlegion eingegliedert wurden. Schon bald waren diese bei den Kämpfen fast vollständig aufgerieben. Aufgrund der Widerstände seitens des russischen Verbündeten, der eine der Teilungsmächte Polens war, ist man von der weiteren Bildung reiner polnischer Verbände abgerückt.

Erst der Umbruch in Russland und der Friedensvertrag von Brest-Litowsk brachten eine Wende. Nach der Unterzeichnung des Dekrets vom 4. Juni 1917 durch Raymond Poincaré, begann man mit der Aufstellung von polnischen Einheiten in Frankreich. Ein großer Teil von etwa 22.000 Freiwilligen, die im „Tadeusz Kosciuszko Camp“ in Niagara-on-the-Lake (Kanada) ausgebildet wurden, bestand aus polnischstämmigen Nordamerikanern. Hinzu kamen polnische Emigranten aus Frankreich, später desertierte Polen aus den russischen, deutschen und österreich-ungarischen Armeen. Zum Befehlshaber wurde vorerst Louis Archinard ernannt. Im September unterstellte man die polnische Armee dem „Obersten Volksrat“ in Lausanne. Den Namen Blaue Armee bekamen die Einheiten aufgrund der hell blauen französischen Uniformen, die sie trugen. Die Entente anerkannte diese als die einzige rechtmäßige und polnische Armee.

Die Verlegung nach Polen

In Frankreich kämpften die polnischen Soldaten an der Seite der Entente in den Vogesen und in der Champagne. Im Oktober 1918 wurde Józef Haller zum Oberbefehlshaber der Blauen Armee ernannt. Alsbald kapitulierten die Mittelmächte und eine der Friedensbedingungen in Versailles war die Wiederherrichtung eines polnischen Staates nach 123 Jahren Teilungszeit.

Die Blaue Armee, die etwa 70.000 Soldaten zählte, wurde von April bis Juni 1919 geordnet nach Polen verlegt, um die neuentstandene polnische Armee zu verstärken. Die Konsolidierung der Grenzen der II. Polnischen Republik war zu dieser Zeit immer noch nicht vollständig abgeschlossen. Vor allem im Osten war die Grenzziehung nur vage definiert. Die Sowjets forcierten eine polnische Grenze entlang der Courzon-Linie. Dies hätte jedoch bedeutet, dass die beiden kulturellen Zentren Polens um Wilna und Lemberg, bei der Sowjetunion blieben. Ein viel gewichtigeres Argument, das gegen die Courzon-Linie als polnische Grenze sprach, war allerdings, dass in dem ethnisch gemischten Gebiet viele Millionen Polen lebten. In Folge der Ansprüche, die Polen und die Sowjetunion auf diese Gebiete erhoben, kam es zum Ausbruch des Polnisch-Sowjetischen Krieges.

Das Wunder an der Weichsel

Der Krieg begann mit einer polnischen Offensive, die jedoch von der Roten Armee zurückgeschlagen werden konnte. Es war ein Krieg bei dem dieselben Gebiete mehrmals hart umkämpft waren. Auf beiden Seiten kam es vereinzelt auch zu Kriegsverbrechen. Die leidtragende Bevölkerung waren neben den Polen, Ukrainern und Russen die dort lebenden Jüdinnen und Juden. Diese wurden oft von beiden Kriegsparteien der Kollaboration mit dem Feind beschuldigt und dafür „exemplarisch“ als Abschreckung bestraft. Es gibt auch Belege, dass auch die Soldaten der Blauen Armee an Judenpogromen beteiligt waren.

Die Wende des Krieges brachte die „Schlacht bei Warschau“, bei der die Rote Armee entscheidend geschlagen werden konnte. Nach der Verfolgung der zersprengten sowjetischen Armeeeinheiten kam es zum völligen Zusammenbruch der Ostfront. Im Frieden von Riga (1921) konnte Polen endgültig seine Ostgrenze konsolidieren. Die „Weltrevolution“, die Lenin nach außen tragen wollte, wurde so aufgehalten. Lord D’Abernon sprach in diesem Zusammenhang von der Schlacht um Warschau als einer der „18 wichtigsten Schlachten in der Weltgeschichte“, die Polen bezeichnen sie bis heute als das „Wunder an der Weichsel“.

Bis heute wird die Rolle der Blauen Armee bei dem Kampf um die Unabhängigkeit Polens gewürdigt. Einer der Soldaten, die die blaue Uniform der Haller-Armee damals trugen, war Ludwik Kaźmierczak, der Großvater von Angela Merkel.

 

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