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Über 115 Jahre Gefangenschaft – Aufarbeitung eines Jahrhunderts im ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt am Main

Aufarbeitung eines Jahrhunderts im ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld in Frankfurt am Main

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Von Patrick Henze

Mitten in Frankfurt am Main steht das Ehemalige Polizeigefängnis Klapperfeld, das 1886 errichtet wurde und bis 2003 in Betrieb war. Ende des 19. Jahrhunderts galt das ursprünglich als Panoptikum angelegte Gebäude vor allen Dingen als repräsentative Maßnahme. Die Macht der Polizei und des Staates sollten zumindest symbolisch verstärkt werden um sich damit vor befürchteten Umstürzen zu schützen. Die Weimarer Republik zeichnete sich dem gegenüber vor allen Dingen durch den Versuch einer vergleichsweisen humanen Haft aus, der sich allerdings sowohl wegen Ressourcenknappheit als auch der Ungleichbehandlung von angeblich unverbesserlichen Straftätern nicht umsetzen ließ. Vielmehr konnte die Idee, es gäbe sogenannte Unverbesserliche, in die nationalsozialistische Ideologie direkt übernommen werden. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden zahlreiche Menschen inhaftiert, gefoltert, gezielt getötet und teilweise aus dem Gefängnis direkt in Konzentrationslager verschleppt. Im Zuge der „Entnazifizierung“ übernahm nach 1945 die US Army das Gelände um dort Nationalsozialisten als politische Gefangene zu inhaftieren. Das Gefängnis blieb auch nach dem Abrücken der US-amerikanischen Streitkräfte weiter erhalten, wurde in den 1980er Jahren als Abschiebegefängnis und noch bis 2003 als Gewahrsam genutzt. 

Aufarbeitung mit Hindernissen

Acht Jahre nach der Schließung des Gefängnisses machte sich die Initiative „Faites votre jeu!“ daran, einen Ort des Gedenkens und der Begegnungen zu schaffen, der sich der Aufklärung der über 115jährigen Geschichte des Gefängnisses widmet. Nicht ohne Hindernisse – war es doch zunächst der Wunsch der Stadtverwaltung, der Initiative keinen Raum für ihr Vorhaben zu gewähren. Schlussendlich konnte doch eine Gedenkstätte errichtet werden, die sich mit den sehr unterschiedlichen historischen Nutzungsphasen des Gebäudes beschäftigt.

Im ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld befindet sich eine Dauerausstellung, deren Schwerpunkt auf der Zeit des Nationalsozialismus liegt. Insbesondere die Nutzung durch die Gestapo und die Polizei von 1933 bis 1945 werden dort thematisiert. Einen Einblick in häufig Nicht-Erzähltes bieten Auszüge aus 76 Biographien ehemals Inhaftierter. Doch auch die Planung des Baus sowie die Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts finden ihren Platz in der Dauerausstellung. Insbesondere das Verständnis von Haft und die Entwicklung von Haftbedingungen wird nicht zuletzt durch den Einbezug der Weimarer Republik und ihres Übergangs zum Nationalsozialismus behandelt und bietet so auch Auskünfte darüber, auf welche Traditionen heutige Konzepte von Gefangenschaft zurückgehen.

Die Dauerausstellung bietet mit ihrem historisch-politischen Anspruch einen Einblick in die Funktion von Geschichtsaufarbeitung und zeigt auf anschauliche Weise, dass Geschichte von Menschen geformt wird. So stellt sich die Initiative selbst in der Ausstellung vor – schließlich ist sie bestes Beispiel dafür. Nicht-Erzählbares, wie die Schicksale derer, die in Konzentrationslager verschleppt wurden und keine Spuren in dem Gefängnis hinterlassen haben, wird benannt und dadurch der Versuch unternommen, eine Sensibilisierung für unterschiedlich erzählbare Geschichten zu schaffen anstatt die Vorstellung einer einheitlichen großen Geschichte zu wiederholen.

Führungen, Lernmöglichkeiten und Veranstaltungen

Die Dauerausstellung ist jeden Samstag von 15 bis 18 Uhr geöffnet, außerdem können Schulklassen und andere Gruppen per Telefon (01639401683) oder E-Mail (info [at] klapperfeld [dot] de) auch außerhalb der Öffnungszeiten Termine für Führungen vereinbaren.

Die Homepage selbst bietet sich ebenfalls als Lernplattform an, da sie zugänglich gestaltet und reich an Informationen über die Inhalte der Ausstellungen sowie ihrer Konzeptionen ist. Beispielsweise können unter der Rubrik „Ausstellung“ Recherchearbeiten zu einzelnen Themenbereichen durchgeführt werden. Aufgrund der Textdichte bietet sich dies ab der Sekundarstufe II an.

Über den Ausstellungsbetrieb hinaus finden in den Räumlichkeiten des ehemaligen Polizeigefängnisses Klapperfeld weitere inhaltlichen Fortbildungen statt, etwa durch Vorträge zu verschiedenen Themen. Diese können auf der Homepage der Initiative eingesehen werden. Die Veranstaltungen sind unterschiedlich voraussetzungsreich.

 

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