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Elender Krieg – Der Erste Weltkrieg als gezeichnete Bildgeschichte

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Beitrags-Autor: Ingolf Seidel

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Jacques Tardi, Jean-Pierre Verney: Elender Krieg 1914 – 1915 – 1916. Band 1. Edition Moderne, Zürich (2008/2009) 72 Seiten. 22,80 €.

Von Ingolf Seidel

Der französische Zeichner und Texter Jacques Tardi hat sich verschiedentlich dem Thema Erster Weltkrieg angenommen, so in seinem familiengeschichtlich inspiriertem  Werk „Grabenkrieg“, der an die Erlebnisse des Großvaters vor Verdun anknüpft, oder mit dem Band „Soldat Varlot“. Mit „Elender Krieg“, im Original „Putain de guerre“ betitelt, erzählt Tardi eine Chronologie des Ersten Weltkrieges, der in Frankreich und Großbritannien als „Großer Krieg“ bezeichnet wird und in den jeweiligen Erinnerungskulturen sehr viel präsenter ist, als hierzulande. An dem zweibändigen Projekt arbeitete neben Tardi der französische Militärhistoriker Jean-Pierre Verney mit. Der erste Band behandelt die Jahre 1914 bis 1916, wobei jedem Jahr ein eigener Abschnitt gewidmet ist. Der Folgeband umfasst den Zeitraum 1917 – 1919.

Die Geschichte wird beispielhaft aus der Egoperspektive eines französischen Soldaten erzählt, der exemplarisch die Erinnerung vieler Soldaten an das Leben und vor allem Sterben in den Massenschlachten und dem Stellungskrieg repräsentiert. Die Erlebnisse des jungen Protagonisten, als Schlosser aus Paris skizziert, zeigen die Sinnlosigkeit des  gegenseitigen Mordens im staatlichen Auftrag. Tardis Hauptfigur ist weder sonderlich kriegsbegeistert, noch eine Heldenfigur. Vielmehr beschreibt er nüchtern, mitunter sarkastisch, den anfänglichen Kriegstaumel, die Verrohung der Männer an der Front oder ihre Versuche sich dem Sterben durch Desertion oder Selbstverstümmelungen zu entziehen. Obwohl die Geschichte aus der Perspektive eines Franzosen entwickelt wird, ist der Ansatz des Zeichner und Autors durchaus multiperspektivisch. Dies wird in einer anfänglichen Bildsequenz besonders deutlich, bei der auf zwei Seiten die sich gleichende Kriegseuphorie auf französischer und deutscher Seite gegenübergestellt wird. Die pazifistische Haltung Tardis prägt seine Darstellung der Historie und in Details zeigt sich seine Distanz zu in der französischen Erinnerungskultur noch existierenden Mythen über den Großen Krieg. Neben dem Elend der europäischen Soldaten thematisiert er koloniale Aspekte des Krieges, indem er das Schicksal der Soldaten aus den Kolonien der Entente-Staaten Großbritannien und Frankreich benennt. Auch die französische Kirche, die sich vorbehaltlos positiv zum Krieg positionierte wird harsch kritisiert. So findet, jenseits der Schilderung von grausamen Kriegserlebnissen, die Verfasstheit vor allem der französischen Gesellschaft ihren Platz in Tardis Comic.

Der Zeichenstil Tardis ist beinahe skizzenhaft, vor allem in der Darstellung von Menschen. Die jeweilige Umgebung der Comicpanels ist in der Regel detaillierter dargestellt, als die menschlichen Figuren, womit der dokumentarische Eindruck verstärkt wird. Auch die immer wieder dargestellten Grausamkeiten und Verstümmelungen werden durch diesen Stil erträglicher. Der Comicband ist durchgehend farbig koloriert. Je weiter die Beschreibungen des Krieges und der zunehmenden Verwahrlosung der Soldaten voran schreiten, desto mehr dominieren graue und braune Töne die Panels. Die Seitenaufteilung ist fast durchweg sehr streng auf je drei rechteckige Panels pro Seite limitiert, wobei jeweils die Grenzen den dokumentarischen und distanzierten Eindruck ebenso verstärken, wie der Verzicht auf die sonst in gezeichneten Geschichten üblichen Gedanken- oder Sprechblasen.

Ergänzt wird die Bildgeschichte durch einen umfangreichen neunzehnseitigen Aufsatz von Jean-Pierre Verney. Der trotz seiner Länge gut lesbare Essay ist mit vielen zeitgenössischen Bildmotiven illustriert und ermöglicht eine sachbezogene Einordnung der Bildgeschichte. Eine Karte des Frontverlaufs im Westen findet man am Endes des ausführlichen Anhangs. Vor allem durch sein Angebot zum Perspektivwechsel und durch die historische Einordnung mittels des abschließenden Essays ist „Elender Krieg“ ein interessantes Angebot für die historisch-politische Bildung auf dem Niveau der Sekundarstufe II.

 

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