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Daniel Bernsen
Im März ist das neue Handbuch in zwei Bänden erschienen. Das Werk soll auf “Grundlage des plausibel gemachten narrativistischen Paradigmas” (Barricelli/Lücke, Bd. 1, S. 12) Geschichtsunterricht für das 21. Jahrhundert beschreiben und das mehrfach aufgelegte Handbuch der Geschichtsdidaktik ablösen. Die Herausgeber definieren dabei die Aufgabe der Sammelbände nicht im Abdruck von “wohlfeilen Rezepten für einen ‘erprobten’ Geschichtsunterricht”, sondern das Ziel sei “das besonnene Vor- und Nach-Denken von Praxis.” (beide S. 13)
Gemäß des Titels und Schwerpunkt dieses Blogs habe ich bislang nur einen schnellen Blick in das sechste Kapitel “Medien des historischen Lernens”, das sich im zweiten Band befindet, geworfen. Auf einen einleitenden Artikel von Michael Sauer folgen Beiträge zu Text- und Bildquellen, digitalen Medien und Filmen. Auf eine gelungene Systematik zu “Medien” im Geschichtsunterricht muss man weiterhin warten. Vielmehr gibt es zwischen den Beiträgen einige Überschneidungen.
Nach der Kritik am “Handbuch Medien im Geschichtsunterricht”, das bei der Überarbeitung die mediale Entwicklung der letzten 10 Jahre völlig verschlafen oder ignoriert hatte, stellte sich mir die Frage, wie dies im neuen Handbuch aussehen würde.
Digitale Medien sind ja ausdrücklich erwähnt und haben gar einen eigenen Beitrag erhalten. Positiv zu erwähnen ist, dass u.a. Blogs und interaktive Tafeln Aufnahme in den Artikel gefunden haben. Inhaltlich ist der Beitrag jedoch enttäuschend. Waldemar Grosch verweist mehrfach auf seine Beiträge zu Schulbüchern der Zukunft und Computern im Geschichtsunterricht von 2001 resp. 2002. Grundlegende neuere Veröffentlichungen zum Thema lässt er aber außen vor.
Ich möchte das hier gar nicht in der Breite diskutieren und stattdessen exemplarisch nur zwei Zitate herausgreifen, die die Ausrichtung des Beitrags gut auf den Punkt bringen. So hat Grosche für das Thema “Blogs und virtuelle Hefte genau zwölf Zeilen übrig, deren Hauptbotschaft ist:
Abgesehen davon, dass Eselsohren und Fettflecke oder unordentlich eingeklebte oder überstehende Arbeitsblätter so vermieden werden können, kommt das Schreiben mit der Tastatur den Gewohnheiten der ‘Digital natives’ entgegen. (S. 137)
Für interaktive Whiteboards, die er unter dem Titel “Smartboards” behandelt (das ist so wie “Tempos” für “Taschentücher – umgangssprachlich ok, aber in einer wissenschaftlichen Publikation?), sind ein paar Zeilen übrig, die in folgenden Satz münden:
Besonders schwer wiegt aber die Tatsache, dass ein solches Gerät letztlich für ‘Präsentationen’ konzipiert, also einen lehrerzentrierten Unterricht fördert. (S. 137)
Ja, genau, deshalb sind in den letzten Jahren auch überall diese unmöglichen Kreidetafeln in den Klassenzimmern abmontiert worden… Auch der Rest der Darstellung ist in Auswahl und Inhalt zwar weiter als das Handbuch Medien von 2010, aber nichtsdestotrotz um Jahre hinter der aktuellen mediendidaktischen Diskussion, die sich anzuschauen in diesem Bereich publizierenden Fachdidaktikern dringend empfohlen sei.
Resümee: Es bewegt sich etwas, aber langsam. Oder anders ausgedrückt: Es ist schade, wieder wurde eine Chance verpasst. Diesmal nicht mit einer Überarbeitung, sondern in einer komplett neuen Publikation. Der Blick zu den Nachbardisziplinen lohnt sich: Die Politikdidaktik z.B. ist hier wesentlich weiter.
Mal schauen, wie lange es dauert, bis sich die Geschichtsdidaktik ernsthaft mit der Digitalisierung auseinandersetzt. Aber Barricelli und Lücke schreiben es bereits zur Einleitung im allerersten Satz:
“Geschichtsunterricht war wohl noch nie, seit es ihn gibt, zeitgemäß.” (S. 9)
Quelle: Weblog "Medien im Geschichtsunterricht" von Daniel Bernsen
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- 19 Jun 2012 - 15:58