Perspektivisch Schreiben zur DDR-Geschichte
Die Methode des Perspektivischen Schreibens ermöglicht es, in die Rolle einer anderen Person oder Gruppe einzutauchen oder sich eine historische Situation vorzustellen. Dabei wird neues Wissen über die Erarbeitung historischer Zusammenhänge angeeignet und gleichzeitig über das eigene Schreiben reflektiert. Es stehen Einzelfälle im Mittelpunkt, die aber auch die allgemeinen Strukturen und Entwicklungen sichtbar machen. Laut der Autorin und dem Autor des vorliegenden Heftes Heidi Behrens und Norbert Reichling wird diese Methodik bisher hauptsächlich in der Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus angewandt (S.4). Das Heft „Blickwinkel – Blickwechsel. Perspektivisches Schreiben zur DDR-Geschichte“, herausgegeben vom Bildungswerk der Humanistischen Union möchte nun die Methodik auch auf die DDR-Geschichte übertragen.
Aufbau
In der Einleitung werden für die Lehrenden Hinweise zur Methodik, zum Ablauf und Arrangement der Einheiten und die notwendigen Vorbereitungen benannt. Eine Grundvoraussetzung für die Durchführung ist es bei Schülerinnen und Schülern eine eigene Motivation zum Schreiben zu wecken, aber gleichzeitig auch Vorwissen zur Alltags- und Politikgeschichte der DDR zu vermitteln. Insgesamt beinhaltet das Heft neun Bausteine, also unterschiedliche Themen und Aufgabenstellungen. Das Themenspektrum geht dabei über die Behandlung von Jugendkulturen hinaus und beschäftigt sich auch mit den Ost-West-Kontakten während der Teilung, der Allgemeinen Wehrpflicht und dem Jugendwerkhof Torgau. Die ausgewählten Materialien haben einen lebensweltlichen Bezug zur Gegenwart der Jugendlichen heute. Für eine weitergehende Recherche werden Literaturhinweise und Links am Ende jeder Einheit genannt. Bei der Vorstellung beschränken wir uns auf die Kapitel mit Bezug zu Jugendkulturen.
Baustein „Jugendliche in der DDR um 1969/70“
In dieser Einheit werden Jugendliche Anfang der 1970er Jahre thematisiert, die Beat-Musik hörten, lange Haare trugen und auf öffentlichen Plätzen sehr präsent waren. Die DDR-Regierung sah in ihnen eine Gefahr, weil sie starke Einflüsse aus der westlichen Welt befürchteten und die Freie Deutsche Jugend (FDJ) argwöhnte sie könnte ihr Monopol in der Organisierung und Erziehung von Jugendlichen einbüßen. Daher wurden diese Jugendgruppen vom MfS beobachtet. Ausgehend von einer Fotografie mit vier jungen Männern in Ostberlin aus dem Jahr 1969 und einer Analyse von beigefügten Quellen wie einem IM-Bericht sowie allgemeine Informationen zur Jugend in der DDR sollen die Schüler/innen Argumente zur Verteidigung des Lebensstils notieren. In der zweiten Aufgabe wird eine Änderung des Blickwinkels der Jugendlichen angestrebt. Sie sollen aus der Sicht eines FDJ-Funktionärs einen Brief über die Gefahr, die von diesen jungen Männern ausgeht, formulieren.
Baustein „DDR-Punks in den 1980er Jahren“
Die bereitgestellten Quellen zu diesem Baustein bestehen aus Interviewauszügen mit Punker/innen, Liedtexten von Punkbands sowie Auszügen und Fotos aus MfS-Akten. Durch die verschiedenen Quellen und Texte in allen Bausteinen kann verhindert werden, dass die geschriebenen Texte aus bloßen Meinungsäußerungen bestehen. Um perspektivisch zu Punks in der DDR zu schreiben, sollen die Schüler/innen ein Flugblatt entwerfen, in dem Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen in der DDR geäußert wird.
Fazit
Das Material ermöglicht alltagsgeschichtliche Themen zur DDR anhand einer textbasierten Methodik zu erarbeiten. Für den Einsatz dieser Methodik im Unterricht bietet das vorliegende Heft Ideen an und stellt gleichzeitig interessante Quellen bereit. Perspektivisches Schreiben ermöglicht einen eigenständigen, zum Teil auch emotionalen Zugang zur DDR-Geschichte. Allerdings bedarf dies einer guten Vorbereitung durch die Lehrenden, da die Motivation zum selbständigen Schreiben und wesentliches Vorwissen eine Grundvoraussetzung für die Arbeit mit dem vorliegenden Heft ist.
Die Broschüre ist beim Bildungswerk der Humanistischen Union Essen gegen eine Schutzgebühr von 3,00 Euro zu bestellen.
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- 13 Jun 2012 - 10:50