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Von Busuluk nach Brisighella. Der lange Marsch nach Italien

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Arthur Osinski ist Historiker und Pädagogischer Mitarbeiter der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Golm, einer Einrichtung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

Von Arthur Osinski

Das „Sikorski-Majski-Abkommen“ führte zur Formierung der polnischen Exilarmee auf dem Gebiet der Sowjetunion. Sie setzte sich aus polnischen Staatsbürgern zusammen, die nach dem deutsch-sowjetischen Überfall auf die Zweite Polnische Republik von den Sowjets zu Hunderttausenden aus den besetzten polnischen Gebieten tief in die Sowjetunion zwangsdeportiert worden waren. Zuerst in Busuluk und später in Taschkent entstanden binnen weniger Monate vier polnische Divisionen, die anschließend die Basis für die spätere Entstehung der „Anders Armee“ im Nahen Osten bildeten. Die polnischen Verbände wurden über Persien in den Nahen Osten verlegt und in das britische „Nahostkommando“ eingegliedert. Sie bildeten die Basis für die Entstehung des 2. Polnischen Korps, das aus ca. 75.000 Soldaten bestand und ab 1943 am Italienfeldzug teilnahm. 

Vom Feind zum Verbündeten

Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion hatte die Kräfteverhältnisse in Europa auf einen Schlag diametral verändert. Als Nazideutschland seinen bisherigen „Quasiverbündeten“, die Sowjetunion, angriff, kam bei den Briten und ihren wenigen noch verbliebenen Alliierten die Hoffnung auf, nicht mehr alleine auf der breiten Front gegen die Achsenmächte kämpfen zu müssen. Mit ihrer „Blitzkrieg“-Taktik besetzte die Wehrmacht in kürzester Zeit große Teile der Sowjetunion. Nun war Stalin gezwungen, selber Verbündete gegen die Nazis zu suchen. Nach der Devise „der Feind meines Feindes ist mein Freund“ kam es sehr schnell zur taktischen Annäherung der Nazigegner.

Das primäre Ziel der Briten, die Schaffung einer großangelegten Anti-Hitler-Koalition, war jedoch nicht möglich, solange einer ihrer damaligen Verbündeten, die Polnische Exilregierung, sich mit der Sowjetunion seit dem 17. September 1939 immer noch im Kriegszustand befand. Alsbald kam es zu geheimen Verhandlungen der beiden Parteien, zwischen denen die britischen Diplomaten vermittelten.

Deren Ergebnis war die Unterzeichnung des Sikorski-Majski-Abkommens am 30. Juli 1941. Die polnische Exilregierung und die Sowjetunion erklärten auf diese Weise die Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen. Darüber hinaus sicherte Stalin zu, auf dem Gebiet der UDSSR eine polnische Armee aufzubauen. Die Exilarmee sollte aus internierten Soldaten und deportierten polnischen Staatsbürgern gebildet werden, von denen jedoch nur ein Teil von den Sowjets im Zuge des polnisch-sowjetischen Abkommens „amnestiert“ werden sollte. Auf dem Gebiet der Sowjetunion befanden sich zu dieser Zeit hunderttausende polnische Staatsbürger in Gefangenschaft, die von den Sowjets seit 1939 nach Sibirien deportiert worden waren. Ziel der Sowjets war es bis dahin gewesen, die gesamte polnische intellektuelle Elite samt ihren Familien aus den besetzten polnischen Gebieten zu vertreiben, um so den späteren Anspruch auf diese leichter durchzusetzen.

Die Genese der Anders-Armee

Von überall her, aus der gesamten Sowjetunion strömten im Zuge des Bündnisschlusses „amnestierte“ polnische Staatsbürger aus den Gulags und Internierungslagern nach Busuluk (Oblast Orenburg), wo die Polnische Exilarmee aufgestellt werden sollte. Für die meisten war es die einzige Chance zu überleben und den sowjetischen Gulags zu entkommen. Schon nach kurzer Zeit kamen Zehntausende zusammen, viele polnische Soldaten schafften es auf Umwegen, ihre Familien aus den Gulags zu sich zu holen. Durch das Abkommen konnten somit auch viele Zivilist/innen gerettet werden.

Die neu geformten polnischen Streitkräfte waren dem Oberbefehlshaber der Londoner Exilregierung Władysław Sikorski unterstellt. Dieser betraute mit der Bildung der Exilarmee

den noch kurz zuvor von den Sowjets in Moskau gefangen gehaltenen General Władysław Anders. In Busuluk entstanden drei polnische Divisionen. Nach der Verlegung nach Taschkent kam noch eine vierte hinzu. Obwohl die Sowjetunion gemäß dem Sikorski-Majski-Abkommen sich dazu verpflichtete, die polnische Exilarmee zu versorgen und zu bewaffnen, konnte sie ihren Verpflichtungen zu keiner Zeit nachkommen. In Folge dessen kam das polnische Oberkommando zu dem Entschluss, die polnische Armee in den Iran zu verlegen. Gemeinsam mit den über siebzigtausend polnischen Soldaten konnten 44.000 Zivilisten evakuiert werden. 18.000 Kinder wurden so aus den sowjetischen Gulags gerettet. In der iranischen Stadt Isfahan wurden vom polnischen Roten Kreuz 21 Kinderauffanglager eingerichtet, weswegen die Stadt von der Weltpresse damals als „die Stadt der polnischen Kinder“ bezeichnet wurde. 

Der verlustreiche Weg nach Brisighella

Nach der Bewaffnung und Ausbildung der polnischen Einheiten durch die Briten bildeten diese die Basis für die Entstehung des 2. Polnischen Korps. Hinzu kamen noch andere polnische Einheiten, wie diejenigen, die bereits an den Kämpfen um Tobrug beteiligt waren. Der Weg der polnischen Einheiten führte über den Nahen Osten und Ägypten nach Italien.

Im Dezember 1943 setzte das 2. Polnische Korps nach Tarent in Süditalien über und nahm zusammen mit der 8. Britischen Armee am Italienfeldzug teil. Eine der berühmtesten Schlachten, bei der sich die polnischen Soldaten hervorgehoben haben, war sicherlich der vierte Angriff zur Erstürmung des Hügels von Monte Casino. Der teuer erkaufte Sieg der polnischen Truppen bedeutete zugleich den Durchbruch durch die Gustav-Linie und ebnete den Weg für die alliierten Streitkräfte nach Rom. Das 2. Korps nahm darüber hinaus erfolgreich an den Kämpfen um Ancona, Bologna, die Gotenstellung und Brisighella teil. Nach dem Krieg wurden die polnischen Einheiten in Norditalien nach und nach demobilisiert. 

Der rote Mohn von Monte Casino

Über fünftausend Kilometer zog sich der Marsch der polnischen Soldaten nach Italien. Die gesamte Marschroute ist von polnischen Kriegsgräberstätten gesäumt, die bis heute jedes Jahr von den Veteranen besucht werden. Durch die geschickten Verhandlungen der polnischen Exilregierung konnten über 120.000 polnische Staatsbürger aus den sowjetischen Gulags in Sibirien gerettet werden. Die polnischen Ostgebiete blieben nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Sowjetunion annektiert und alle dort lebenden Polen wurden vertrieben.

In der polnischen Historiografie gilt die Schlacht um Monte Casino bis heute als eine der zentralen Schlachten des Zweiten Weltkrieges, an der polnische Soldaten teilgenommen haben, da diese mit vielen Opfern bezahlt wurde. Es gibt viele Publikationen und Werke, die sich bis heute mit der Schlacht auseinandersetzen. Das überall in Polen bekannte Lied „Der rote Mohn von Monte Casino“ steht bis heute für den verlustreichen Kampf gegen Nazideutschland, den die polnischen Soldaten an allen Fronten des zweiten Weltkrieges führten.

 

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