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Der Zeitzeuge – eine Schimäre?

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Prof. em. Dr. Lutz Niethammer gilt als der Experte für Oral History und für deutsche Nachkriegsgeschichte, u.a. Herausgeber der Pionierstudie „Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930-1969 (Berlin/Bonn 1983-85). Lutz Niethammer wurde 2005 emeritiert, ist jedoch weiterhin am Historischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena tätig.

Von Lutz Niethammer

Herzlichen Dank für die Einleitung und die Einladung. Ich will vielleicht der Vorstellung zwei Dinge hinzufügen, die wir für das brauchen, was ich sagen möchte.

Erstens: ich bin wohl mit Alexander von Plato und Dorothee Wierling zusammen der Einzige aus dem Westen, der zur Zeit der DDR dort eine erfahrungsgeschichtliche Untersuchung machen konnte. Das war ein ziemlich großes Interviewprojekt mit 150 Befragten; beantragt hatten wir 25 Arbeiter. Da es so schwierig war in der DDR Arbeiter zu finden, haben wir am Ende 150 Lebensgeschichten aus allen Schichten der älteren Generationen aufge­nommen. Das war 1987 und war eine, meinen Kopf sehr stark prägende Erfahrung. Darüber hat es 1991 ein Buch mit 30 ausgewählten Lebensgeschichten gegeben, die „Volkseigene Erfahrung“. Das sollten Sie einkalkulieren, dass ich früher sozusagen ein Grenzgänger gewesen bin, der mit vielen Leuten in der DDR an verschiedenen Orten Gespräche geführt hat.

Zweitens:  ich bin jetzt seit 20 Jahren Mitglied des Kuratoriums der Gedenkstätte Buchenwald und habe in all den Jahren Begleitforschungen zur Er­neuerung dieser Gedenkstätte geleitet, denn zu DDR Zeiten gab es nur die Inszenierung von Buchenwald als KZ (und das in einer besonderen, auf deutsche kommunistische Funktionshäftlinge ausgerichteten Lesart), während verschwiegen wurde, dass es zwischen 1945 und 1950 auch ein sowjetisches Speziallager gewesen ist. Das füge ich hinzu, weil ich versuchen werde, einige Bezüge zu dieser Doppelgeschichte herzustellen. Mit anderen Freunden zusammen habe ich in den letzten Jahren auch ein Projekt über einen Kulturkonflikt zwischen Künstlern der Alternativszene und der Stasi in Gera in den frühen 1980er Jahren gemacht. Wir wollten dort auch die beteiligten Stasi-Offiziere interviewen, insgesamt 24 Personen, die acht Künstler aus der Alternativszene jahrelang drangsaliert haben, aber kein einziger hat sich sprechen lassen. Auch das erzähle ich, weil ich gleich auf kollektive Gedächtnisse als eine machtvolle und ambivalente Überlieferungsform zu sprechen kommen möchte.

Den gesamten Vortrag können Sie im PDF-Dokument unter "Download" lesen.

 

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